Punkt 1 von 2 Ein Moment, der wehtut
Von Agnes Polewka
Es gibt ein Lied der deutschsprachigen Indiepop-Band „Husten“, das den Titel „Der hier wird wehtun“ trägt. Darin geht es um einen bestimmten Moment, der dich mit voller Wucht erwischt, dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Und weh tut. Richtig, richtig wehtut.
Ich habe den Song am 25. Oktober im Auto gehört, auf dem Heimweg von der Trauerandacht für Jonas und Sascha, die eine Woche zuvor bei der Messerattacke in Ludwigshafen gestorben waren. „Und dieser Moment, der erwischt dich im Stehen. Dieser Moment, der sagt dir: Der hier wird wehtun.“ Ja, denke ich. Ich wusste, dass das ein harter Termin wird.
Doch wie nahe er mir tatsächlich gehen würde, das realisierte ich erst, als ich mittendrin war, in diesem Trauergottesdienst. Umringt von den vielen Menschen und ihrem tiefen Schmerz um die beiden Männer, die unvermittelt aus ihrem Leben gerissen wurden. Aus ihren Familien, aus ihrem Freundeskreis. Da sind so viele Umarmungen und noch mehr Tränen.
Und dann ist da diese Kerze. Jonas’ Taufkerze. 2002 wurde er hier, in der gleichen Kirche in Oggersheim, getauft. Begrüßt, willkommen geheißen auf dieser Welt. Und jetzt wird er hier verabschiedet. Auf einer abstrakten Ebene berühren sich durch die Geste von Jonas’ Eltern das Leben und der Tod.
Und ich bin wie erstarrt. Tief bewegt. Und beteiligt. Viel beteiligter als sonst, aber das ist in Ordnung, mehr noch, es ist in diesem Augenblick richtig und wichtig. Weil mir dieser Moment ganz und gar deutlich macht, wie bedeutend die Menschen sind, über die wir berichten. Die, die geboren werden. Die, die leben. Und die, die sterben. Wie wichtig Rituale und eine gute Erinnerungskultur sind. Weil sie dem, was geschieht, einen Rahmen geben. Es einbetten. Wie es dieser Song der Indiepop-Band „Husten“ in meinem Auto tut. Und in meinem Kopf.
Punkt 1 von 2 Emotionaler Ausnahmezustand
Von Jörg-Peter Klotz
Nachrichten von schweren Verkehrsunfällen sind Gott sei dank selten geworden. Man nimmt sie wahr – und verdrängt sie schnellstmöglich. Wenn man ihnen wiederbegegnet, wird Betroffenheit zum Schock.
Am 1. März erreicht mich früh der Hinweis eines Kollegen, dass es sich bei den beiden Todesopfern eines Auffahrunfalls auf der A8 bei Pforzheim um zwei bekannte Jazzmusiker aus der Region handelt: den Dossenheimer Gitarristen Jörg Teichert (Bild hinten links) und den Mannheimer Schlagzeuger Christian Huber (vorn rechts). Beide 41 Jahre alt und echte Säulen der Szene, aktiv in kaum aufzuzählenden Bands. Huber Familienvater. Viel schlimmer geht’s nicht. Im Prinzip sind Nachrufe etwas Schönes. Dieser nicht.
Natürlich ist es wichtig, die Verdienste der beiden zu würdigen, ihre enorme Qualität als Musiker und Menschen.Die öffentliche Anerkennung ist tröstlich fürs Publikum, ab einem gewissen Punkt auch für die Hinterbliebenen. Aber „Obituaries“ haben auch eine handwerkliche Seite: Als seriöses Medium kann man eine Todesnachricht erst veröffentlichen, wenn sie offiziell bestätigt ist. Von Familie, Arbeitgeber oder Polizei zum Beispiel. Angehörige, die frisch unter Schock stehen, will niemand ohne Not behelligen. Feste Arbeitgeber haben freie Musiker selten. Die Pforzheimer Polizei macht „Dienst nach Vorschrift“ und bestätigt dem ihnen unbekannten Mannheimer Journalisten gar nichts. Nicht hilfreich, aber verständlich.
Nun beginnt ein Herumfragen im Kreis der Musikerkolleginnen und -kollegen. Fast alle erfahren die schlimme Nachricht von mir. So muss sich ein Todesbote fühlen. Aber viele der traurigen Gespräche sind auch schön und tröstlich. Denn wie aufrichtig erschüttert und persönlich betroffen alle von diesem Verlust sind. spricht für sich. So kann im emotionalen Ausnahmezustand ein Nachruf entstehen, in dem hinter jeder freundlichen Floskel so viel Substanz und kollektive Zuneigung steht wie selten.
Punkt 1 von 2 Achterbahn der Emotionen
Von Lea Seethaler
Mit Notizblock, Stift und Handy rannte ich in am 23. August in den Newsroom, die Nachrichten-Schaltzentrale dieser Redaktion, als ich die Sirene hörte. Wie aus dem nichts. Ich schaute durch die Fenster und wusste sofort: Das „Gefahrgut“ im Hafen, das die Polizei in ihrer Erstmeldung nannte, die mich so rennen ließ, hatte nun eine andere Bedeutung. Dass eine Lage entstand, die die Stadt in Atem hielt, aber den Reporter draußen und Teile der Bevölkerung über Wochen nicht Luft holen ließ, wussten wir noch nicht.
Ja, in diesem Jahr habe ich bei meiner Arbeit vor allem wieder eines erlebt: Das wahre Leben. Neben Gefahrgutunfällen gibt es in unserer Stadt aber auch stetig gesellschaftliche Debatten, tauchen Probleme und Lösungen auf. Letzteres beeindruckt mich. Besonders, wie sich Menschen in der Stadt füreinander einsetzen. Ob Sprachkurs für geflüchtete Frauen, neue Ideen für Barrierefreiheit, Einsatz gegen Gewalt oder für Seelische Gesundheit.
Es gibt Lichtblicke, brandaktuelle Fragen, schöne und weniger schöne Geschichten. Sie alle kommen in meinem Terminen, Berichten, Reportagen und Recherchen vor. Oft ist es so, dass abstrakte Dinge, die mir einmal erzählt wurden, die ich gelesen habe oder an der Uni lernte, plötzlich ein Gesicht bekommen. Die Tage, an denen ich Texte produzierte, sind in diesem Jahr aber nicht nur durch eingangs genannte Situationen emotional facettenreich gewesen. Es war auch das extreme Auf und Ab, das Kraft kostete.
An einem Tag erfuhr ich etwa beim Hospizdienst-Jubiläum von einem Wunder. Ein Kind sei geheilt. Ein paar Monate später spreche ich mit der Mutter des Kindes am Krankenbett über den Krebsrückfall ihres Kindes. Ein Stammzellspender wird gesucht. Das geht nah, lässt mich nicht kalt. Aber meine Feder glüht dabei nur noch heißer.
Punkt 1 von 2 Wie die Kulisse eines Krimis
Von Michaela Roßner
Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich gemerkt habe, dass rot-weiße Flatterbänder vorübergehend eine gewisse Unruhe in mir auslösten. Durch gute Gespräche habe ich verstanden: Es hat mit dem 24. Januar zu tun. Dem Tag, an dem ein 18-jähriger Student im Hörsaal am Botanischen Garten in Heidelberg auf Kommilitonen schoss, eine 23-Jährige tötete und weitere Studierende verletzte.
Weite Bereiche des Neuenheimer Feldes abgesperrt, im Himmel stehen Hubschrauber der Polizei, Einsatzfahrzeuge mit Kennzeichen aus dem ganzen Land überall, auch gepanzerte Spezialfahrzeuge, schwerst bewaffnete Kräfte, maskierte Männer und Frauen: Als ich am frühen Nachmittag auf den Campus komme, wirkt alles, als wäre ich geradewegs in die Kulisse eines Krimis gelaufen. Doch es ist real.
Ein junger Mann nähert sich, begleitet von einem Polizeibeamten, zum rot-weiß-gestreiften Absperrband. Seine Hand zittert, er steht sichtlich unter Schock, hat möglicherweise das Geschehen miterlebt. Andere eilen aus der Gefahrenzone, haben ihre Kinder aus der Kita geholt oder den Arbeitsplatz verlassen. Ich stehe mittendrin und lasse alle Eindrücke auf mich wirken. Noch ist nicht ganz klar, ob vielleicht ein zweiter oder gar dritter Täter irgendwo um die Ecke versteckt ist. Sind auch wir Beobachter in Gefahr? Alle um mich herum sind angespannt, die Nachrichten müssen brockenweise und mühsam zusammengesetzt werden. Die Spezialkommandos suchen jeden Winkel ab, bevor sie ein paar Stunden später Entwarnung geben. Ein Leichenwagen fährt vorbei.
In den nächsten Tagen bin ich immer wieder hierher zurückgekommen, habe weiter berichtet. Die rot-weißen Flatterbänder waren zwischen den Gebäuden verschwunden. Bergeweise Blumen und Kerzen sammelten sich nun vor dem Hörsaalgebäude, in dem das Schreckliche geschah – aber auch vor der Zentralmensa, in der die Studierenden normalerweise fröhlich beisammenstehen und den Unialltag bequatschen. Zu Tausenden laufen sie nun, viele in Schwarz gekleidet, hier vorbei. Tränen in den Augen. Manche halten sich an den Armen.
Was fragt man junge Frauen und Männer, die in Todesangst im Seminarraum ausharrten? Man möchte sie lieber mütterlich in den Arm nehmen. Über soziale Medien hatte sich die Amoktat in Sekundenbruchteilen verbreitet. Jeder Studierende hatte Angst, und die Angehörigen bis zum erlösenden Anruf ebenfalls. Vertraute Räume, durch brutale Gewalt in abgesperrte Bereiche verwandelt. Und dann die Trauerfeier, die einem das Herz zu zerreißen drohte.
Im Oktober 2014 war ich vor der meterhohen Feuersäule in Oppau gestanden: Eine Gasleitung der BASF war geborsten. Um die Unglücksstelle herum sah es aus wie nach einer Bombendetonation: ausgebrannte Autogerippe, geschmolzene Metallzäune und geborstene Fenster an den Häusern im näheren Umkreis. So etwas Surreales hatte ich vorher nicht gesehen. Im Februar 2008 recherchierte ich mit Block und Stift vor dem ausgebrannten Mehrfamilienhaus in der Ludwigshafener Innenstadt, in dem neun türkischstämmige Menschen gestorben waren.
Und dann das Attentat auf einen Lehrer an einer Berufsschule in Ludwigshafen 2010. Auch da war ich vor Ort. Diese Erfahrungen haben mich vielleicht etwas vorbereitet auf diesen Tag im Januar 2022, einem Montag, an dem ich im Gerichtssaal alarmiert wurde und eigentlich über einen Missbrauchsprozess berichten wollte. Abgebrüht haben sie mich nicht.
Ja, Journalisten haben eine professionelle Distanz auch zu Furchtbarem, müssen funktionieren und ihre Texte möglichst schnell und fundiert recherchiert übermitteln. Aber hinter jedem Block und Stift steckt auch eine Seele. Und die wird jenen 24. Januar 2022 mit seinen vielen rot-weißen Flatterbändern nicht vergessen – in aller Demut gegenüber denjenigen, die an jenem Tag Hauptrollen übernehmen mussten.
Punkt 1 von 2 Chaos auf den Planken
Von Sebastian Koch
Das fürchterliche 2022 warf zum Jahreswechsel seine ersten Schatten: Auf den Planken versammelten sich wochenlang montags teilweise bis zu 2000 Menschen, um gegen die Corona-Politik zu demonstrieren: Ohne Konzept, ohne Kompromissbereitschaft, ohne Veranstalter. Die Polizei reagierte mit Großaufgeboten, sogar Pferde wurden eingesetzt. Hier die über Telegram aufgestachelten Demonstranten. Dort die in großer Zahl auftretende, aber nicht immer souverän wirkende Polizei. Zwischendrin: Der Fotograf und ich.
In Eiseskälte sind wir der Menge durch die Quadrate gefolgt. Wir haben live informiert, fotografiert, gefilmt, noch für die Dienstagausgabe aktuell berichtet – war das alles zu viel? Häufig haben wir uns gefragt: Dürfen uns die Ereignisse derart vor sich hertreiben? Müssen wir jeden Montag berichten? Müssen wir denen, die nach Demokratie schreien, aber Grundsätze demokratischen Verhaltens mit Füßen treten, die Plattform bieten?
Andererseits: Ein solches Chaos, das teilweise bundesweite Beachtung fand, müssen wir abbilden. Selbst als Ende Januar einige Corona-Demos vom Schloss aus nach demokratischen Spielregeln abliefen, versammelten sich auf den Planken noch Menschen rechtswidrig.
Es gab auch Positives: Etwa die als Reaktion auf die Demos nach demokratischen Regeln vom Bündnis „Uffbasse“ organisierten Menschenketten. Im Februar entspannte sich die Lage. Geblieben sind beeindruckende und beängstigende Bilder: Schweigende Menschen ums Rathaus, die für demokratische Werte zusammenstehen, und lautstarke, die auf den Planken Demokratie fordern, deren Spielregeln aber missachten.
Punkt 1 von 2 Der Nazi-Eklat im Carl-Benz-Stadion
Von Alexander Müller
Hat er das gerade wirklich gesagt? Ich sitze auf der Pressetribüne des Carl-Benz-Stadions neben meinem Kollegen Thorsten Hof, in wenigen Minuten wird das Spiel des SV Waldhof in der zweiten Runde des DFB-Pokals gegen den 1. FC Nürnberg angepfiffen.
„Das ist nur für dich, Hehli.“ So hat Stadionsprecher Stephan Christen soeben die Verkündung der Mannheimer Mannschaftsaufstellung eingeleitet. „Hehli“, das ist Christian Hehl, der wenige Tage zuvor verstorbene bundesweit bekannte Neonazi aus Ludwigshafen, der lange Jahre als Chef einer hooligannahen Fan-Gruppierung auch in der Waldhöfer Kurve präsent war. Der Skandal ist in der Welt.
Schon in den ersten Minuten des Spiels am Abend des 18. Oktober vibriert mein Handy permanent. Entsetzen, Wut und Fassungslosigkeit sprechen aus den Textnachrichten von Menschen aus dem Umfeld des SVW. Wie kann ihr geliebter Verein nur einem vorbestraften Rechtsextremisten huldigen? Dass während des Spiels im Block auf Bannern außerdem Beileidsbekundungen gezeigt werden, macht die Affäre noch unappetitlicher.
Am nächsten Tag wird schnell klar: Christen ist in seinem Amt nicht zu halten. Der langjährige Stadionsprecher tritt zurück und beteuert, nichts über die politischen Hintergründe Hehls gewusst zu haben. Das kann man glauben – oder angesichts der Bekanntheit Hehls bezweifeln.
Ich nehme den Vorfall zum Anlass für eine Recherche: Driftet die Fanszene des SVW nach rechts ab? Doch die Polizei und die wichtigsten Experten, die ganz nah dran sind an der Kurve, geben Entwarnung. Der Hehl-Eklat steht nicht für einen besorgniserregenden Rechtsruck, sondern ist nur der bedauerliche Fehltritt eines Einzelnen. Zum Glück.
Punkt 1 von 2 Ein letztes Mal die Queen gefeiert
Von Konstantin Groß
Mein bewegendstes journalistisches Erlebnis im zurückliegenden Jahr: in England. Für Mitte Juni ist in der Wochenendbeilage dieser Zeitung auf der Reiseseite ein Beitrag über das royale London geplant. Die Feierlichkeiten zum Platin-Thronjubiläum von Königin Elizabeth II. bilden den idealen Anlass. So bin ich mittendrin (Bild).
Alle Schaufenster sind mit Porträts der Queen geschmückt. Und mit Glückwünschen: „Congratulation, Your Majesty!“ Welch eine Stimmung! Ehrliche Freude bei den Menschen, aber auch Melancholie. Alle spüren: Es ist der letzte Besuch bei der alten Dame. Hunderttausende sollen es sein, die in diesen Tagen in der Stadt auf den Beinen sind. Der 2. Juni: Riesige Boulevards, so breit wie Plätze, autofrei, dafür voller Menschen. Selbst Straßen, weit entfernt vom Buckingham Palace, dicht. Kein Durchkommen. Alle sind elektrisiert, als der Zeiger der Uhr jenen Moment erreicht, zu dem die Queen auf dem Balkon erscheinen soll. Ist sie es, die man dort sieht? Die riesige Videowand bestätigt: Ja!
Am 4. Juni abends das große Jubiläumskonzert: Wieder ist die Mall voller Menschen. Live treten auf: Andrea Bocelli, Paul McCartney, Rod Stewart, Diana Ross, Alicia Keys, viele mehr. Nein, die Queen zeigt sich nicht. Sie ist schon zu schwach. Prinz Charles hält eine Rede, wird bejubelt. Es erklingt die Nationalhymne. Schon Gänsehaut, inmitten von Zehntausenden Menschen „God save the Queen“ zu singen. Zu meiner Überraschung fließt mir der Text automatisch aus der Kehle – es war ein guter Englisch-Unterricht am Mannheimer Moll-Gymnasium.
Wer ahnt in diesem Moment, dass die, deren Gesundheit hier besungen wird, drei Monate später tot sein wird. Warum berührt mich das? Keine Ahnung. Weiß nur, dass die Bilder der zierlichen gebrechlichen alten Frau, wie sie nur zwei Tage vor ihrem Tod die Premierministerin empfängt, mir zu Herzen gehen.
Beim Staatsbegräbnis bin ich in Washington. Ich verfolge es im Hotel am Fernseher. Auch Dietmar Woidke, der Ministerpräsident von Brandenburg, ist gerade da. Ich sage zu ihm: „Heute wäre wohl weniger Washington als London der Place to be.“ Noch einmal passiert mir das nicht. Bei der Krönung von König Charles am 6. Mai 2023 bin ich vor Ort. In London.
Punkt 1 von 2 Vorfreude auf Buga und Seilbahn
Von Peter W. Ragge
Es war die tollste Zeit meiner Kindheit: Weil mein Vater dort arbeitete, erlebte ich die Bundesgartenschau 1975 ganz nah, war fast ständig dort und bin unzählige Male mit dem Aerobus gefahren – Unsinn: geschwebt!
Und jetzt freue ich mich, dass all das wiederkommt. Sicher – die Bundesgartenschau 2023 wird anders als 1975, denn die Zeiten, die Bedingungen, die Menschen sind ganz andere geworden. Aber es gibt eine Seilbahn, und das erinnert schon sehr an den damaligen Aerobus, der an Stahlseilen hängend zwischen Luisenpark und Herzogenriedpark pendelte.
Jetzt bin ich dabei, als der erste Pfeiler der neuen Seilbahn gesetzt, als das Seil gezogen und die erste Kabine angeliefert wird. Es sind besondere Momente, die sehr an die Kindheit erinnern und ich freue mich daher schon auf die erste Seilbahnfahrt und auf das sommerlange Fest.
Und nicht nur das: Früher, zu Fuß oder per Rad, bin ich auf dem Weg von Feudenheim zu den Großeltern in Käfertal-Süd am Spinelli-Gelände vorbeigekommen. Es war tabu, mit Stacheldraht, manchmal bewaffneten Patrouillen gesichert. Überall standen dicht nebeneinander Panzer, Laster und Jeeps. Zu sehen, wie daraus eine riesige, bald frei zugängliche Grünfläche wird – das ist wunderbar!
Punkt 1 von 2 Viel Feind, viel Ehr’. Und viel Psychostress
Früher hieß es für uns Journalisten ja gern: viel Feind, viel Ehr’. An dem Spruch ist immer noch was dran. Der Freund des Journalisten ist die Wahrheit, doch die Wahrheit ist der Feind vieler anderer Leute. Wenn sie ihnen schadet.
In diesem Jahr gibt es Momente, in denen ich denke: Wo ich hinsehe, werde ich gehasst. Es geht um die Mannheimer Philharmoniker, jenes Orchester, das Boian Videnoff vor über zehn Jahren gegründet hat und das seitdem ums Überleben kämpft. Ich habe keine Aktien in dem Orchester. Ich finde nicht alles gut daran. Aber ich sage auch nicht: weg damit!
Es fängt im Januar an, als der Gemeinderat eine weitere Förderung ablehnt. Ich schreibe einen ersten Artikel und sage: Wer hier 50 000 Euro einspart, spart wenig und zerstört viel. Es gibt einen Aufschrei. Feinde des Orchesters melden sich. Ich werde auf der Straße angefeindet.
Ich schreibe einen zweiten Artikel. Bedeutende Personen melden sich, schreiben, rufen an. Auf meinem Handy. Zuhause. Ich merke, dass ich Feinde in beiden Lagern habe. Bei Fürsprechern. Bei Gegnern. Es geht mir nah, beginnt, mein Privatleben zu tangieren. Viel Feind, viel Ehr’ – das ist für mich dann auch: viel Psychostress, den ich aushalten muss.