Heidelberg.
Dunkle Limousinen aus ganz Süddeutschland fahren in schnellem Tempo in das Klinikviertel hinein – zum Teil mit aufs Dach gesetztem Blaulicht. Feuerwehren aus der ganzen Region sind im Einsatz. Ein Hubschrauber steht im Himmel über dem Gebiet im Westen Heidelbergs, rund um den alten Botanischen Garten der Universität. Drumherum liegen mehrere Forschungsgebäude mit Hörsälen, um die Ecke das belebte Herz des Campus: die sonst so quirlige Zentralmensa. Auch das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) hat hier in zwei großen Blocks und mehreren weiteren Gebäuden seinen Sitz.
Eine Mitarbeiterin dirigiert Einsatzfahrzeuge über das Areal. Die DKFZ-Mitarbeiter, erzählt sie, seien sofort nach Bekanntwerden der Geschehnisse informiert und gebeten worden, „nur in ganz dringenden Fällen“ das Gebäude zu verlassen. Das SEK aus Göppingen ist vor Ort, auch ein Mobiles Einsatzkommando aus Karlsruhe. Die meisten Polizeikräfte stammen aus dem Zuständigkeitsgebiet des Polizeipräsidiums Mannheim.
Gegen halb eins soll der bewaffnete Täter in den Hörsaal im Neuenheimer Feld gestürmt sein. Dort lief gerade eine Vorlesung. Mit einer Langarmwaffe habe er dort um sich geschossen, berichtet Polizeisprecher Wilhelm am frühen Nachmittag,. Es habe vier Verletzte gegeben. Am späten Nachmittag macht die traurige Nachricht die Runde, dass eines der schwer verletzten Opfer, eine Frau, gestorben sei.
Sofort gehen Notrufe bei der Polizei ein, die mit großem Aufgebot anrollt. Der flüchtende Täter kommt ihnen beinahe entgegen. Kurz darauf soll er sich selbst in den Kopf geschossen haben. Über sein Motiv ist zunächst nichts bekannt. Meldungen in den Sozialen Netzwerken kommentieren die Ordnungskräfte vor Ort nicht.
Im alten Chirurgiegebäude an der Einfahrt zum Campusgelände haben Kräfte des Deutschen Roten Kreuzes schnell einen Notfallstützpunkt eingerichtet. Auch Notfallseelsorger sind hier im Einsatz. Ein junger Mann kommt, begleitet von einem Polizeibeamten, zum mit rot-weiß-gestreiften Absperrband. Seine Hand zittert, er steht sichtlich unter Schock, hat möglicherweise das Geschehen miterlebt. Der erfahrene Notfallseelsorger versteht sofort, hakt den Studenten unter und führt in in einen ruhigen Bereich, wo er versorgt und geschützt wird.
Oberbürgermeister Eckart Würzner bleibt lange bei den Einsatzkräften, macht sich in der Nähe des Tatorts ein Bild. „Es ist ein fürchterlicher Tag für uns alle.“ Auch er, selbst Vater von vier Kindern, steht sichtlich unter dem Eindruck des Geschehens. Man werde alles tun, um den Betroffenen zur Seite zu stehen,verspricht er. Über Messenger-Dienste verbreitet sich derweil der Amoklauf unter den Studierenden. Auch ein Bild vom angeblichen Täter wird geteilt. Offizielle Informationen der Polizei zum Täter gibt es da noch nicht.
Großräumig abgesperrt ist das Neuenheimer Feld auch noch am Nachmittag. Auf der Berliner Straße bilden sich lange Staus, auch die Straßenbahnen und Busse fahren die Haltestellen zwischen dem Hans-Thoma-Platz und dem Betriebshof nicht mehr an.
Rund zwei Stunden nach dem Amoklauf ist die Gefahr vorbei. Einsatzkräfte suchen routinehalber den Campus ab. „Wir gehen von einem Einzeltäter aus“, betont Wilhelm. Ein Vater läuft eilig, mit ernstem gesicht vorbei. An der Hand hat er seine zwei kleinen Töchter, die er aus der Kita abgeholt hat, und eine Leine mit dem wuscheligen Familienhund. „Heim, nur heim“, flüstert er.
In der gesamten Stadt ist der Schock groß: „Wir sind unendlich schockiert. Das ist eine Katastrophe, die sich allem Denkbaren zwischen Vorlesungen, Klausuren und Unileben entzieht“, sagt Peter Abelmann, Vorsitzender der Verfassten Studierendenschaft.
„Die Nachricht vom heutigen Amoklauf an der Universität #Heidelberg erfüllt mich mit großem Entsetzen und tiefer Bestürzung. Wir stehen fassungslos und schockiert vor diesem tragischen Ereignis. Ich bin in Gedanken bei den Verletzten, deren Familien und Freunden“, twittert die baden-württembergische Wissenschaftsministerin und Heidelbergerin Theresia Bauer (Grüne), die sich noch am Nachmittag mit Unirektor Bernhard Eitel trifft.
„Meine Gedanken sind in #Heidelberg bei den Verletzen und Angehörigen. Spekulationen verbieten sich. Mein Dank gilt allen Einsatzkräfte vor Ort“, schickt Christian Lindner (FDP) aus Berlin über Twitter. „Wir sind schockiert und tief bestürzt über die entsetzliche Tat im Neuenheimer Feld. Wir bedanken uns bei allen Einsatzkräften für ihr schnelles Eingreifen. Unsere Gedanken sind bei den Verletzten und ihren Angehörigen. Wir wünschen ihnen schnelle Besserung und vollständige Genesung“, erklären die beiden Grünen-Kreisvorsitzenden Monika Gonser und Florian Kollmann.
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