Mannheim. Neben dem Aus des SV Waldhof Mannheim gegen den 1. FC Nürnberg in der zweiten Runde des DFB-Pokals (0:1) ist am Dienstag ein während des Spiels von Teilen der Fans auf der Otto-Siffling-Tribüne (OST) gezeigtes Banner der Aufreger des Abends im Carl-Benz-Stadion gewesen. Dieses würdigte den vor wenigen Tagen verstorbenen und mehrfach vorbestraften Mannheimer Neonazi und langjährigen NPD-Funktionär Christian Hehl, der sich auch in der Hooligan- und Fanszene des SVW einen Namen gemacht hatte. Stadionsprecher Stephan Christen hatte zudem auch ihm vor dem Spiel die Aufstellung des SV Waldhof gewidmet.
Waldhof distanziert sich von rechtsradikalem Gedankengut
Schon am Dienstagabend sah sich der Verein genötigt, eine Stellungnahme zu dem Vorfall in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen: „Selbstverständlich distanzieren sich der SV Waldhof sowie unser Stadionsprecher weiterhin von rechtsradikalem Gedankengut. Diese Aktion war vor der Partie nicht mit den Verantwortlichen des SV Waldhof Mannheim 07 abgesprochen“, heißt es dort. Christen sei die Bedeutung von Hehl nicht bekannt gewesen: „Er wollte wie in den 29 vergangenen Jahren üblich, ihm privat zugetragenen Wünsche eigenständig erfüllen.“ Dieses Prozedere werde es in dieser Form nicht mehr geben. Zukünftig würden der Ehren- und Ältestenrat über Namensnennungen vor dem Spiel entscheiden.

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Der Vorfall erinnert gravierend in all seinen Facetten an ein Vorkommnis beim sächsischen Regionalligisten Chemnitzer FC vor rund dreieinhalb Jahren. Im März 2019 gedachten Fans des CFC vor einem Ligaspiel gegen den VSG Altglienicke mit einem Banner einer lokalen Neonazi- und Hooligangröße, die aktiv in der Fanszene des Vereins unterwegs war. Ein Foto des Verstorbenenen auf der Anzeigentafel und eine namentliche Würdigung durch den Stadionsprecher gingen damit einher. All dies sorgte für bundesweite Diskussion über den Umgang mit Neonazis in den Fußballstadien und zerriss in der Folge fast den Chemnitzer FC, der Monate dazu brauchte, um wieder zur Ruhe zu kommen. Der Verein feuerte in der Folge Stadionsprecher und Fanbeauftragten.
Einige Waldhof-Fans kritisieren Aktion im Mannheimer Stadion
Hehl, der von 2014 bis 2019 im Mannheimer Stadtrat saß und 2018 im baden-württembergischen NSU-Untersuchungsausschuss als Zeuge aussagte, war beim SVW jedenfalls kein Unbekannter. Von 2014 bis 2016 hatte der Verein ihm aufgrund seiner politischen Gesinnung Stadionverbot erteilt – unter anderem auch, weil er Vereins-T-Shirts mit polizeifeindlichen Botschaften verändert hatte. Schon damals wurden Banner gegen das Stadionverbot für den Neonazi während eines Spiels des SVW gegen den 1. FC Saarbrücken ohne Gegenreaktion des Vereins in die Höhe gehalten.
Spätestens hierdurch hätten beim Stadiosprecher angesichts seiner langjährigen Tätigkeit am Mikrofon am Dienstagabend eigentlich alle Alarmglocken angehen müssen. Warum dies nicht der Fall war, das müssen nun die Aufarbeitungen innerhalb des Vereins ans Tageslicht bringen. Wie es heißt, war beim Chemnitzer FC im Jahr 2019 Druck auf den Stadionsprecher vonseiten einiger Fans im Spiel. Ob dies auch am Dienstagabend der Fall war?
Die Fans zeigten sich einer spontanen Umfrage unserer Redaktion hinter der OST, anders als etwa auf der Facebook-Seite des SVW, nach dem Spiel distanziert zu der Aktion um das Hehl-Banner. „Das gehört hier nicht hin“, sagte ein Fan namens Klaus, der nur seinen Vornamen nennen wollte. Ähnliches war auch von anderen Zuschauern zu hören – ganz nach dem Motto: Politik hat beim Sport nichts zu suchen. Andere hatten das Hochhalten des Banners gar nicht gesehen, so dass sie von der Frage nach ihrer Meinung dazu überrascht waren.
Bei Facebook würdigt Szene Rechtsextremisten Hehl
Bei Facebook hingegen steht unter dem Beitrag des SVW vor allem die Würdigung von Hehl für die Fanszene des SVW im Vordergrund: „Hier geht es nicht um Politik, hier geht es um einen jahrezehntelangen treuen Waldhof-Fan, der für den Verein gelebt hat“, heißt es dort. Oder: „Mir fehlen die Worte. Wie respektlos kann man sein. Hehli war einer von uns.“ Es gibt aber auch andere Meinungen: „Einen verurteilten und bekannten Neonazi zu ehren, hat nichts mit dem Waldhof zu tun. Das ist einfach eine Schande.“
Doch es wurde am Dienstag auch Fußball gespielt: Während der Partie standen die Fans, trotz der Serie von fünf Auswärtsniederlagen in Folge, wie eine Wand hinter dem SVW. Für eine totale Gefühlsexplosion fehlte nur ein SVW-Treffer. Kein Wunder vielleicht, dass die Fans angesichts der durchaus guten Chancen kurz vor der 30. Minute eine ihre Hymnen anstimmten, in der es heißt: „Es ist ein Kampf, es tut so weh, doch wenn der Schuss sitzt, ist die Welt wieder okay ...“ Bekanntlich stirbt die Hoffnung zuletzt, ihre wurde an diesem Abend jedenfalls nicht erhört.
Erst nach dem Nürnberger Tor in der 63. Minute, das final die erste Pflichtspielniederlage des SVW im Carl-Benz-Stadion in der laufenden Saion bedeuten sollte, rumorte es etwas. Dabei ging es aber eher spontan um die zahlreichen Fehlpässe und kleineren Fehler im Spielaufbau sowie teilweise kläglich vergebenen Torchancen als gegen Trainer und sportliche Leitung, die angesichts von nur einem Punkt in den bisherigen sechs Auswärtspartien in der Kritik stehen. Erst am Samstag hatte die Mannschaft beim 2:3 gegen den SC Freiburg II in der zweiten Hälfte eine blutleere Vorstellung abgeliefert und für weiteren Diskussionsstoff gesorgt.
Überhaupt war der Abend ein wahres Pokalfest – auch wenn man angesichts der von der Polizei als Hochrisikospiel eingestuften Partie durchaus die Frage stellen darf, wie beide Fanlager so viele verbotene Bengalische Fackeln ins Stadion bringen konnten. Das farbenfrohe Spektakel sorgte dann auch dafür, dass Schiedsrichter Christian Dingert die Partie zu Beginn der zweiten Hälfte für rund drei Minuten unterbrechen musste. Die Sichtbehinderung durch den Rauch der Bengalos der Nürnberger Fans machte ein Weiterspielen unmöglich.
Apropos Polizei: Diese war laut Polizeisprecher Dennis Häfner mit mehreren hundert Kräften im Einsatz, um die beiden Fanlager voneinander zu trennen und einen friedlichen Fußballabend zu gewährleisten. Seit dem verpassten Waldhof-Aufstieg in die Erste Bundesliga im Jahr 2001, an dem Nürnberg aufgrund einer Niederlage gegen den FC St. Pauli am letzten Spieltag nicht ganz unbeteiligt war, herrscht zwischen beiden Fanlagern eine tiefe Abneigung.
Trotz der jüngsten Negativ-Ergebnisse zeigten sich die Fans angesichts der sportlichen Situation gegenüber der Mannschaft und Trainer Christian Neidhart an diesem Abend weniger kritisch. „Die Mentalität ist auf alle Fälle da. Die Spieler bringen es aktuell aber einfach nicht auf den Platz. Das ist das Problem. Es liegt nicht an den Spielern, und es liegt auch nicht am Trainer. Es fehlt einfach das letzte Bisschen auf dem Platz“, sagte etwa Dennis. „Das Quäntchen Glück hat heute gefehlt – ähnlich wie in Freiburg am vergangenen Wochenende“, sagte Thomas. Beide sind davon überzeugt, dass mit einem Erfolg auf gegnerischem Platz der Knoten platzen wird.
„Wir müssen auswärts irgendwie den Turnaround schaffen – auch wenn die Spieler dann nicht wie heute 17.000 Fans im Rücken haben“, sagte Simon. Die Stimmung ist bei ihm gegenüber der aktuellen Leistung der Mannschaft jedenfalls „noch okay“. Auch bei ihm merkt man, dass er weiterhin Vertrauen in den Trainer und in die sportliche Leitung beim SV Waldhof hat.
Aber es gibt auch Forderungen gegenüber SVW-Manager Markus Kompp und Geschäftsführer Tim Schork: „In der Winterpause müssen zwei, drei erfahrene Neuverpflichtungen her“, sagte Steven – zumal es laut Alexander gut sein kann, dass Spielgestalter und Ex-Nationalspieler Marco Höger aufgrund seiner Verletzung „vielleicht nicht mehr für den Waldhof auflaufen wird“. Simon sieht den SVW aktuell zudem eher in der Dritten Liga, auch wenn der SVW den Aufstieg in die Zweite Bundesliga als Saisonziel ausgegeben hat.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Nach Neonazi-Eklat: Rücktritt des Waldhof-Stadionsprechers war alternativlos