Mannheim. Die Atmosphäre in der Abendakademie ist entspannt. Noch. Wenige Minuten vor dem „MM“-Stadtgespräch ist Lachen zu hören. Hände werden geschüttelt, Wegbegleiter begrüßt, Gespräche geführt. Gleich werden Isabell Belser (Linke), Raymond Fojkar (Grüne), Thorsten Riehle (SPD) und Christian Specht (CDU) mit „MM“-Lokalchef Florian Karlein und dessen Stellvertreter Timo Schmidhuber über die wichtigen Themen vor der Oberbürgermeisterwahl am 18. Juni diskutieren.
Karsten Kammholz, Chefredakteur des „Mannheimer Morgen“, spricht vom Höhepunkt des Wahlkampfs. „Die Aufgabe des Oberbürgermeisters oder der Oberbürgermeisterin gehört zu den ehrenvollsten, aber zweifelsohne auch zu den härtesten Ämtern, die es gibt.“ Aber der Respekt vor Menschen, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich dem Gemeinwohl verpflichten, schwinde.
„Allein, dass Sie sich bewerben, diese Stadt zu führen, und sich der Direktwahl stellen, verdient Respekt und Anerkennung“, begrüßt Kammholz die Kandidatinnen und Kandidaten, die mehr als ein Mitglied des Gemeinderats hinter sich haben. In der Diskussion werden Unterschiede herausgearbeitet.

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Reizthema Verkehr
Über kein anderes Thema ist zuletzt so diskutiert worden. Nachdem der Verkehrsversuch aufgrund der Umstände keine brauchbaren Ergebnisse gebracht habe, will Specht ein Konzept erarbeiten, „in dem wir untersuchen, was wir für die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt erreichen können“. Der auch von FDP und Mannheimer Liste unterstützte Kandidat will den Durchgangsverkehr aus den Quadraten raushalten, gleichzeitig die Erreichbarkeit von Parkhäusern und Geschäften beibehalten.
Dafür will er alle - Handel wie Anwohner - mitnehmen und nennt die Umwandlung der Planken zur Fußgängerzone 1975 als Beispiel. Auch mit einem intelligenten Parkleitsystem, „das noch fehlt“, will er den Suchverkehr verringern, außerdem den ÖPNV weiter ausbauen.
Fojkar erinnert daran, dass auch der Prozess 1975 von Diskussionen begleitet und vom Handel kritisiert worden sei. Dessen Probleme führt er nicht auf den Verkehr, sondern auf teure Immobilienplanungen zurück. „Auch nach Heidelberg fährt niemand mit der Erwartung, direkt oder in der Nähe der Hauptstraße parken zu können.“ Fojkar glaubt fest daran, dass auch die CDU spätestens nach der Kommunalwahl 2024 Fußgängerzonen ausweiten wolle. Das habe sie schon unter ihrem damaligen Fraktionschef Nikolas Löbel gefordert. Specht hatte im Gespräch zuvor die Planken-Entwicklung 1975 auch als „Aufwertung des städtischen Raums“ bezeichnet.
Stadtbücherei vs. Stadion
Riehle kritisiert, Handel und Anwohner würden gegeneinander ausgespielt. Er spricht sich für eine App aus, mit der man Parkplätze buchen und bezahlen kann. Belser favorisiert eine „Stadt der kurzen Wege“, in der der ÖPNV ausgebaut und Autos seltener gebraucht werden. „Wir sind 2023 und können nicht mehr denken wie vor 30 oder 40 Jahren.“
Die Frage, ob der Neubau einer Stadtbibliothek oder der eines Stadions Vorrang haben sollte, wird diskutiert. Derzeit prüft die Verwaltung, inwieweit das Carl-Benz-Stadion kostengünstig saniert werden kann - ein Neubau ist momentan kein Thema. Riehle hält das für richtig - Specht für falsch. Für Letzteren sind die Probleme im und ums Stadion derart „immens“, dass man frühzeitig über einen Neubau als Option nachdenken müsse - notfalls zulasten der Stadtbibliothek, die er sich in abgespeckter Variante vorstellen kann.
Dass es eine Stadtbibliothek brauche, sei unstrittig. Die kalkulierten Kosten von 80 Millionen Euro würden auf 100 Millionen Euro steigen. „Es wird keine Gesellschaft geben, die das trägt“, sagt Specht mit Blick auf die Idee, die GBG könne die Bibliothek bauen. „Wir dürfen die Kosten nicht laufenlassen und sagen, es sei egal, wer das finanziert.“
Kitas, Klinikum und Theater?
Laut Riehle ist die Stadtbibliothek „eine zentrale Einrichtung für Bildung und für Bildungsgerechtigkeit“ - und soll Vorrang haben. Auch Fojkar bezeichnet den Neubau als „entscheidend“. Um Kita-Plätze zu schaffen, will Riehle ein „Mannheimer Stipendiumsprogramm“, das die Zusammenarbeit zwischen freien Trägern und Kommune stärkt. Freie Träger könnten Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, die sich dazu verpflichten, nach der Ausbildung mehrere Jahre in Mannheimer Einrichtungen zu arbeiten.
Auch schlägt er ein Fertigbaumodell vor, nach dem Neubauten nur einmal genehmigt werden müssten, bevor sie an mehreren Orten errichtet werden könnten. Specht wirft vor, Riehles SPD habe einen Vorschlag der CDU zu Modulbauweisen vor zwei Jahren nicht unterstützt. „Mir fehlt ein bisschen der Glaube, dass jetzt auf einmal alles besser werden soll.“
Fojkar will die Verbundlösung des Klinikums voranbringen. „Im Verbund kann etwas entstehen, das in seiner Bedeutung für ganz Deutschland entscheidend sein kann“, sagt er. „Das ist das entscheidende Zukunftsthema in ganz vielen Bereichen.“ Fojkar hält den Bau der Neuen Mitte für genauso drängend wie den Ausbau von Plätzen auf Intensivstationen, auf die man in Krisen schnell zurückgreifen kann.
Außerdem will er Mehrkosten des Nationaltheaters stärker kontrollieren. Er wundere sich über Großzügigkeiten anderer Fraktionen bei deren Übernahme. „Angesichts der Not der freien Kulturszene halte ich das für schwierig“, sagt er. „Da müssen wir steuernd eingreifen.“ Fojkar will auch finanzstarke Unterstützerinnen und Unterstützer, die das Haus erhalten wollen, beteiligen. Man könne das Nationaltheater nicht als „Daseinsvorsorgeaufgabe“ der Stadt betrachten, sondern müsse sich für dessen Erhalt engagieren.
Belser favorisiert den Ausbau barrierefreier Kindergärten und Schulen. „Es gibt sehr wenige Schulen“, die derart gestaltet seien. Sie spricht sich für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium aus und wünscht sich „eine zweite IGMH“. Alleinerziehende müssten finanziell gestärkt, Bildung und Teilhabe dafür erhöht werden. „Wenn man alleinerziehend ist, reicht das Geld oft nicht aus, um sein Kind adäquat zu fördern oder das Mittagessen im Kindergarten zu sichern“, sagt sie.
Megathema Klimaschutz
Was das Energetische angeht, müsse man Vorbild sein, öffentliche Immobilien entsprechend zu unterhalten, fordert Fojkar und spricht über „öffentliche Dächer, die für Solarthermie und Photovoltaik zugänglich sind“. Er wolle keine neue Versiegelung durch öffentliche Gebäude und deshalb versuchen, die Schlossparkbebauung rückgängig zu machen. Beim Thema Wärmeenergie betont Fojkar, man müsse die bezuschussen, die nicht ans Fernwärmenetz angeschlossen sind. Zudem wolle er „genossenschaftliches Engagement“ unterstützen: mit Bürgern, „die eigenes Geld einsetzen - nicht um Geld zu verdienen, sondern um erneuerbare Energien zu fördern“.
Photovoltaik, bessere Dämmung in Wohnungen und mehr Begrünung will Belser: „Wir haben heimische Bienen und Hummeln, die bei uns aussterben“, sagt sie.
Specht betont, man arbeite bereits an Photovoltaik-Aufdachanlagen auf allen öffentlichen Gebäuden. Bei der Wärmewende, meint er, werde es „eine zentrale Aufgabe“ sein, Lösungen für die Stadtteile zu suchen, die keine Fernwärme bekommen - zum Beispiel über Geothermie oder Wärmepumpen. Zudem sei das Entsiegeln von Flächen wichtig, sagt Specht und nennt den Rheinauer Platz oder den Lindenhofplatz als Negativbeispiele.
Riehle will „an der Seite der Bürger und Initiativen kämpfen, dass es keine Abholzung am Rheindamm gibt“. Er sagt: „Natürlich haben wir beim Großkraftwerk ein Thema.“ Man sei dem GKM Investitionen in die Zukunft schuldig, etwa in die Dekarbonisierung, um den Standort zur Wärmeerzeugung zu erhalten. Über die MVV habe man als Anteilseigner eine Möglichkeit - man müsse auch mit den anderen Anteilseignern sprechen, „um endlich mal Aussagen zu bekommen, wann welche Investitionen in das Kraftwerk laufen“. Um die große Lücke bei den Erneuerbaren Energien zu schließen, braucht es laut Riehle eine Vernetzung der gesamten Metropolregion. Alleine schaffe Mannheim das nicht. „Diese Vernetzung würde ich anstoßen.“
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