Porträt (mit Video und Fotostrecke)

Unterwegs mit Linken-Kandidatin Isabell Belser: Eine „Powerfrau“ hält auch Regen aus

Isabell Belser, die für die Linke als Oberbürgermeisterin kandidiert, setzt im Straßenwahlkampf auf ihre lockere Art, mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Konkrete politische Ziele nennt sie dabei durchaus auch

Von 
Steffen Mack
Lesedauer: 
Auch nur im Hintergrund schön: der Wasserturm. Dort entspannt Isabell Belser gern mit ihrer Tochter – aber nur bei deutlich besserem Wetter. © Christoph Bluethner

Mannheim. Am Anfang ist noch Luft nach oben. „Hallo, darf ich Sie mal was fragen?“, spricht Gökay Akbulut eine Frau in der Breiten Straße vor dem Kaufhof an. Antwort: „Nein, danke!“ Die Mannheimer Linken-Bundestagsabgeordnete probiert es bei der nächsten Passantin: „Hallo, darf ich Ihnen unsere OB-Kandidatin vorstellen?“ Erneut: „Nein, danke!“

Isabell Belser lässt sich nicht entmutigen

Isabell Belser lässt sich davon nicht entmutigen. Schon das Theater zuvor hat sie entspannt mitgemacht. Da sollte sie in einem Video für das Nachrichtenportal des „MM“ (www.mannheimer-morgen.de) einige Fragen beantworten, die später auch ihren Mitbewerbern gestellt wurden. Das wäre eigentlich in fünf Minuten erledigt gewesen. Erst sollte die Aufnahme im Rathaus-Foyer erfolgen. Doch dort hieß es, dafür müsse man erst das Einverständnis des OB-Dezernats einholen.

Als das dauerte und dauerte, wurde die Aufnahme kurzerhand in die Fraktionsräume der LI.PAR.Tie verlagert. Aber dann erschien dort ein Vertreter der Stadtspitze und untersagte den Dreh ganz: „Kein Wahlkampf in städtischen Räumen!“ Einwände, dass es sich erstens um ein journalistisches Interview handelt und zweitens im Rathaus mehrere Menschen arbeiten, die am Rennen um den Chefsessel beteiligt sind und vermutlich nicht für jedes entsprechende Telefonat raus auf die Straße rennen, verhallten ergebnislos.

Fällt in städtischen Räumen ernsthaft kein einziges Wort zu Wahlkampfzwecken?

Also mussten Kamera, Stativ und Mikrofon plus zugehöriger Taschen wieder rausgetragen und auf dem Bürgersteig aufgebaut werden. Dann endlich, nach mehr als einer Stunde, war das Video im Kasten. Belser ließ sich davon die gute Laune nicht verderben. „Ich versuche, immer alles mit Humor zu nehmen“, sagt die 47-jährige Krankenschwester. So scherzt die Dunkelhäutige an diesem Tag mehrfach, sie freue sich „etwas Farbe in den Wahlkampf zu bringen, und besonders als Frau“.

OB-Kandidatin Belser ist Feministin

Wie die Bewerber von SPD, CDU und Grünen konnte Belser für ihr Porträt im „MM“ selbst festlegen, wohin es gehen und was gemacht werden soll. Entschieden hat sie sich für Straßenwahlkampf mit Akbulut. Warum? „Sie ist eine Powerfrau genau wie ich!“ Außerdem seien beide Feministinnen und beschäftigten sich mit den gleichen Themenbereichen, etwa Migration und Soziales.

Harald Ruppertus sagt: Selbst wenn er bei der OB-Wahl 1000 Stimmen hätte, würde er alle Isabell Belser geben. © Christoph Bluethner

Als nicht ganz so passend entpuppt sich indes das Wetter. Bei Nieselregen lassen sich Menschen noch weniger gern als sonst von Fremden auf der Straße ansprechen. Doch nach mehreren erfolglosen Versuchen haben die beiden Frauen vor dem Buga-Kartenpavillon am Paradeplatz sehr viel mehr Glück. Hier warten an diesem Tag einige, die bereitwillig mit ihnen reden. So unterhalten sich Belser und Harald Ruppertus darüber, was alles nötig sei, damit es Menschen mit Behinderung in dieser Stadt leichter hätten. Der Rollstuhlfahrer zeigt sich begeistert von dem, was die Linken-Kandidatin in Sachen barrierefreier Zugang alles tun möchte. „Sie kriegen meine Stimme! Und wenn ich 1000 Stimmen hätte, würde ich Ihnen 1000 Stimmen geben!“

Kandidatur für OB-Wahl in Mannheim: Isabell Belser muss 250 Unterschriften sammeln

Ruppertus unterschreibt auch ebenso wie zwei Frauen vor dem Buga-Pavillon gern für Belser. Sie muss 250 Unterstützer-Unterschriften für ihre Kandidatur sammeln. Besonders für parteiunabhängige Einzelbewerber ist das nicht leicht. Aber für die Linke, die auch von der Tierschutzpartei und der Klimaliste Baden-Württemberg unterstützt wird, dürfte das kein großes Problem sein. Ist es auch nicht, wie die Ausbeute an diesem Tag zeigen wird.

Aber erstmal zur Buga: Die bezeichnet Belser später als „tolles Aushängeschild für unsere Stadt“. Bisher habe sie leider nur zur Eröffnung Gelegenheit gehabt, die Gartenschau zu besuchen. „Da fand ich sie wirklich sehr schön. Die Blumenpracht ist Wahnsinn.“ Allerdings bemängelt Belser, dass es auf Spinelli zu wenig schattige Plätze gebe. Besonders für kleine Kinder oder Senioren könne die Sonne schnell zu viel werden. „Ich denke, da wird es die meisten Menschen eher zum Luisenpark ziehen.“ Akbulut lässt noch einfließen, die Preise seien zu hoch. Wer wenig Geld habe, könne sich einen Besuch kaum leisten.

Ehemalige Altenpflegerin Belser trifft alte Bekannte

Vom Buga-Pavillon gehen die beiden die Planken entlang. Dabei stoßen sie auf eine Frau, mit der die Kandidatin früher in ihrer Zeit als Altenpflegerin zusammengearbeitet hat. Die Freude über das unverhoffte Wiedersehen ist beiderseits sichtbar groß. Glaubt die Bekannte, dass Belser eine gute Oberbürgermeisterin wäre? Sie denkt einen Moment nach und sagt, das könne sie sich schon vorstellen. Sicher wisse sie jedenfalls: „Sie war eine gute Kollegin.“

Erst in der Alten-, dann in der Krankenpflege

  • Isabell Belser ist eine waschechte Mannheimerin.
  • 1975 in Neckarau geboren, wuchs sie auf dem Lindenhof und in den Quadraten auf. In denen lebt die alleinerziehende Mutter auch heute noch mit ihrer neunjährigen Tochter.
  • Belser besuchte die Johannes-Kepler-Schule in K 5.
  • Seit knapp 20 Jahren arbeitet sie in der Pflege.
  • Zunächst war Belser Altenpflegerin, dann lernte sie um auf Krankenschwester. Aktuell ist die 47-Jährige im Ludwigshafener Klinikum als Springerin beschäftigt. Heißt, sie hilft mal auf dieser und mal auf jener Station, wo immer Not am Mann ist. Oder genauer gesagt an der Frau. Ihr gefalle die Abwechslung, sagt sie.
  • 2017 trat die bis dahin nach eigenen Angaben eher unpolitische Belser in die Linkspartei ein. Zwei Jahre später kandidierte sie bei der Kommunalwahl auf Listenplatz 40 – und verbesserte sich vom Ergebnis her auf Rang 15. 

 

Vor einem Geschäft sitzen zwei junge Frauen mit Hund und betteln schweigend um Geld. Belser und Akbulut geben nichts, aber sprechen die beiden an. Es entwickelt sich eine kurze Plauderei. Die beiden Obdachlosen bedauern, sie würden gern für Belser unterschreiben, doch das bringe nichts. Sie hätten keine Meldeadresse in Mannheim.

Belser entspannt gern mit ihrer Tochter am Mannheimer Wasserturm

Dann wird der Regen stärker. Belser und Akbulut wollen zum Wasserturm, vor allem für ein Bild mit dem Mannheimer Wahrzeichen. Als ihnen „MM“-Fotograf Christoph Blüthner vorschlägt, das könne er auch von den Planken aus machen, sind sie schnell einverstanden. Bei schönem Wetter gehe sie mit ihrer Tochter gern zum Wasserturm, sagt Belser. Sie liebe es, dort zu entspannen und die Natur zu genießen. Überhaupt seien ihr Umwelt- und Artenschutz sehr wichtig. Hat sie nicht überlegt, zu den Grünen zu gehen? Dort wäre sie ja auch mit ihrem Lieblingsthema Feminismus gut aufgehoben. Belser schüttelt den Kopf. „Zu den Grünen wollte ich nicht.“ Für die Linken habe sie sich 2017 auch entschieden, weil denen soziale Gerechtigkeit so wichtig sei.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Nach etwa einem Jahr stiller Mitgliedschaft habe man sie zu ihrer Überraschung gefragt, ob sie bei der Kommunalwahl 2019 antreten wolle. Für kleinere Parteien ist es schwer, eine Liste mit 48 Namen zusammenzukriegen. Belser kandidierte auf Platz 40 – und landete auf 15. „Ich mache mir nichts vor: Das war sicher vor allem, weil mein Beruf auf dem Wahlzettel stand“, sagt die Krankenschwester. Doch da sei sie quasi auf den Geschmack gekommen, was die Lokalpolitik angehe.

Mehr zum Thema

Porträt (mit Video und Fotostrecke)

Unterwegs mit OB-Kandidat Christian Specht: Der Mannheimer in seinem Element

Veröffentlicht
Von
Lea Seethaler
Mehr erfahren
Porträt (mit Video und Fotostrecke)

Unterwegs mit OB-Kandidat Raymond Fojkar: Der Grüne aus der katholischen Kirche

Veröffentlicht
Von
Timo Schmidhuber
Mehr erfahren
Porträt (mit Video und Fotostrecke)

Unterwegs mit OB-Kandidat Thorsten Riehle - Kulturwandel im Rathaus als Ziel

Veröffentlicht
Von
Sebastian Koch
Mehr erfahren

Das ging den Linken offenbar umgekehrt genauso. Als die ihr die OB-Kandidatur vorschlugen, musste sie nach eigenem Bekunden nur noch überlegen, wie sich das mit der Betreuung ihrer neunjährigen Tochter vereinbaren lasse. Als das geklärt war, sagte sie zu. „Mir geht es vor allem darum, anderen Frauen Mut zu machen, sich mehr zuzutrauen.“ Es sei auch höchste Zeit für das erste weibliche Stadtoberhaupt in Mannheim. Einen praktischen Nebeneffekt streitet Belser nicht ab: Mit dem Bekanntheitsgrad, den sie jetzt erlangt, könnte sie es bei der Kommunalwahl nächstes Jahr auch durchaus in den Gemeinderat schaffen.

Belser fordert günstigeren Nahverkehr für einkommensschwache Menschen

Nach längerer Unterhaltung unter einem Vordach wollen Belser und Akbulut nicht mehr zurück in den Regen. Am Strohmarkt steigen sie in eine Straßenbahn. Die OB-Kandidatin ist für einen Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrs. Der müsse für Einkommensschwache auch deutlich günstiger sein, und auf lange Sicht am besten sogar für alle kostenlos, meint sie. Den abrupten Abbruch des Verkehrsversuchs in den Quadraten bedauert die 47-Jährige. Zwar wolle sie Autos nicht aus der Innenstadt verbannen, aber es brauche mehr geschützten Raum für Radfahrer und Fußgänger. Und die Sperren noch vor einer Entscheidung des Gemeinderats einfach wieder abzubauen, finde sie falsch.

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Gökay Akbulut (l.) und Isabell Belser kommenmit obdachlosen Frauen ins Gespräch. Für sie unterschreiben können die nicht. © Christoph Bluethner

Am Marktplatz verlassen die beiden Linken die Bahn. An der Haltestelle läuft Belser einem dunkelhäutigen Bekannten buchstäblich in die Arme, er umarmt sie herzlich. „Ich besorge dir alle Stimmen der Black Community“, lacht der Mann und unterschreibt die Unterstützerliste. Das tun nach kurzem Plausch auch zwei Passantinen. Läuft doch.

Linken-Kandidatin Belser fühlt sich am Marktplatz wohl

Der Regen hat nachgelassen, aber offenbar auch die Lust von Belser und Akbulut auf Straßenwahlkampf, jedenfalls an diesem Tag. Den Marktplatz habe sie als letzte Station ausgewählt, weil sie sich dort sehr wohlfühle, so die Linken-Kandidatin. Zwar könne sie Anwohner gut verstehen, denen der Grillrauch zu viel werde. „Wenn man hier im Sommer abends langläuft, ist es teilweise schon extrem.“ Doch zeige die ethnische Vielfalt in diesem Teil der Quadrate eben auch, „dass Mannheim eine Stadt von Welt ist“. Darauf sei sie als Lokalpatriotin stolz.

Es gibt noch einen klassischen Grund, warum Belser den Marktplatz schätzt: „Ich liebe es, frisches Obst und Gemüse einzukaufen. Das hat schon meine Mutter immer hier gemacht.“ Als berufstätige Alleinerziehende lasse sich zwar, gerade jetzt im Wahlkampf, auch mal etwas Ungesundes auf dem Teller nicht ganz vermeiden. „Aber ich bemühe mich schon, für meine Tochter möglichst oft was Frisches zu kochen.“

Mannheimer OB-Wahl

Unterwegs mit Linken-Kandidatin Belser

Veröffentlicht
Bilder in Galerie
10
Mehr erfahren

Was sagt die Neunjährige zu den politischen Ambitionen ihrer Mutter? „Die steht voll dahinter“, sagt Belser. Ihre Tochter habe sie sowohl zum Linken-Landesvorstand nach Stuttgart als auch zu einem Besuch im Bundestag bei Akbulut freudig begleitet. Und als sie zum ersten Mal an einem Plakat von ihr vorbeigekommen seien, habe die Kleine begeistert gerufen: „Mama! Guck mal, dort!“

Auch wenn Belser aus Umwelt- und Kostengründen sehr viel weniger plakatiert als ihre Mitbewerber von CDU, SPD und Grünen: Einige solcher Momente kann die Tochter im Wahlkampf sicher noch genießen. Sogar bei jedem Wetter.

Beim ersten Plakat ruft die neunjährige Tochter: „Mama! Guck mal, dort!“

Redaktion Steffen Mack schreibt als Reporter über Mannheimer Themen

Thema : OB-Wahl 2023 in Mannheim

  • Verwaltungsgericht Klage gegen Mannheimer OB-Wahl: Verhandlung schon im Oktober?

    Ende vergangener Woche wurden eine Klage und ein Eilantrag gegen das Ergebnis der Mannheimer OB-Wahl eingereicht - die könnten schon bald verhandelt werden. Das Verwaltungsgericht beabsichtigt einen Termin im Oktober

    Mehr erfahren
  • Verwaltungsgericht Klage und Eilantrag gegen die Mannheimer OB-Wahl

    Am Verwaltungsgericht Karlsruhe sind am Freitag eine Klage und Eilantrag gegen das Ergebnis der Mannheimer Oberbürgermeisterwahl eingegangen. Das sind die Hintergründe und die Folgen

    Mehr erfahren
  • Kommunalpolitik Thorsten Riehle im Interview: „Christian Specht ist es, der Mehrheiten finden muss“

    Vor vier Wochen hat SPD-Fraktionschef Thorsten Riehle OB-Wahl verloren. In seinem ersten Interview danach spricht er über die Aufarbeitung der Niederlage - und die Frage, ob er Dezernent werden will

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen