Mannheim. Es liegt nicht wirklich im Naturell eines Politikers, einzuräumen, dass man mal keine Lösung parat hat. Keine Idee. Ja, im Grunde genommen nicht einmal einen Ansatz. „Manchmal steht man da und weiß auch nicht, wo jetzt eigentlich das Problem liegt“, erklärt Thorsten Riehle Gabriele Pohl. Man hört und man sieht ihm die Ratlosigkeit an.
Die Mannheimerin und der Kandidat der SPD für die Oberbürgermeisterwahl stehen auf einer Wiese in Neckarau, auf der der Verein Lebensnahes Lernen einen Naturkindergarten errichten möchte. Die Verwaltung aber mache nun die Auflage, die naturgemäß nicht für Rollstühle geeignete Wiese barrierefrei zu gestalten, erzählt Pohl. Eine barrierefreie Wiese? „Das ist merkwürdig“, murmelt Riehle, während er über das weitläufige und für den Betrieb fast fertige Gelände schaut. Die Stadt brauche schließlich dringend Kita-Plätze, und bei anderen derartigen Kindergärten sei das auch kein Thema gewesen. Er wolle bei der Behörde nachhören, verspricht er.
Thorsten Riehle: Seit 2020 SPD-Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat
- Am 16. April 1970 wurde Thorsten Riehle in Mannheim geboren. Aufgewachsen ist er in Ladenburg, wo er zunächst die Grundschule besuchte und die Mittlere Reife ablegte.
- 1989 legte Riehle sein Abitur am Friedrich-List-Wirtschaftsgymnasium in Mannheim ab.
- Nach einem Grundstudium in Politologie, Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaften wurde er bei der „Schwetzinger Zeitung“ zum Redakteur ausgebildet.
- Riehle ist seit Juni 1993 Mitglied der SPD. 2014 wurde er in den Gemeinderat gewählt, in dem er seit 2020 die Fraktion der Sozialdemokraten führt.
- 1998 gründete Riehle die Capitol Betriebs GmbH. Im Sommer will er sich – unabhängig vom Ausgang der Wahl – aus dem Capitol zurückziehen, erklärte er Anfang Januar im Interview.
- 2022 heiratete er seinen heutigen Ehemann Markus Schwarz-Riehle. Beide wohnen in Rheinau-Süd.
Wenige Minuten später sitzt der Sozialdemokrat wieder in seinem kleinen Smart, der mit den Motiven seiner Wahlplakate lackiert ist. Der nächste Termin steht an.
Es ist Wahlkampf. Viele Gelegenheiten zum Durchatmen haben weder er noch die anderen Kandidatinnen und Kandidaten, die in den Wochen vor der Oberbürgermeisterwahl am Tag auch mal bis zu sieben, acht, neun Termine wahrnehmen.
Riehle hat an diesem Morgen bereits Wählerinnen und Wähler auf der Rheinau getroffen. Zukunftsspaziergang – so nennt er das Format, das ihn zu im Stadtteil wichtigen Orten führt. 30, vielleicht 35 Männer und Frauen sind zum Karlsplatz gekommen, von wo aus der Spaziergang durch das Viertel startet.
Riehle spricht über eine Neugestaltung des Karlsplatzes und darüber, dass er das Grosskraftwerk (GKM) erhalten wolle, dessen Türme vom Karlsplatz aus sichtbar sind. „Wir brauchen für das GKM Investitionen, um weg von der Steinkohle zu kommen.“ Bis alternative Quellen aber verlässlich Energie liefern, müsse Block 9 mit Steinkohle „noch für längere Zeit laufen“, sagt er. „So ehrlich müssen wir sein.“
Als OB will ich mit den Menschen in den Stadtteilen im Gespräch bleiben
An und zwischen den Stationen des Spaziergangs spricht Riehle über stadtteilspezifische Themen: Verkehrsanbindung, die Stärkung sozialer Teilhabe oder die vielen Transporter von Lieferdiensten, die vor allem in Rheinau-Süd Parkplätze blockieren. Um Kita-Plätze zu schaffen, schlägt er vor, dass die Stadt mit evangelischer und katholischer Kirche eine Projektentwicklungsgesellschaft gründet, die dafür sorgen soll, „dass wir über alle Gebäude, die die Kirche nicht mehr braucht, gemeinsam sprechen“, erklärt er. Dabei solle es um die Situation im Stadtteil, die Finanzierung oder um die Entwicklungsmöglichkeiten der Gebäude gehen. „Wir können die Liegenschaften nicht dem freien Markt überlassen, sondern müssen sie bewusst gemeinwohlorientiert und gemeinnützig erhalten.“

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Immer wieder ist das charakteristisch laute Lachen des Kandidaten zu hören. Die Atmosphäre ist entspannt. Bei anderen Spaziergängen habe er vereinzelt auch Störende erlebt, sagt Riehle. Heute nicht. Es ist für ihn aber auch ein Heimspiel: Riehle wohnt in Rheinau-Süd. Der dort gelegene Rheinauer See sei ein Lieblingsplatz in der Stadt. Hier gehen Ehemann Markus und er oft mit ihrem Hund spazieren.
„Mit 17 Stadtbezirken und 38 Stadtteilen ist Mannheim vielfältiger als wir das im Rathaus oft sehen“, sagt er am Marktplatz auf der Rheinau. Als Oberbürgermeister wolle er das städtische Rathaus öffnen, dort „mehrmals im Jahr Menschen aus den Stadtteilen an einen Tisch bringen“, sie einladen oder seinen Amtssitz temporär auch in die Stadtteile verlegen. „Ich will als Oberbürgermeister mit Menschen in den Stadtteilen im Gespräch sein und wissen, was sie umtreibt“, sagt er. „Das ist meine wichtigste Tätigkeit.“ Ob das im hektischen politischen Alltag einer Großstadt immer möglich ist?
Riehle wird am 16. April 1970 in Mannheim geboren und macht am Friedrich-List-Gymnasium sein Abitur. Nach einem Grundstudium in Politologie, Betriebswirtschaftslehre und Erziehungswissenschaften wird er bei der „Schwetzinger Zeitung“ zum Tageszeitungsredakteur ausgebildet. Seit 1993 ist er Sozialdemokrat, seit 2014 Stadtrat, seit 2020 Vorsitzender der Gemeinderatsfraktion.
Nächster Termin: Wir sind im Norden der Stadt. Doch bevor sich Riehle am Karlstern über den Zustand des Waldes informiert, bleibt etwas Zeit. Auf einer Holzbank erklärt er, dass sich Politik und Verwaltung auf der einen Seite und Bürgerinnen und Bürger auf der anderen Seite voneinander „entfremdet“ hätten. „Viele haben den Eindruck, die Politik sieht uns mit unseren Problemen gar nicht.“
Das könne er in Teilen nachvollziehen, weil auch die Kommunikation der Mannheimer Verwaltung nachgelassen habe. „Wenn man Entscheidungen in strittigen Fragen erklären will, reicht es heute nicht mehr aus, einen Artikel ins Amtsblatt zu setzen oder dem ,Mannheimer Morgen’ etwas zu sagen“, erklärt Riehle. „Wenn man sich anschaut, wie die Stadt kommuniziert, haben wir noch viel Luft nach oben.“ Er wolle etwa Gruppen gezielt zu Sitzungen des Gemeinderats einladen und diese dann mit ihnen auch nachbereiten.
Riehle nimmt für sich in Anspruch, ein „anderer Kandidat“ zu sein. Einer, der Brücken bauen und Menschen zusammenbringen wolle, so wie er es auch als Chef des Capitols gemacht habe. Er wisse auch, was er nicht kann, sagt er. Erfahrung in einer Verwaltung hat er bislang nicht. „Als Oberbürgermeister muss man auch mal nachfragen dürfen, wenn man etwas nicht gleich versteht.“
Zwar wolle er die Verwaltung nicht neu erfinden, sagt Riehle. „Ohne die Verwaltung funktioniert die Gesellschaft nicht.“ Man brauche aber nicht wieder einen Juristen oder Verwaltungsbeamten an deren Spitze. Davon gebe es schon „viele gute Leute“ in der Verwaltung. „Es geht darum, einen Kulturwandel einzuläuten, der nur mit einem anderen Angebot geschehen kann“, beschreibt er seine Idee – und nennt viele Stunden später Barack Obama und Willy Brandt als politische Vorbilder.
Obama habe mit „Empathie und Menschlichkeit eine andere Art ins Weiße Haus gebracht“. Brandt dagegen habe Deutschland zu einer Zeit politisch geformt, „in der sich die Frage gestellt hat, wo unser Land hingeht“. Auch imponiert habe Riehle, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach kürzlich öffentlich zugegeben hat, dass es in der Pandemie auch falsche Entscheidungen gegeben habe. „Zur Politik muss dazugehören, dass man auch mal Fehler eingestehen darf“, sagt Riehle.
Mit seiner Erfahrung als Unternehmer jedenfalls wolle er neue Sichtweisen auf die Digitalisierung in der Verwaltung oder die Kommunikation mit und aus dem Rathaus einbringen. Seit 25 Jahren führt Riehle nun das Capitol. Im Sommer ist Schluss – unabhängig vom Ausgang der Wahl. Die Zeit für den Wechsel sei reif gewesen, sagt er. „Die nächste Generation hat Ideen und muss sich entwickeln dürfen.“
Für Kultur im Allgemeinen solle aber auch als Verwaltungschef Zeit sein, wünscht sich Riehle. Auch dann wolle er noch Dinge machen, „die mich interessieren und nicht, die ich als OB machen muss“: Etwa mit Freunden ins Kino gehen, das eine oder andere Konzert besuchen, zu Hause Netflix-Serien schauen und Krimis lesen, vor allem regionale Krimis, am liebsten von Chako Habekost. Der Versuch, eine Normalität im Privatleben zu erhalten, sei auch der, „nicht den Kontakt zu verlieren“.
Ob das mit der Normalität wirklich gelingt? Er wisse natürlich, dass „ganz andere“ Dinge und Eindrücke auf ihn zukämen, antwortet Riehle. „Ich will aber kein Oberbürgermeister mit dem Amtsverständnis ,Weil das ein OB so machen muss’ sein.“
Die kurze Zeit ist um. Mit Sebastian Eick, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald, besichtigt Riehle den Käfertaler Wald. Dessen Zustand könne man mit dem Blick nach oben bewerten – nicht anhand der grünen Sträucher am Boden, erklärt der Förster. Dort oben sind lichte Stellen und abgestorbene Baumkronen zu entdecken. So viel Totholz habe er bislang nie wahrgenommen, schildert der SPD-Kandidat später die Eindrücke. „Es gibt Kinder, die kommen in die Pubertät und sind noch nie in einem Wald gewesen.“ Das Bewusstsein für den Wald und dessen Bedeutung müsse massiv gestärkt werden. „Das müssen wir vor allem gesamtgesellschaftlich diskutieren.“
Wir sind inzwischen in den Quadraten. Zusammen mit den Jusos und anderen Parteimitgliedern eröffnet Riehle seine Plakatkampagne. Auch der Generalsekretär der Landespartei, Sascha Binder, ist gekommen – die Wahl am 18. Juni sei schließlich die wichtigste Oberbürgermeisterwahl für die Südwest-SPD in diesem Jahr, sagt er.
Und mit welchem Ergebnis rechnet Riehle? Allein schon aus arithmetischen Gründen – es sind zehn Kandidatinnen und Kandidaten bekannt – sei es ambitioniert, im ersten Wahlgang mit einer absoluten Mehrheit zu rechnen. „Ausgeschlossen ist es aber natürlich nicht.“ Ein paar Tage nach der Wahl jedenfalls habe er Karten für ein Konzert von Depeche Mode. „Mein Mann hat gesagt, wir müssen alles dafür geben, dass das im ersten Wahlgang klappt“, sagt Riehle – und lacht laut.
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