Mannheim. Pressesprecherin Corinna Brod übte sich vor gut zwei Wochen in professioneller Zuversicht: „Wir sind sicher, dass wir die Maßnahme bis zur Eröffnung am 14. April fertigstellen.“ Gemeint ist die Renaturierung des Neckarufers, wo zwischen Riedbahnbrücke und Fernmeldeturm in den vergangenen Tagen noch jede Menge Erdaushub lag. Und es nach allem möglichen aussah, nur nicht nach „bald fertig“.
Im Bezirksbeirat Feudenheim zeigte sich der Leiter Parkanlage und Infrastruktur, Christian Lerch, vor ein paar Tagen spürbar weniger zuversichtlich. Das Vorhaben sei zu einer „zeitlichen Herausforderung“ geworden, es gebe aber eine Chance, noch fertig zu werden. Lerch: „Aber eine knappe Chance.“ Wie Spaziergänger dort täglich beobachten können, ist am Neckarufer „noch einiges an Masse zu bewegen“. Da der Abtransport des Aushubs und der Böschungssteine per Schiff läuft, um Lkw-Verkehr zu minimieren, habe man nun wegen des Niedrigwassers eine Verzögerung.
Was das Neckarufer mit Buga zu tun hat
Dass die Bundesgartenschau-Gesellschaft überhaupt mit dem Neckarufer befasst ist, hat eine lange Vorgeschichte. Brod: „Die Maßnahme wird vom Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim als Teil des interkommunalen Projekts ‚Lebendiger Neckar‘ von Heidelberg bis Mannheim unterstützt. Dies wird von Heidelberg, Dossenheim, Edingen-Neckarhausen, Ladenburg, Ilvesheim und Mannheim seit 1999 gemeinsam umgesetzt, um den Neckar zu einem durchgehenden blau-grünen Band für Natur und Naherholung mitten in der Metropolregion Rhein-Neckar zu entwickeln.“
Veränderungen Neckarufer
- In weiten Bereichen ändert sich gerade das gewohnte Bild des Neckars, vor allem der Ufer und Gewässerränder.
- Mit den Renaturierungsmaßnahmen werden Lebensräume für Pflanzen und Tiere aufgewertet und neu geschaffen.
- Laut Buga-Gesellschaft entstehen ökologische Verbesserungen am Gewässerlauf. Auch im Vorlandbereich wird die Tierwelt durch Totholzhaufen, Steinhaufen und über 90 neu aufgehängte Nisthilfen gefördert.
- Erdarbeiten auf beiden Uferseiten für die Uferabflachungen starten etwa 150 Meter westlich des Fernmeldeturms und bewegen sich dann abschnittsweise nach Osten bis zur Riedbahnbrücke.
- Gleichzeitig erfolgt die Verschwenkung des Stromstrichs. Hierbei wird durch Ufervorschüttungen und -rücknahmen ein leicht mäandrierender Uferverlauf geschaffen. Diese Arbeiten finden sowohl im westlichen und auch im östlichen Bauabschnitt statt.
- Schwerlastverkehr im Stadtgebiet wird trotz der umfangreichen Erdbauarbeiten auf ein Minimum reduziert. Überschüssige Erdmassen werden per Schiff zur Wiederverwendung abtransportiert.
- Gehölze, die für die Arbeiten am Neckar weichen müssen, werden durch Anpflanzungen an beiden Ufern ausgeglichen.
- Es werden anderthalb Mal mehr Pflanzen gesetzt als zuvor dort waren, Wiesenflächen werden wieder artgerecht angesät. red
Doch den Rückbau des kanalartig ausgebauten Flussufers und die Reaktivierung der ehemaligen Neckarschleife in der Feudenheimer Au treibt tatsächlich vor allem das Land Baden-Württemberg als Projekte zur Erfüllung der Gewässerschutz-Auflagen der Europäischen Union (EU) voran. Das nicht unumstrittene Gewässer mit Bachlauf in der Feudenheimer Au und vor allem den Abschnitt eins der Entgradigung des Flussufers kann man als eine Art Zugabe zur Gartenschau im großen Areal zwischen Luisenpark und Spinelli auffassen.
Erster Bauabschnitt im Blickpunkt
Dazu werden derzeit an beiden Neckarufern Buchten und Inseln angelegt, die Lebensräume für die verschiedensten heimischen Tier- und Pflanzenarten bieten sollen. Dieser westliche Abschnitt des Altneckars zwischen Riedbahnbrücke und Fernmeldeturm (Kosten knapp zehn Millionen Euro) steht jetzt im Blickpunkt. Für die Fischarten Barbe und Nase als Leitarten, aber auch für zahlreiche Insekten sollen die Lebensräume neu geschaffen werden, die durch die Kanalisierung des Neckars zu Beginn des 20. Jahrhunderts verlorengegangen waren.
Bereits gut erkennbar ist zudem die tiefergelegte Neckarwiese, von der aus der Fluss auch bei niedrigem Wasserstand wieder zugänglich wird. Doch dem freien Mäandern des Flusses sind Grenzen gesetzt. Denn die Uferzonen sollen zugleich als Naherholungsgebiet deutlich aufgewertet werden.
Mitte der 2020er Jahre soll dann auch der östliche Altneckar (oberhalb der Riedbahnbrücke) in neuer Natürlichkeit, aber weniger offen für Besucher erstrahlen. Da an den beiden insgesamt rund 3,5 Kilometer langen Ufer-Strecken Buchten und Durchstiche so angelegt werden, dass die vergleichsweise starke Strömung des Neckars den Rest der Arbeit erledigt, können Flachwasserzonen auf natürliche Weise entstehen und sich mit der Zeit auch verändern.
Das Augewässer im Norden der Feudenheimer Au sowie der zugehörige Wasserlauf werden – trotz aller Schwierigkeiten mit der Abdichtung – wohl ebenfalls bis zur Buga fertig. Lediglich der als Projektphase Süd bezeichnete Durchstich zum Neckarkanal kommt später, warscheinlich ab 2026/27, da der Anschluss des Augewässers laut Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach Bestandteil der Gesamt-Baugenehmigung ist.
Die Vorarbeiten waren wegen der Kampfmittelbeseitigung äußerst langwierig. Die Anwohner in Neuostheim und Feudenheim mussten mehrfach evakuiert werden, weil Weltkrieg-Blindgänger entschärft werden mussten.
Weitgehend fertig ist laut Brod das neue Nebengewässer West, das ist eine kleine Ausbuchtung noch vor der Riedbahnbrücke: „Dort werden sich künftig durch die Verlangsamung der Wasserfließgeschwindigkeit Flachwasserstellen bilden und Biotope entstehen.“ Mit dem Nebengewässer Ost ist ebenfalls bereits begonnen worden, es soll in diesen Tagen fertig werden. Auf der Maulbeerinsel, so Corinna Brod, werde zurzeit der Prallhang – ein kurvenäußeres Ufer, das das Wasser um die Kurve leitet – modelliert und das neue Ufer aufgetragen. Begonnen haben auch die Aussaatarbeiten auf fertiggestellten Bodenflächen.
Abtransport per Schiff
Insgesamt besteht die Baustelle aus 3040 Meter Bearbeitungslänge am linken Ufer, also der Stadtseite, davon werden bis zur Gartenschau rund die Hälfte (1500 Meter) bearbeitet. 2650 Meter Bearbeitungslänge weist das rechte Ufer auf der Maulbeerinsel auf, davon werden 1400 Meter bis zur Ausstellungseröffnung gebaut. Zu diesen grundlegenden Zahlen liefert Gartenschau-Sprecherin Brod weitere Daten: 130 000 Quadratmeter Oberflächen werden modelliert und Wiesen darauf gesät. Zu diesem Zweck lässt die Buga 90 000 Kubikmeter Sand und Kies ausbaggern, 28 000 davon abtransportieren. Ausgebaggert werden außerdem rund 60 000 Kubikmeter Lehmboden, 50 000 davon werden abtransportiert – jeweils per Schiff.
Entfernt werden auch alte Uferbefestigungen (Deckwerksteine), rund 11 000 Kubikmeter davon werden ausgebaut. Damit die neuen Ufer dennoch befestigt werden können, müssen auch noch 1400 Stecklinge zur Ufersicherung gesetzt werden. Insgesamt kosten die bis zur Buga fertigzustellenden Arbeiten gut 17 Millionen Euro. Für die späteren Abschnitte schlägt ein ähnlich hoher Betrag zu Buche.
Pegelstände steigen wieder
Doch nun steht erst einmal die Gartenschaueröffnung an. Da die Schiffe für den Abtransport des Materials aber nicht wie geplant, sondern, so Projektleiter Bernhard Wember im Feudenheimer Bezirksbeirat, wegen zu niedrigen Wasserstands nur zu 70 bis 80 Prozent beladen werden können, „haben wir ein echtes Problem“. Christian Lerch zeigte sich aber zuversichtlich, den ersten Bauabschnitt „in jedem Fall in diesem Jahr“ fertigstellen zu können. Zumindest, so ergänzte er, wolle man versuchen, das, „was man von der Seilbahn aus sieht“, bis April hinzubekommen.
Buga-Pressesprecherin Corinna Brod legte auf Nachfrage nach den Aussagen ihrer Fachkollegen zuerst noch eine Schippe professionelle Zuversicht obendrauf und ließ aus der Fachabteilung ausrichten, man sehe „keinen Grund zur Annahme, dass der erste Streckenabschnitt der Neckarrenaturierung bis zur Buga nicht fertig sein sollte“. Auf nochmalige Nachfrage erläuterte Christian Lerch, dass man nun – auch weil die Pegelstände wieder steigen – davon ausgehe, den Eröffnungstermin zumindest einigermaßen halten zu können: Bis dann alles wirklich fertig wird und auch alle Baustelleneinrichtungen abgebaut sind, „könnte es auch Mai werden“.
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