Wohnen

Was macht Mannheim für mehr bezahlbaren Wohnraum? Das sagt Baudezernent Ralf Eisenhauer

In Mannheim wird es künftig deutlich enger werden: Baudezernent Ralf Eisenhauer erklärt im Interview, was die Kommune bei ihrer Wohnungspolitik ändern will. Für Mieter hat er eine gute Nachricht

Von 
Martin Geiger
Lesedauer: 
„Jede einzelne Wohnung hilft“: Baubürgermeister Ralf Eisenhauer fordert mehr politischen Willen ein. © Thomas Tröster

Herr Eisenhauer, vom Immobilienmarkt hört man keine guten Nachrichten: Bundesweit fehlen so viele Wohnungen wie seit 30 Jahren nicht mehr, wegen steigender Zinsen und Kosten bricht die Zahl der Neubauten ein. Wie ist die Lage in Mannheim?

Ralf Eisenhauer: Unsere Ausgangssituation ist im Prinzip ganz erfreulich. In den letzten Jahren sind hier so viele Wohnungen fertiggestellt worden wie seit 30 Jahren nicht mehr. Alleine 2021 waren es mehr als 2100. Das liegt natürlich in erster Linie an den Konversionsflächen, die schon zu mehr als der Hälfte entwickelt sind. Aber auch die letzten 30 bis 40 Prozent müssen bebaut werden. Viele Projekte sind auf einem guten Weg, aber bei manchen merken wir schon, dass die wirtschaftliche Entwicklung schwieriger wird.

Was heißt das?

Eisenhauer: In den letzten zwei, drei Monaten ist die Zahl der Bauanfragen im Vergleich zu den Vorjahren um rund 50 Prozent zurückgegangen. Wobei man dabei bedenken muss, dass sie zuletzt aufgrund der Konversion sehr hoch waren.

Welche Folgen hat das für Mieter?

Eisenhauer: Wenn weniger gebaut wird, bleibt der Mietermarkt angespannt. Zumal nun auch viele eine Wohnung suchen werden, die unter günstigeren Bedingungen wohl eine Immobilie gekauft hätten. Darum bleibt die Wohnungspolitik für uns eine große Herausforderung. Insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen wird es zunehmend schwerer, eine Wohnung zu finden.

Zeichnet sich das auch im neuen Mietspiegel ab, den Sie nächste Woche vorstellen werden?

Eisenhauer: Nein, die Tendenz ist erfreulicher als wir vermutet haben. Zu den konkreten Ergebnissen kann ich jedoch erst etwas sagen, wenn wir die Zahlen den Stadträtinnen und Stadträten vorgestellt haben. Es ist jedoch weniger Bewegung zu beobachten als allgemein erwartet.

Warum?

Eisenhauer: Darüber kann ich aktuell nur spekulieren, wir versuchen selbst, eine realistische Einordnung zu finden. Wahrscheinlich ist einer der Hauptgründe, dass sehr viel gebaut und das Angebot größer geworden ist. Vielleicht spielt auch unsere Quotenregelung und das Engagement der GBG eine Rolle.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel ergänzt.

Warum ist der Mietspiegel nicht rechtzeitig fertig geworden?

Eisenhauer: Das hatte zwei Gründe: Wir haben das externe Institut zwar bereits im Juni beauftragt. Dann hat das Land jedoch das Mietspiegelreformgesetz verabschiedet, wodurch die Zuständigkeit nicht mehr eindeutig bei den Kommunen lag. Erst Mitte Oktober ist diese Unsicherheit durch den Landtag beseitigt worden, darum konnten wir erst dann die Erhebung starten. Aus Gründen der Sorgfalt haben wir anschließend darauf warten müssen, bis genügend Rückmeldungen eingegangen waren. Mir ist aber wichtig, zu betonen: Es ist zwar eine Unsicherheit entstanden, aber kein Verlust an Rechtssicherheit.

Was macht die Stadt, um für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen?

Eisenhauer: Sehr viel! Unser stärkster Hebel ist, dass wir der alleinige Eigentümer der größten Wohnungsbaugesellschaft in Baden-Württemberg sind - nämlich der GBG, der zwölf Prozent aller Wohnungen in der Stadt gehören, Tendenz übrigens steigend. Deren Durchschnittsmiete liegt deutlich unter dem Mietspiegel. Gleichzeitig haben wir mit dem Zwölf-Punkte-Programm ein umfangreiches Instrumentarium geschaffen, das wir zusammen mit dem Gemeinderat im Frühjahr weiterentwickeln wollen.

Inwiefern?

Eisenhauer: Indem wir beispielsweise private Bauherren dabei unterstützen wollen, ihre Gebäude aufzustocken. Da gibt es bereits sehr viele Fördermöglichkeiten von Bund und Land, die aber noch nicht alle kennen. Darum wollen wir hier ein neues Beratungsangebot schaffen.

Ralf Eisenhauer

  • Ralf Eisenhauer (53) ist seit Januar 2021 Dezernent für Bauen, Planung, Verkehr, Wohnen und Sport.
  • Zuvor war er rund zehn Jahre Fraktionschef der SPD im Gemeinderat.
  • Er ist in Mannheim geboren und aufgewachsen. Er machte an der Uni Heidelberg einen Abschluss in Geologie und absolvierte an der FH Ludwigshafen ein Studium zum Wirtschaftsingenieur. mig/imo

Wollen Sie auch die Quote für bezahlbaren Wohnraum erhöhen? Bislang müssen auf Gebieten mit neuen Bebauungsplänen in Gebäuden mit mehr als zehn Wohnungen 30 Prozent zu Mietpreisen von 8,17 Euro pro Quadratmeter angeboten werden.

Eisenhauer: Die Quote ist ein Erfolgsmodell. Sie sorgt für bezahlbaren Wohnraum, und gleichzeitig ist noch kein einziges Projekt deswegen gestrichen worden. Offenbar lassen die 30 Prozent den Bauherren genügend Spielraum, darum wollen wir auch an diesem Wert festhalten. Würden wir mehr fordern, bestünde die Gefahr, dass manche Vorhaben sich nicht mehr lohnen und verworfen werden, also insgesamt weniger Wohnungen entstehen. Das würde niemandem helfen.

Mehr zum Thema

Wohnungsmarkt

Können sich Familien noch eine Immobilie  in Mannheim leisten?

Veröffentlicht
Von
Valerie Gerards
Mehr erfahren
Bauen (mit Fotostrecke)

Das passiert 2023 in Mannheims neuem Stadtteil Franklin

Veröffentlicht
Von
Timo Schmidhuber
Mehr erfahren
Immobilien

Wie Baugenossenschaften in Mannheim ihr angestaubtes Image aufpolieren

Veröffentlicht
Von
Waltraud Kirsch-Mayer
Mehr erfahren

Was planen Sie sonst noch Neues?

Eisenhauer: Zurzeit erarbeiten wir die Bestimmungen zur Umsetzung der kommunalen Mindesteigentumsquote, die der Gemeinderat vor einem Jahr beschlossen hat.

Was heißt das?

Eisenhauer: Das bedeutet im Prinzip, dass wir neue Flächen erst dann entwickeln, wenn der Stadt mindestens die Hälfte der Grundstücke gehört. Das gilt zumindest im Außenbereich, im Innenbereich ist es deutlich komplizierter . . . Durch dieses neue Instrument erhoffen wir uns deutlich bessere Chancen für unseren Bodenfonds.

In den hat die Stadt 2020 rund neun Millionen Euro gesteckt, um Grundstücke kaufen zu können. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

Eisenhauer: Ich würde gerne deutlich mehr darüber ankaufen. Wir haben bislang zwar 31 Projekte identifiziert und den Erwerb empfohlen. Aber tatsächlich umgesetzt werden konnten lediglich vier Projekte.

Weil Sie zu wenig Geld haben?

Eisenhauer: Nein, das ist keine finanzielle Frage. Es geht eher um die Fragen: Wie viele Menschen befassen sich bei uns mit dem Thema? Sind sie nahe genug am Markt dran? Und können wir schnell genug Beschlüsse fassen? In diesen Bereichen müssen wir noch besser werden.

Jetzt für MM+ Abonnenten: Das E-Paper am Sonntag



Für MM+ Abonnenten: Lesen Sie kostenfrei unser E-Paper am Sonntag - mit allem Wichtigen aus Mannheim und der Region, dem aktuellen Sport vom Wochenende sowie interessanten Verbraucher-Tipps und Reportagen. Das Geschehen in Deutschland und der Welt ordnen unsere Korrespondenten für Sie ein.

Hier geht es zum E-Paper - ab dem frühen Sonntagmorgen für Sie verfügbar

Sie haben noch kein MM+ Abo? Dann sichern Sie sich den MM+ Kennenlernmonat  

Auch beim kommunalen Vorkaufsrecht gibt es offenbar Verbesserungsbedarf: Beim Präzedenzfall in Neuhermsheim haben Sie vor Gericht in der ersten Instanz eine Schlappe einstecken müssen. Wie geht es nun weiter?

Eisenhauer: Wir wussten, dass es juristisch eine Herausforderung werden wird, unser Vorkaufsrecht durchzusetzen - obwohl wir ja den Marktpreis bezahlen. Nun haben wir Berufung gegen das Urteil eingelegt und müssen abwarten, wie der Verwaltungsgerichtshof entscheidet.

Lassen Sie uns noch einen Blick in die Zukunft werfen: Wie wird sich der Wohnungsbedarf entwickeln?

Eisenhauer: Das wissen wir relativ genau, weil wir eine aktuelle Prognose haben. Demnach wächst die Bevölkerung bis 2030 um etwa 16 000 Personen. Das heißt, wir brauchen 7400 neue Wohnungen. Die können wir auch bauen, wenn wir die bereits geplanten und angedachten Projekte umsetzen.

Mehr zum Thema

Wohnen

Von der Steinzeit bis heute: Wie der Mensch seinen Platz im Universum findet

Veröffentlicht
Von
Stefan M. Dettlinger
Mehr erfahren
Stadtentwicklung

Wohnen am Times Square?

Veröffentlicht
Von
Benno Schwinghammer
Mehr erfahren
Obdachlosigkeit

Lernen von den Finnen

Veröffentlicht
Von
Tobias Kisling
Mehr erfahren

Welche meinen Sie da?

Eisenhauer: Zum einen natürlich die auf den Konversionsflächen Franklin und Spinelli. Aber auch die anderen großen Vorhaben, etwa die Schafweide, das Collini-Center, die Otto-Bauder-Anlage oder die frühere Spiegelfabrik.

Und wie geht es nach 2030 weiter?

Eisenhauer: Dann flacht das Bevölkerungswachstum deutlich ab. Bis 2040 benötigen wir zwar weitere 7400 Wohneinheiten - allerdings hauptsächlich, weil bestehende Gebäude saniert oder ersetzt werden müssen. Das heißt aber auch: Wenn wir diese Flächen neu bebauen, können wir den Bedarf wohl decken.

Dann ist ja alles in Butter . . .

Eisenhauer: Noch nicht ganz: Denn die geplanten und angedachten Projekte sind ja keine Selbstläufer. Da muss über jedes einzelne noch diskutiert und gerungen werden. Eine Nachverdichtung ist immer erklärungsbedürftig und benötigt nicht nur Flächen, sondern auch den politischen Willen, um sie umzusetzen.

Hapert es daran manchmal?

Eisenhauer: Natürlich, denn das bedeutet ja, dass es in der Stadt enger, höher und verdichteter wird. Das ist der Preis dafür, dass wir aus ökologischen Gründen auf eine Außenentwicklung verzichten wollen. Und niemand schreit ,Hurra’, wenn auf dem Nachbargrundstück anstatt eines zweigeschossigen Hauses nun plötzlich ein vierstöckiges stehen soll. Da sind gute Konzepte und jede Menge politische Arbeit nötig. Deshalb betone ich auch im Gemeinderat immer: Jede einzelne Wohnung hilft. Und höher zu bauen ist besser, als neue Flächen zu versiegeln. Das ist für viele Stadtteile, wo wir heute noch dörfliche Strukturen haben, zwar teils eine enorme Veränderung. Aber Mannheim muss in die Höhe wachsen. Anders geht es nicht.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

Thema : Wohnen

  • Wohnen Hunderte neue GBG-Wohnungen kommen in Mannheim bald auf den Markt

    GBG-Chef Karl-Heinz Frings über die Großprojekte der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, drohende Mieterhöhungen und den einzigen Weg zur Entspannung des Mannheimer Wohnungsmarktes.

    Mehr erfahren
  • Mannheim Mannheims spektakulärstes Hochhaus bald fertig

    In Mannheims jüngstem Stadtteil Franklin gibt es dieses Jahr einiges zu feiern: Etliche imposante Gebäude werden fertiggestellt. Ein Rundgang in Bildern.

    Mehr erfahren
  • Bundesgartenschau So sieht es jetzt auf dem Buga-Gelände in Mannheim aus

    Ende Januar soll auch der letzte Teil des Mannheimer Spinelli-Geländes der Bundesgartenschau wieder an die Öffentlichkeit zurückgegeben werden. Wie der Rückbau lief und was dort jetzt noch ist.

    Mehr erfahren

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen