Rhein-Neckar. Obwohl alternative und individuellere Wohnformen in Deutschland immer beliebter werden, kann man die Tiny-House-Bewegung im Rhein-Neckar-Raum noch mit Handschlag begrüßen.
Wolfgang Eisele, in Edingen-Neckarhausen zu Hause, ist zumindest eine rhetorische Speerspitze, wenn es darum geht, das diffizile Thema von allen Seiten zu beleuchten. Der 66-Jährige wäre gerne schon weiter bei seinen Bestrebungen, endlich einen Platz zu finden, wo er ein solches Mini-Haus aufstellen kann - wohlgemerkt ohne dabei gegen Baurecht, Naturschutzauflagen oder Lärmgutachten zu verstoßen. Tatsache ist: Der Mann läuft in der Metropolregion regelmäßig gegen Mauern, während in Mühlacker bei Pforzheim gerade die größte Tiny-House-Siedlung Deutschlands entsteht - 70 Häuschen auf 1,3 Hektar. Das fünf Hektar große Gelände der vor mehr als zehn Jahren geräumten Kilbourne-Kaserne in Schwetzingen, das im Eigentum der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) ist, wäre in den Augen Eiseles prädestiniert gewesen für einen Versuchsballon. „Das hätte ein Leuchtturm-Projekt sein können“, sagt er über die Idee eines Tiny-House-Campus auf den früheren Flächen der Amerikaner. Er stellte sich eine Art Think-Tank, eine Denkfabrik mit gleichzeitiger Testgelegenheit für naturnahes und minimalistisches Wohnen, vor.
Eisele hatte vor, die Wissenschaft einzubinden, mit Herstellern von Tiny-Häusern zu kooperieren und politische Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Es ging unter anderem darum, einen möglichst geringen ökologischen Fußabdruck mit einem hohen sozialen Standard zu verbinden. Angedacht waren eine zeitbegrenzte Nutzung der Fläche und der vorhandenen Infrastruktur mit Wasser, Strom und Abwasser, aber keine baulichen Veränderungen oder größere Eingriffe in die Vegetation .
Tiny-House-Freunde sind Anhänger minimalistischer Lebensformen. Oft suchen sie nach lebenswerteren Perspektiven am Ende ihres beruflichen Lebens. Martin Sebert ist so jemand. Seine Kinder sind aus dem Haus, er lebt mit seiner Frau in Staufen im Breisgau und hat sich nun mit Menschen zusammengetan, die sich für ein Projekt in Ladenburg begeistern könnten.
Die Tiny-House-Bewegung
- Das Tiny-House-Bewegung stammt ursprünglich aus den USA und wirbt für das das Leben in kleinen Häusern. Damit appelliert sie an das Umweltbewusstsein und wendet sich zugleich an Personen mit geringem Einkommen.
- Tiny Houses werden definiert mit einem umbauten Wohnraum von bis zu 110 Quadratmeter, zwischen 15 und 45 Quadratmeter Nutzfläche, einer Ausstattung mit einer Küchenzeile, einem Bad- und einem Schlafbereich, und sie erfordern einen Anschluss an die Ver- und Entsorgung mit Strom, Wasser und Abwasser.
- In Deutschland dürfen solche Häuser nur an Orten aufgestellt werden, die mit einem Bebauungsplan versehen sind. Eine Ausnahme stellt ein Campingplatz dar, auf dem ein Tiny House grundsätzlich ohne explizite Baugenehmigung stehen darf.
- Als ein Vorläufer der Tiny Houses in Deutschland wird mitunter ein ausgebauter Bauwagen betrachtet, wie ihn Peter Lustig in der Fernsehsendung „Löwenzahn“ hatte.
Gespräche in Ladenburg
Ein erstes Gespräch mit Bürgermeister Stefan Schmutz habe es bereits gegeben, ein zweites soll im Mai folgen. „Es ist sehr schwer“, sagt der 60-jährige Sebert über die Umsetzung und steht damit vor ähnlichen Problemen wie Wolfgang Eisele.
Warum es schwer ist, ein Tiny-House-Experiment an der Schwetzinger Kilbourne-Kaserne zu beginnen, erklärt Wolfgang Leberecht, Amtsleiter für Klimaschutz, Wirtschaft und Bauordnung bei der Stadtverwaltung: Im Außenbereich sei eine Wohnbebauung generell nicht zulässig. Das gelte auch für das besagte Gelände, das aktuell zurückgebaut und renaturiert werde. Naturschutz sei dort ein großes Thema. In Schwetzingen habe es zudem mal eine pauschale Anfrage zu einer Bebauung für eine Gartenfläche direkt hinter dem Schlossgarten gegeben.
„Mir fällt ehrlich gesagt keine Fläche ein, die speziell für die Platzierung von Tiny-Houses entwickelt werden könnte“, so Leberecht, der sich darüber bewusst ist, dass gerade aufgrund des fehlenden günstigen Wohnraums alternative Formen und Konzepte entstehen.
Wolfgang Eisele kann damit nicht zufrieden sein. Ebenso wenig mit dem Lärmschutzgutachten, das eine Wohnbebauung auf Kilbourne neben all den anderen rechtlichen Gründen ausschließt. Im Spätjahr 2021 wollte er mit einigen Mitstreitern einen Verein gründen. Unter anderem nahm er damals Kontakt zum Schwetzinger Landtagsabgeordneten André Baumann (Bündnis 90/Grüne) auf, der auch Staatssekretär im Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft des Landes Baden-Württemberg ist.
Zivile Folgenutzung
Eisele wollte das Thema politisch platzieren. Gegenüber dieser Redaktion sagte Baumann auf Anfrage: „Grundsätzlich finde ich die Tiny-House-Bewegung gut, aber es geht hier um Baurecht, und das ist Aufgabe der jeweiligen Gemeinde.“ An der notwendigen Lobby fehlt es auch, weil Eiseles Verein bisher nicht gegründet worden ist. Das hängt auch damit zusammen, dass es innerhalb der Tiny-House-Bewegung sehr unterschiedliche Vorstellungen davon gibt, wie man am Ende leben möchte. Eisele hat sich viele Konversionsflächen in der Region angeschaut und verweist auf den Landesentwicklungsplan von vor 20 Jahren. Dort steht, das Militärbrachen vermieden und eine sinnvolle Verwertung der Flächen unterstützt werden sollen. Zivile Folgenutzungen sollen angestrebt werden. Davon ist Kilbourne weit entfernt. Eisele will die Verantwortlichen weiter „nerven“.
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