Bundesgartenschau

Warum die Buga einen Tisch der Nationen aufbaut

Ein Stuhl für jeden UN-Staat und eine lange Tafel: Auf Spinelli soll bei der Buga ein Friedens-Mahnmal entstehen - von Kunsthandwerkern und Psychiatriepatienten gebaut

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Peter W. Ragge
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Von Katrin Knape gestaltet: der Stuhl Algeriens, auf der Vorderseite und der Sitzfläche die Flagge der Berber, der Ureinwohner Nordafrikas, also auch Algeriens. © Bund der Kunsthandwerker

Mannheim. „Wir müssen etwas tun, irgendetwas!“ Dieser Satz, so erinnert sich Textilkünstlerin Marianne Wurst, sei allen im Kopf herumgegangen vor etwa einem Jahr. Putins Angriffskrieg auf die Ukraine hatte gerade begonnen, die Panzer rollten, die Artillerie schoss, und in Mannheim auf dem Gelände der Bundesgartenschau sprachen sie über Kunsthandwerk - und wollten doch viel mehr tun. Das Ergebnis ist ein besonderes Kunstprojekt: der Tisch der Nationen auf dem Spinelli-Areal.

Kunsthandwerker präsentieren einzelne Arbeitsschritte

Dass der Bund der Kunsthandwerker Baden-Württemberg sich an Bundesgartenschauen beteiligt, ist üblich. Dieses, so Marianne Wurst, „bewährte Konzept“ habe man auch in Mannheim wieder umsetzen wollen. Ob Schmuck, Keramik, Textil, Holz, Metall - jeweils zwei Kunsthandwerker unterschiedlicher Gewerke präsentieren im wöchentlichen Wechsel einzelne Arbeitsschritte von der Idee, Gestaltung, Materialbeherrschung bis hin zur handwerklichen Umsetzung. Das findet in und vor der U-Halle statt. „Ein interessanter Standort in zentraler Lage“, erklärt Wurst, Oberdischinger Textilgestalterin: „Das Publikum kann uns über die Schulter schauen.“

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193 bunte Stühle für jeden UN-Staat

Bei den ersten Gesprächen darüber seien aber alle Teilnehmer ganz unter dem Eindruck des Krieges gestanden, der da gerade mitten in Europa begonnen hatte. Michael Schnellbach, der Geschäftsführer der Bundesgartenschau-Gesellschaft, habe dann nach einer ungewöhnlichen künstlerischen Antwort gefragt - und so ist das Konzept für den Tisch der Nationen entstanden.

„Um die Ohnmacht, die dieser brutale Krieg auslöst, etwas entgegenzusetzen, entstand die Idee mit der langen Tafel und den 193 Stühlen - für jeden UN-Staat einen Stuhl“, erklärt Marianne Wurst den Gedanken. Die kleine „UN-Vollversammlung“ solle die Besucher daran erinnern, dass weltweiter Frieden das höchste Gut ist, für das die Vereinten Nationen nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges gegründet worden seien, so die Idee der Buga-Macher.

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Platziert werden Tisch und Stühle direkt an der - überdachten - Laderampe der U-Halle, die ja früher Güterbahnhof der US-Armee war und die hier alles verladen hat, was Soldaten brauchen. Nun soll dort ein künstlerisch gestaltetes Friedenssymbol entstehen, das aber auch einen praktischen Nutzen habe, erläutert Rebecca Grunert vom Buga-Team, das die Ausstellungsbeiträge gestaltet. Die lange Tafel solle die Gartenschau-Besucher zum Verschnaufen, Vespern, zu Begegnungen und Gesprächen einladen. Aber es solle zugleich ein nachhaltiges Projekt sein, ist der Bundesgartenschau wichtig. Daher werden die Stühle nach dem sommerlangen Fest verkauft oder versteigert. Der Reinerlös abzüglich aller Kosten geht als Spende an das Förderprojekt „Junges Kunsthandwerk“ vom Bund der Kunsthandwerker.

Unter der früheren Laderampe der U-Halle wird der Tisch der Nationen platziert – auch als Ort zum Vespern und Verschnaufen der Besucher. © Michael Ruffler

Dessen Mitglieder haben es nämlich übernommen, die 193 Stühle zu gestalten - koordiniert von Marianne Wurst. Zugelassen seien Stühle mit irgendeiner Art von Lehne und üblicher Sitzhöhe von etwa 46 Zentimetern, egal ob aus Holz, Peddigrohr oder Stahl, aber möglichst gebraucht und wiederverwertet - aus Umweltgründen. Deren Gestaltung orientiere sich an den einzelnen Mitglieder-Nationen der UN. „Sie können bemalt, beklebt, umgarnt, mit Stoff eingenäht werden - das ist ganz unterschiedlich“, so Wurst.

Ehrenamtliche Helfer und eine Spedition sammeln die Stühle ein

Entstanden seien „ganz, ganz spannende Entwürfe - Hauptsache, das Land ist erkennbar und es passt irgendwie optisch und farblich“, erläutert sie, wobei alleine die Verwendung der Flaggenfarben nicht reiche, denn manche Farben stünden ja für sehr viele Länder. Rot, Weiß und Blau verwenden etwa die USA ebenso wie Russland. . . Daher brauche man zusätzliche Attribute. Viele ihrer Künstlerkollegen hätten da aber „eine ganz tolle Fantasie“ gezeigt, etwa Inselumrisse oder Vulkane dazu gemalt, das Ergebnis sei „ganz spannend“.

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Über 100 Mitglieder des Bunds der Kunsthandwerker, vom Bodensee ebenso wie aus Oberschwaben und vom Schwarzwald, aus Thüringen oder Hessen, beteiligen sich an dem Projekt - wobei sich der Verein gerade aus dem Rhein-Neckar-Raum mehr Mitwirkende gewünscht hätte.

Die Zuteilung, wer welches Land übernimmt, sei per Losverfahren unter den beteiligten Gestaltern ermittelt worden. Das sei aber „inhaltlich spannend“ gewesen, weiß Rebecca Grunert, denn Staaten wie Russland oder Nordkorea wollte kaum jemand. Ehrenamtliche Helfer und eine Spedition sammeln die Stühle ein und liefern sie in mehreren Tranchen ab Anfang April auf das Bundesgartenschau-Gelände.

Tisch aus Douglasie

Doch für die 75,7 Meter lange, sechs Meter tiefe Tafel braucht man auch einen Tisch. Der entsteht gerade in der Arbeitstherapie der Forensischen Klinik Zwiefalten des ZfP Südwürttemberg. Handwerkliche Tätigkeiten sind dort neben Psychotherapie ein Baustein der Behandlung von Patienten im Maßregelvollzug, damit sie künftig suchtmittelfrei und ohne Straftaten leben. „Als ich die Idee hörte, fand ich das toll - der Funke ist in zwei Minuten übergesprungen“, so Schreinermeister und Ergotherapeut Stefan Broszeit, der in seiner Abteilung sonst zum Beispiel Gartenmöbel fertigt.

Nach einem Ortstermin im vergangenen Sommer ging es an die Planung, und seit Dezember arbeiten seine Patienten an dem 60 Meter langen Tisch aus Douglasie - aufgeteilt in 24 jeweils 2,50 Meter lange Segmente. Das erleichtere zudem die Nutzung der Tischelemente nach der Bundesgartenschau, denn auch dieser Teil der Tafel der Nationen solle wie die ganze Buga nachhaltig sein, unterstreicht Rebecca Grunert.

Redaktion Chefreporter

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