Bundesgartenschau

Das ist an der Buga nachhaltig – und das nicht

Die „nachhaltigste Bundesgartenschau bislang“, behaupten die Veranstalter. Die im Mannheimer Umweltforum zusammengeschlossenen Vereine, kritisieren das immer wieder. Wir haben die Fakten - aus unserer Sicht bewertet

Von 
Martin Geiger , Peter W. Ragge , Timo Schmidhuber und Thorsten Langscheid
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© dpa

Mannheim. In drei Wochen beginnt die für Mannheim bedeutendste Veranstaltung des Jahres. Sie will die nachhaltigste Bundesgarten-schau bislang sein. Kann sie diesen Anspruch erfüllen?

Gut: Grünzug Nordost



Die Bundesgartenschau als Mittel zur Schaffung des Grünzugs Nordost: Das ist die Idee, auf der die ganze Veranstaltung basiert. Und oft genug haben die Verantwortlichen den Zusammenhang betont: ohne Buga keinen Grünzug. Das Argument: Erst die Großveranstaltung mache es – unter anderem durch die damit eingeworbenen Fördergelder – möglich, das ehemalige Militärgelände Spinelli entsprechend umzuwandeln. So entsteht eine Frischluftschneise, die von den Vogelstangseen über Spinelli bis zum Sport- und Luisenpark reicht. Dass dies nachhaltig ist, wird kaum jemand bestreiten. Es lässt sich sogar in Zahlen ausdrücken, die die Stadtverwaltung vor eineinhalb Jahren präsentiert hat, um einen Vergleich zwischen dem Zustand 2013 und dem 2025 zu ziehen: Demnach waren auf Spinelli früher 75 Prozent der Fläche komplett oder teilweise versiegelt. Künftig sind es – obwohl dort Wohnungen für rund 4000 Menschen entstehen – knapp 30 Prozent. Die Zahl der Bäume steigt fast auf das Vierfache. Buga-Geschäftsführer Michael Schnellbach sagt: „Dieser große Garten, der hier übrig bleibt, macht es überflüssig, dass die Menschen in den Odenwald fahren müssen, wenn sie sich im Grünen erholen wollen.“

Gut: Renaturierung des Neckars



Der Rückbau des kanalartig ausgebauten Flussufers hat zwar im engeren Sinne nichts mit der Bundesgartenschau zu tun, sondern wird im Rahmen der Gewässerschutz-Auflagen der Europäischen Union umgesetzt. Doch die Stadt hat der Buga-Gesellschaft diese Aufgabe zunächst einmal übertragen. Und dass es sinnvoll und nachhaltig ist, neue alte Lebensräume für heimische Tier- und Pflanzenarten zu schaffen, bestreitet niemand.

Gut: Luisenpark



Auch für die kulinarischen Angebote im Luisenpark gelten die nachhaltigen Gastro-Vorgaben, doch nicht nur deshalb ist die Einbeziehung der zentralen Grün- und Erholungsfläche in die Großveranstaltung nachhaltig. Schon seit Jahren bemängeln Kritiker dort einen großen Investitionsstau, der im Rahmen der Buga unter anderem mit neuer Pinguinanlage, Südamerikahaus, Großvoliere oder der Sanierung der Seebühne nun teilweise behoben wird – wovon die Mannheimerinnen und Mannheimer noch lange profitieren werden.

Definition Nachhaltigkeit
Es gibt wenige Begriffe, die so schwer zu greifen sind wie „Nachhaltigkeit“. Darum muss vor der Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Buga nun nachhaltig ist oder nicht, zunächst einmal geklärt werden, was damit überhaupt gemeint ist. Im engeren Sinne könnte man Nachhaltigkeit damit beschreiben, dass nicht mehr Ressourcen verbraucht werden als nachwachsen können. Wir orientieren uns, entsprechend dem Selbstverständnis der Mannheimer Bundesgartenschau, bei der Definition des Begriffs an den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung, die die Vereinten Nationen 2015 beschlossen haben. Zu diesen zählen neben Klimaschutz beispielsweise auch keine Armut, kein Hunger, Gesundheit und Wohlergehen, bezahlbare und saubere Energie sowie hochwertige Bildung und Geschlechtergleichheit.

Gut: Energieversorgung



Die Buga nutzt eigenen Angaben nach ausschließlich Ökostrom. Einen Teil davon erzeugt sie sogar selbst, etwa durch die Photovoltaikanlage auf dem Dach der U-Halle, die die größte in Mannheim sein wird. Zwar gibt es durchaus unterschiedliche Ansichten darüber, wie viele CO2-Emissionen dadurch wirklich vermieden werden können. Aber klar nachhaltiger wäre nur eines: keine Energie verbrauchen.

 

Gut: Müll



Beim Abfall will die Buga im Sinne einer Kreislaufwirtschaft auf Wiederverwertung setzen: Obwohl frühere Versuche sowohl im Luisenpark als auch auf anderen Bundesgartenschauen wenig erfolgreich verlaufen seien, haben sich die Veranstalter vorgenommen, 80 Prozent des Mülls zu trennen. Darum werden Tonnen mit getrennten Behältnissen aufgestellt – und bei Bedarf nachsortiert.

Gut: Wiederverwertung



Bei dieser Umwandlung haben die Verantwortlichen großen Wert darauf gelegt, vorhandenes Baumaterial wieder zu verwenden, um die darin enthaltene „graue Energie“ nicht zu verschwenden. So werden Schnellbach zufolge aus Betonbodenstücken Sitzbänke und Beetumrandungen, aus Lüftungskanälen Hochbeete oder aus Paneelen der U-Halle Umrandungen des Betriebshofs. „Wir haben für die Buga kein einziges Gebäude neu gebaut, sondern haben uns ausschließlich im Bestand bewegt“, sagt er. Ein Alleinstellungsmerkmal ist Letzteres jedoch nicht: Das galt der Stadt Heilbronn zufolge auch für die dortige Buga 2019.

Gut: Gastronomie



Auch hier soll Nachhaltigkeit eine große Rolle spielen, denn die Buga hat den beteiligten Gastronomen relativ strenge Vorgaben gemacht: So verwenden sie beispielsweise Mehrweg-Geschirr, müssen 50 Prozent ihrer Produkte in der Region einkaufen, 15 Prozent sollen aus Bio-Anbau stammen, mindestens drei Produktkategorien – also etwa alle Getränke, Gemüsesorten, Kaffees, Tees oder Schokolade – müssen sie aus fairem Handel beziehen. „Mehr wäre unerfüllbar“, sagt Buga-Chef Schnellbach und nennt ein Beispiel: In der gesamten Gastronomiebranche liege der Anteil der Bioprodukte bei gerade einmal 1,3 Prozent.

Gut: EMAS-Zertifikat



Dass die Buga es mit ihrem Engagement ernst meint und keinen relevanten Punkt außer Acht gelassen hat, bescheinigt ihr auch ein Umweltgutachter, der ihr unlängst zusammen mit der baden-württembergischen Umweltministerin Thekla Walker (Bild/Grüne) das sogenannte EMAS-Zertifikat verliehen hat. Dieses dokumentiert, dass die Pläne der Buga nachvollziehbar, verantwortungsbewusst und transparent sind. Ob und wie sie eingehalten werden, soll im Laufe und nach der Veranstaltung erneut untersucht werden. Doch die Einblicke des externen Gutachters haben natürlich auch ihre Grenzen: Von der Kritik des Mannheimer Umweltforums an der Buga-Gesellschaft wusste er vor der Zertifizierung beispielsweise nichts.

Gut: Bildung



Auch dieser Aspekt zählt zu den Nachhaltigkeitszielen der UN. Und die Bereiche, in denen die Buga ihren Besucherinnen und Besuchern etwas vermitteln will, ganz besonders: Schließlich lauten die vier Leitthemen Umwelt, Klima, Energie und Nahrungssicherung. Zwar weiß niemand genau, was und wie viel davon bei den Gästen hängenbleiben wird. Aber das Programm mit rund 2800 Veranstaltungen zeigt, dass sich die Organisatoren Gedanken gemacht haben. So wird es beispielsweise 17 Gärten der Nachhaltigkeit geben, die – teils unter prominenter Schirmherrschaft – die 17 UN-Ziele aufgreifen und auf unterschiedliche Weise darstellen.

Gut: Begegnung



Dieser Aspekt lässt sich zwar nicht in Zahlen abbilden. Aber spätestens seit der Corona-Pandemie wissen wir alle: Sozialer Austausch und Interaktion haben für uns Menschen einen großen Wert. Die Freude, die durch Begegnungen oder Unterhaltungsformate entstehen kann, ist für die allermeisten elementarer Bestandteil eines erfüllten Lebens und fördert auch Gesundheit und Wohlergehen – die wiederum zum Nachhaltigkeitsbegriff der UN zählen. Freilich wäre es noch nachhaltiger gewesen, die Eintrittspreise vor allen Dingen für Sozialleistungsempfänger etwas zu reduzieren. Denn 18 Euro für eine Tageskarte sind für diese relativ viel Geld. Und das erste UN-Nachhaltigkeitsziel lautet: keine Armut.

Unentschieden: Seilbahn



Die Seilbahn, die die beiden Buga-Austragungsorte Spinelli und Luisenpark verbindet, hat Vor- und Nachteile: Einerseits ist sie ein relativ umweltfreundliches Verkehrsmittel, das Buga-Chef Schnellbach zufolge pro Stunde etwa 60 bis 65 Busse ersetzt, die ansonsten durch die Stadt pendeln müssten. Zudem wurde sie gebraucht gekauft und wird nach der Veranstaltung an anderer Stelle wieder verwendet. Andererseits sind zwei ihrer Stützpfeiler im Landschaftsschutzgebiet errichtet worden. Zudem könnte es sein, dass ihr Betrieb die besonders geschützten Feldlerchen vertreibt – für die jedoch an anderer Stelle wiederum eine Ausgleichsfläche geschaffen worden ist.

Unentschieden: Wasser



Zur Bewässerung der Pflanzen wird in den nächsten Jahren Grundwasser aus der Feudenheimer Au hochgepumpt. Kritiker des Umweltforums befürchten, dass der Grundwasserspiegel dadurch dauerhaft absinken könnte und durch den Eingriff womöglich belastetes Wasser vom Spinelli-Gelände in die Au gelangt. Die Fachbehörden haben dieses Vorgehen dem Buga-Chef zufolge jedoch geprüft, abgesegnet und erlaubt, dass der Grundwasserspiegel um zwölf bis 15 Zentimeter absinken darf. Zuletzt stieg er entgegen der Annahme sogar. Ein weiterer Streitpunkt ist der Bachlauf, der zum neu geschaffenen See in der Au führt: Entgegen der ursprünglichen Ankündigung ist dieser mit Bahnen abgedichtet worden, die Kunststoff enthalten. Nach Angaben der Herstellerfirma haben diese eine Lebenserwartung von mehr als 100 Jahren.

Unentschieden: Radschnellweg



Über diesen ist schon im Vorfeld viel diskutiert worden: Braucht man ihn wirklich? Wie auch immer man dazu stehen mag: Der Gemeinderat hat sich für die Trasse Richtung Weinheim entschieden und die Buga-Gesellschaft mit dem Bau des ersten Teilstücks beauftragt. Das hat ökologisch Vor- und Nachteile: Einerseits zieht sich damit ein acht Meter breites Band aus Asphalt durch eine Orchideenwiese im Landschaftsschutzgebiet Feudenheimer Au – und weitere drei, vier Meter links und rechts davon ist der Boden zum Schaden der Pflanzen verdichtet worden. Weil, wie Buga-Chef Schnellbach sagt, die Maschinen irgendwo fahren müssen und neben dem Radweg eine sogenannte Eidechsen-Leitlinie gebaut wurde: Diese soll dafür sorgen, dass die Tiere den Radweg an einigen Stellen gefahrlos unterqueren können. Auch der Tunnel unter der Straße Am Aubuckel hat Dimensionen, die viele beim ersten Anblick erschrecken lassen. Andererseits soll der Radschnellweg die Verkehrswende befördern und die Menschen dazu animieren, das Rad anstatt des Autos zu nutzen. Was ist nun nachhaltiger?

Schlecht: Verkehr



Die Buga-Macher geben sich viel Mühe, um die Umweltbelastung durch das Verkehrsaufkommen zu minimieren: So enthält etwa jedes Tages- und Zwei-Tages-Ticket auch einen Fahrschein, um aus der gesamten Metropolregion mit Bus und Bahn anreisen zu können – was bei vielen anderen Großveranstaltungen ebenfalls längst Standard ist. Zudem werden 3000 Fahrradabstellplätze eingerichtet und neben Straßenbahnen auch Elektro- und Wasserstoffbusse eingesetzt. Aber unterm Strich bleibt der Verkehr unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten das größte Problem der Buga: Schätzungen zufolge reisen 35 bis 40 Prozent der erwarteten 2,1 Millionen Besucher mit dem Auto an. Und das verhagelt die CO2-Bilanz – obwohl die Reisebusse da noch gar nicht eingerechnet sind. Zwar soll es auf den Parkplätzen Automaten geben, an denen die Besucher ihre Emissionen durch Ausgleichszahlungen kompensieren können, beispielsweise indem Wiederaufforstungsprojekte finanziert werden. Aber wie viele das tatsächlich tun werden, bleibt abzuwarten. Der Verkehr ist es auch, der letztlich einen Strich durch die zeitweise angedachte Klimaneutralität der Veranstaltung machte: „Ausgleichsmaßnahmen in dieser Größenordnung können wir nicht finanzieren“, sagt Buga-Chef Schnellbach. „Zumal wir wenig bis keinen Einfluss darauf haben, wie die Besucher hierherkommen.“

Schlecht: Panoramasteg



Er wird sicherlich eine der Hauptattraktionen der Buga, und für deren Chef Schnellbach ist er sogar „eine Augenweide“. Andere sprechen von einem wichtigen optischen Ausrufezeichen oder Orientierungspunkt. Doch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit betrachtet, sticht vor allen Dingen ins Auge, dass das Betonfundament des 81 Meter langen und acht Meter breiten Panoramastegs teils ins besonders geschützte Hochgestade am Rande der Au gebaut wurde – und dass er aus dem nicht besonders nachhaltigen Material Stahl besteht, der in Finnland gewalzt wurde.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

Redaktion Chefreporter

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion koordiniert die Berichte aus den Mannheimer Stadtteilen.

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