Stadtgeschichte

Stadthaus N 1 - was bisher alles schief gelaufen ist

Quo vadis Stadthaus? Trotz Denkmalschutz ist wieder Bewegung in der Diskussion um den zentralen Bau in Mannheim. Der Blick zurück zeigt: An diesem Standort hat bisher nicht viel geklappt. Eine Chronik des Scheiterns.

Von 
Peter W. Ragge
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Paradeplatz mit Altem Kaufhaus auf einer Postkarte vom Beginn des 20. Jahrhunderts. © Archiv

Mannheim. 1724-1746: In N 1 entsteht das Alte Kaufhaus – in der typischen „Mannheimer Symmetrie“ mit Turm und zwei Flügeln.

1903: Die Stadt wird Eigentümerin, baut um und macht bis 1910 aus dem Kaufhaus das Rathaus.

1943: Es wird im Zweiten Weltkrieg sehr stark, aber nicht völlig zerstört.

1949: Teile werden wieder aufgebaut, bis 1958 als „HADEFA“ (Haus der Fachgeschäfte) betrieben.

1965: Abriss der Reste.

1960 und 1978: Architektenwettbewerbe. Den ersten Entwurf realisiert man 1967 nur bis Oberkante Keller (Tiefgarage), den zweiten gar nicht – aus Kostengründen. Zeitweise will die Stadt das Areal verkaufen.

Frühjahr 1986: Aus dem dritten Architektenwettbewerb gehen die Architekten Carlfried Mutschler, Joachim Langner, Christine Maurer und Ludwig Schwöbel als Sieger hervor.

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August 1986: Statt der nötigen 24 000 Mannheimer unterstützen 42 000 mit ihrer Unterschrift das Bürgerbegehren, also den Wunsch nach einem Bürgerentscheid.

2. November 1986: Beim Bürgerentscheid votierten 53 340 Mannheimer dafür, statt einer modernen Architektur das historische Alte Kaufhaus wieder zu errichten. Das entspricht 83 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, aber nur 26,2 Prozent aller insgesamt Stimmberechtigten. Weil 7000 Stimmen fehlen, wird das vom Landesgesetz vorgegebene (inzwischen herabgesetzte) Quorum von 30 Prozent verfehlt.

Dezember 1990: Der Gemeinderat tagt erstmals im Stadthaus N 1 im neuen Ratssaal. Schon da gibt es Kritik, der Saal sei zu groß, zu nüchtern und zu kühl – zumal an dem Tag die Heizung nicht funktioniert.

Die Hauptstelle der Bibliothek im Stadthaus N 1 © Tröster

13. April 1991: Offizielle Einweihung; wegen Golfkrieg verschoben.

Oktober 1992: Die ersten Läden machen dicht, andere kürzen verärgert die Miete.

September 1993: Die Eigner des privaten Teils bewilligen weitere vier Millionen Mark (zwei Mio. Euro), um die – oft leere – Ladenzeile zur „Erlebnispassage“ aufzuwerten.

Juni 1994: „Piazetta“ mit 24 Mini-Läden anstelle der überwiegend leeren Läden in der „Rotunde“ im hinteren Teil des Hauses wird eröffnet.

November 1994: Das Turmcafé eröffnet unter dem Namen „Stars“ neu – nachdem es mit dem vorherigen Betreiber und seinem Türsteher mehrfach Ärger gab.

Juli 1995: Die große Drehtür am Haupteingang, erst vor Jahresfrist nachträglich anstelle der schweren Flügeltüren eingebaut, klemmt.

April 2007: Der Umbau des N 1-Erdgeschosses zum Bio-Center beginnt. Die große, breite Treppe im Erdgeschoss verschwindet.

Januar 2008: Die öffentlichen Toiletten müssen wegen Vandalismus geschlossen werden. Kaum sind sie für 40 000 Euro im März erneuert, gibt es wieder Zerstörungen. Lila Neonlicht verhindert, dass Drogenabhängige dort ihre Venen sehen und sich „Stoff“ spritzen können.

Egal ob nach einem Abriss oder im bestehenden Gebäude – das Stadthaus N 1 sollte zur zentralen Anlaufstelle für Bürger ausgebaut werden, mit städtischen Dienstleistungen und auch Angeboten von Tochtergesellschaften der Stadt. © Thomas Tröster

Mai 2008: N 1 wird zum Bio-Center mit 14 Bio-Läden und Gastronomie im Erdgeschoss. Statt der alten, oft klemmenden Drehtür gibt es einen aufgesetzten Glaskubus am Eingang. Fast zehn Millionen Euro kostet der Umbau. Das Konzept scheitert schon Ende 2009.

Oktober 2010: Rewe eröffnet im Erdgeschoss einen City-Markt. Der funktioniert gut – vor allem, weil er bis 24 Uhr geöffnet hat.

Januar 2013: Obwohl ein Sicherheitsdienst im Haus Streife läuft, häufen sich Klagen über Pöbeleien und Sachbeschädigungen durch betrunkene Jugendliche und hier lagernde Obdachlose.

Mai 2014: Die Stadt hat für 2,7 Millionen Euro den Bürgersaal umgebaut, der nun vorwiegend dem Oststadttheater als Spielstätte dient. Dessen Publikum hat anfangs aber Probleme, weil es zunächst keine richtige Ausschilderung gibt.

Juni 2014: Das Panoptikum, ein Jahr lang im Dachgeschoss von N 1 ansässig, muss wieder schließen – wegen Mietrückständen.

Dezember 2014: Das Oststadttheater zieht auch mit dem Kartenvorverkauf nach N 1, in leere Räume im Zwischengeschoss, die zuvor die Abendakademie nutzte.

Juni/Juli 2015: Zwei Mal in kurzem Abständen gibt es einen Wasserschaden in der Stadtbibliothek. Rund 100 Bücher und Teile des Bodens werden zerstört.

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Frühjahr 2016: Diringer & Scheidel kauft von den Versicherungen den privaten Anteil, also Gastronomie- und Handelsflächen.

August 2016: Die Baupolizei schließt wegen „akuter Gefahr“ das Turmcafé, weil sich herausstellt, dass Fluchtwege nicht reichen und es weder Sprinkleranlage noch Brandmeldeanlage gibt.

Februar 2021: Stadt sowie Diringer & Scheidel stellen gemeinsam fest, eine Sanierung von N 1 sei „nicht wirtschaftlich und zweckmäßig“.

Juli 2021: Dass Landesdenkmalamt entscheidet, das Stadthaus N 1 als „exemplarisches Bauwerk der Postmoderne“ unter Denkmalschutz zu stellen. Stadt und private Eigentümer sind völlig überrascht.

Mai 2022: Stadtverwaltung und Diringer & Scheidel geben eine Machbarkeitsstudie in Auftrag, was trotz Denkmalschutz mit dem Gebäude zu machen ist.

Februar 2025: Eine Machbarkeitstudie zeigt, dass das Stadthaus N 1 doch als Standort einer erweiterten, modernisierten Stadtbibliothek geeignet ist.

April 2025: Der für den Denkmalschutz engagierte Verein Stadtbild kritisiert das Landesdenkmalamt, es habe bei seiner Entscheidung, das Stadthaus N 1 unter Schutz zu stellen, "Bürgerinteressen mit Füssen getreten und Vorgaben innerhalb des Denkmalschutzgesetzes missachtet". Das Haus sei eine "dysfunktionale Problemimmobilie".

September 2025: Bauministerin Nicole Razavi sagt zu: Wenn die Stadt gute Konzepte vorlege, werde man bei N 1 „die notwendige Flexibilität bei den anstehenden Genehmigungen an den Tag legen“ - trotz Denkmalschutz.

Redaktion Chefreporter

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