Denkmalschutz

Stadthaus N 1: Mannheimer Stadtbild-Verein kritisiert Denkmalbehörde

Mit harter Kritik am Landesdenkmalamt hat sich der Verein Stadtbild zu Wort gemeldet. Wie das Amt den Denkmalschutz für N 1 verteidigt und warum der Verein das nicht versteht.

Von 
Peter W. Ragge
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„Eindeutig disfunktionale Problemimmobilie“: das Stadthaus N 1 Dass es unter Denkmalschutz steht ist umstritten. © Thomas Tröster

Mannheim. Mit harter Kritik am Landesdenkmalamt hat sich der Verein Stadtbild zu Wort gemeldet. Bei seiner Entscheidung, das Stadthaus N 1 unter Schutz zu stellen, habe die Behörde „aus unserer Sicht Bürgerinteressen mit Füssen getreten und Vorgaben innerhalb des Denkmalschutzgesetzes missachtet“, so der Verein. „Soll es im öffentlichen Interesse liegen, dass spätere Generationen die Bausünden der Vorfahren für immer vor Augen haben?“, fragt er in einem Offenen Brief.

Der Verein ging 1991 aus der „Bürgeraktion Altes Kaufhaus“ hervor, die damals für einen historischen Wiederaufbau des Quadrats gekämpft hatte. Aus dem „Verein zur Pflege des historischen Stadtbildes Mannheim“ wurde später „Verein Stadtbild“. Er verfolgt das Ziel, prägende Gebäude, Skulpturen und Denkmale des Stadtbilds wiederherzustellen und zu erhalten, bringt dafür hohe Spenden auf und verleiht jährlich den Denkmalpreis.

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Vorsitzende ist derzeit die ehemalige SPD-Stadträtin Helen Heberer, zugleich engagiert als Ortskuratorin der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Unterzeichnet haben die Erklärung aber auch alle anderen Vorstandsmitglieder Volker Keller, Kai Augspurger, Bernd Hahner, Dieter Herrmann, Andreas Lochbühler, Tim Magin und Alexander Tanzer.

Der Verein, der sich sonst dem Denkmalschutz verschrieben hat, reagiert damit auf die Aussage von Martin Hahn, Landeskonservator beim Landesamt für Denkmalpflege. Er hatte sich im „Mannheimer Morgen“-Podcast „Mensch Mannheim“ überzeugt geäußert, dass die Menschen das Stadthaus „bald feiern“ würden. Zudem veröffentlichte das Amt seine Begründung, warum es das von Architekt Carlfried Mutschler (1926-1999) geplante und 1987 bis 1991 errichtete Gebäude als erhaltenswert einstuft.

Das Amt würdigt Mannheim als „Parcours der Moderne“, wo nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs „exemplarische Bauwerke des Brutalismus und der Postmoderne“ entstanden seien, die aus der Masse herausragen. Als Beispiele werden das Landgericht in A 1, die Universitätsbibliothek in A 3 sowie die auch von Mutschler errichteten zwei Wohn- und Geschäftshäuser in E 7 genannt, aber eben auch N 1.

Dem Stadthaus weist das Amt „außerordentliche Bedeutung für die Architektur- und Stadtgeschichte Mannheims“ zu, da in ihm „prägende Grundelemente der Stadtbaugeschichte vereint sind“. Vor allem sei das Motiv des Zwillingsbaus – als Turm in der Mitte mit zwei Seitenflügeln wie beim Alten Rathaus oder der Konkordienkirche – „in die Formensprache der Postmoderne“ übersetzt. Das „überzeugt bis heute“, so die Denkmalschützer.

Nicht zuletzt spiegele die Baugeschichte von N 1 „gesellschaftliche und stadtbaupolitische Prozesse in der Bürgerschaft wider“, erinnert das Amt an den Bürgerentscheid von 1986. Bereits damals hatten sich Denkmalschützer gegen die Replik des Alten Kaufhauses ausgesprochen. Den Ausgang des damaligen Bürgerentscheids wertet das Amt als „Bekenntnis zur Architektur der Gegenwart“. Mit dem Votum für das „postmoderne Stadthaus“ habe Mannheim seinen Ruf „als wandlungsfähige und weltoffene Metropole in den späten 1980er Jahren gefestigt“, heißt es.

Votum gegen den „Unfehlbarkeitsanspruch“

Diese Beurteilung ärgert den Verein Stadtbild ganz besonders. Mit der Behauptung, die Mehrheit sei verfehlt worden, würden „Tatsachen nicht korrekt dargestellt“. Tatsächlich unterstützen zunächst statt der nötigen 24.000 Mannheimer 42.000 mit ihrer Unterschrift das Bürgerbegehren, also den Wunsch nach einem Bürgerentscheid. Dann votierten 53.340 Wahlberechtigte dafür, statt einer modernen Architektur das historische Alte Kaufhaus wieder zu errichten. Das entspricht 83 Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen, aber nur 26,2 Prozent aller insgesamt Stimmberechtigten. Weil 7000 Stimmen fehlen, wird das vom Landesgesetz vorgegebene (inzwischen auf 25 Prozent herabgesetzte) Quorum von 30 Prozent verfehlt. „Mit dieser noch heute gültigen Mindesthöhe wäre der Bürgerentscheid erfolgreich gewesen“, so der Verein Stadtbild. Dass die gescheiterten Wettbewerbe und das Bürgerbegehren „als Denkmalschutzgrund für das Stadthaus herhalten sollen, wirkt zynisch“, äußert der Verein verärgert.

Wenn das Amt die Formensprache als „gelungen“ bezeichne, unterliege dies „dem freien Ermessen des Betrachters“, so die Unterzeichner: „Es ist persönliche Geschmackssache“, so der Verein. Auf Unverständnis stößt auch, dass die Denkmalschützer die am Turm angebrachte Miniatur des ersten Motorwagens von Carl Benz als „keck beflügelte Grüße aus Mannheim in die Welt“ bezeichnen: „Diese Grüße dürften, sofern sie überhaupt wahrgenommen wurden, eher Achselzucken hervorgebracht haben“, heißt es ironisch.

Letztlich sei das Gebäude „immer heftig umstritten“ gewesen. Es werde „von der Mehrheit der Mannheimer nicht als Bereicherung des Stadtbildes gesehen“ und habe sich „eindeutig als dysfunktionale Problemimmobilie“, erwiesen, trotz vieler teurer, aber nicht effektiver Nachbesserungen.

Dabei steht der Verein weiter hinter dem Denkmalschutzgesetz, wie er ausdrücklich betont. Das habe „viele Kulturgüter vor der Zerstörung bewahrt“ und das Landesdenkmalamt habe „unzweifelhaft sehr viel Gutes bewirkt“. Allerdings wendet sich der Verein gegen den „Unfehlbarkeitsanspruch der Landesdenkmalbehörde“. Die Einstufung als Kulturdenkmal dürfe „eine notwendige Stadtreparatur und eine demokratisch gewollte Stadtentwicklung nicht behindern“.

Redaktion Chefreporter

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