Stadthaus - Verwaltung reagiert überrascht auf Denkmalschutz für N 1 / Einzelhandel: „Eine Katastrophe“

Mannheimer Stadthaus N 1: Verwaltung überrascht über Denkmalschutz - Neubau war schon geplant

Von 
Peter W. Ragge
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Das Stadthaus sei ein „exemplarisches Bauwerk der Postmoderne“, so das Landesdenkmalamt – dabei stand der Abriss intern schon fest. © Thomas Tröster

Mannheim. „Ziemlich entsetzt“ hat Lutz Pauels diese Nachricht gehört. „Das geht gar nicht“, war der erste Gedanke des Vorsitzenden der Werbegemeinschaft Mannheim City. Die von ihm vertretenen Händler und Gastronomen hätten sehr gehofft, dass nach dem Auszug der Stadtbibliothek aus dem Stadthaus N 1 ein Neuanfang auf dem wichtigen Quadrat möglich wäre, und zwar in einem Neubau. „Das wäre eine Katastrophe, wenn das alles so stehenbleiben muss,“ kommentiert Pauels die Einstufung des Gebäudes als Kulturdenkmal durch die Denkmalpflege.

Damit ist er nicht allein. „Wie eine Bombe“ sei die Information aus dem Landesdenkmalamt eingeschlagen, heißt es inoffiziell aus dem Rathaus. Völlig überrascht haben ebenso die Mitglieder des Gemeinderats reagiert, die der Oberbürgermeister am Dienstagabend im nichtöffentlichen Teil der Sitzung informierte.

Die Begründung des Landesdenkmalamts
  • Das 1986 bis 1991 nach Plänen von Carlfried Mutschler + Partner erbaute Stadthaus N 1 ist laut Landesdenkmalamt ein „aussagekräftiges Kulturdenkmal der 1980er Jahre"
  • Es sei „von außerordentlicher Bedeutung für die Architektur- und Stadtgeschichte Mannheims, da in ihm prägende Grundelemente der Stadtbaugeschichte und der Gesellschaftsgeschichte vereint sind."
  • Das „charakteristische Motiv der Doppelsaalbauten mit einem gemeinsamen Mittelturm" in der „Formensprache der Gegenwart" sei „von schlagender Überzeugungskraft". So nehme der hohe Mittelturm das Grundmotiv des alten Kaufhauses auf, zeige sich aber als „zeitgenössischer Wiedergänger in Gestalt einer offenen Stahl-Glas-Architektut in den heiteren Farben der 1980er Jahre".
  • Die Wetterfahne mit dem Carl-Benz-Motorwagen sende „keck beflügelte Grüße aus Mannheim in die Welt". Die flankierenden Travertinkuben markierten „als Saalbauten die öffentliche Funktion". pwr

Wenige Tage zuvor hatte Kurz im Gespräch mit dieser Redaktion noch einen Abriss des Gebäudes als unausweichlich bezeichnet. Das Gebäude habe „in der Konstellation keine Zukunft“, bekräftigte er, was die Stadt bereits im Januar in einer nichtöffentlichen Vorlage für den Gemeinderat geschrieben hatte. Danach ist eine Sanierung „nicht wirtschaftlich und zweckmäßig“. In dem Papier heißt es, „Nutzungsmix und bauliche Anordnung“ des Gebäudes hätten sich als „nicht erfolgreich erwiesen“. Der hohe Anteil an Verkehrsflächen mache den Betrieb unwirtschaftlich, es gebe Wasserschäden und „wiederkehrende Problemstellungen der Haustechnik“. Als „fraglich“ bezeichnet die Vorlage, ob „selbst bei Totalentkernung“ eine „sinnvolle Nutzung“ möglich sei.

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Die Stadtplanung ging daher fest von einem Abriß aus und fertigte bereits drei verschiedene Studien für eine Neubebauung – eine klassische Blockrandvariante, ein Konzept mit geschwungenen Baukörpern oder ein Modell mit einer begrünten Öffnung Richtung N 2 und C 1. Als Nutzungsmöglichkeiten wollte man Handel und Hotel ausschließen. Erwogen wurde eher eine Mischung aus Wohnbebauung und städtischer Verwendung. Neben dem Ratssaal als Sitz des Gemeinderats gab es Überlegungen, hier weitere Teile der Stadtverwaltung anzusiedeln – schließlich sitzen derzeit viele Ämter auf 27 000 Quadratmetern angemieteten Flächen innerhalb der City. Auch an eine zentrale Service-Anlaufstelle für Bürger wurde gedacht.

In jedem Fall stand für Kurz fest, dass sich die Stadt nicht von ihrem Anteil an N 1 trennt, sondern hier weiter eine wichtige Rolle spielen und das Quadrat völlig neu gestalten will. Offen war die Arbeitsteilung mit dem Miteigentümer Diringer & Scheidel (D&S), der bis 2086 ein Erbbaurecht an der Hälfte des Grundstücks – nämlich den privaten Handels- und Gastronomieflächen – hat. Ein Denkmodell sah vor, dass die Stadt seinen Anteil kauft und allein baut, dass Diringer & Scheidel den Auftrag erhält, N 1 für die Stadt neu zu entwickeln oder aber dass man gemeinsam vorgeht. Die Entscheidung eilte aber nicht, denn die Stadtbibliothek zieht ohnehin erst 2026 aus. In jedem Fall müsse ein Neubau „eine historische Anmutung“ haben, betonte Kurz.

Das ist nun hinfällig. „Wir müssen diesen neuen Sachverhalt zunächst einmal analysieren“, so der Oberbürgermeister. Schon in den vergangenen Jahrzehnten seien „neue Nutzungen immer wieder untersucht und zum Teil mit aufwendigen Umbauten umgesetzt worden – ohne ein überzeugendes Ergebnis für das Haus insgesamt zu erreichen“, gibt er zu bedenken. „Eine sinnvolle und zumutbare Lösung im Bestand konnte bei den Überlegungen zur Zukunft von N 1 bislang weder von der Stadt noch vom privaten Miteigentümer D&S gefunden werden.“

Mit völligem Unverständnis reagiert auch Helen Heberer, Vorsitzende des Vereins Stadtbild, der aus der Bürgerinitiative für den Wiederaufbau des Alten Kaufhauses hervorging. „Was ist daran schützenswert?“, versteht sie die Entscheidung des Landesdenkmalamtes nicht. Das Stadthaus N 1 habe „nachgewiesenermaßen eine schlechte Bausubstanz, hat sich in der Nutzung nicht bewährt, ist energetisch hochproblematisch, und man kann damit keinen Schönheitswettbewerb gewinnen“, so Heberer: „Da ist sich die Bevölkerung doch ziemlich einig – mit dem Gebäude ist doch wirklich keiner glücklich!“

Redaktion Chefreporter

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