Mannheim. Immer wieder hatte die Mannheimer Stadtverwaltung betont, dass eine moderne und zeitgemäße Stadtbibliothek am aktuellen Standort im Stadthaus in N1 nicht möglich sei. Das war eines der Argumente für den geplanten Neubau im Nachbarquadrat N2, für den das dortige Parkhaus weichen sollte. Jetzt zeigt eine von der Stadt in Auftrag gegebene Studie, dass eine moderne Bibliothek im Stadthaus doch machbar sei. Das sagte Bildungsdezernent Dirk Grunert (Grüne) dem „MM“.
Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung am Dienstagabend gab der Gemeinderat der Verwaltung den Auftrag, die Planungen dafür aufzunehmen, das Stadthaus entsprechend umzubauen. Gleichzeitig beerdigte das Gremium auch offiziell den Neubau in N2 und gab der Verwaltung grünes Licht, mit dem betroffenen Architektenbüro, das bereits einen Entwurf mit Café und Dachterrasse vorgelegt hatte, über eine Entschädigung zu verhandeln. Dieser Aspekt ist der Grund, warum das Thema im nicht-öffentlichen Teil behandelt wurde.
In dem Neubau sollte neben der Hauptbibliothek auch die Kinder- und Jugendbibliothek sowie die Musikbibliothek untergebracht werden, die sich derzeit im benachbarten Dalberghaus befinden. Ursprünglich waren für das 2018 beschlossene Projekt Kosten von 33 Millionen Euro angesetzt. Zuletzt wurden 75 Millionen genannt, Tendenz steigend.
Wegen der schwierigen städtischen Finanzlage hatte sich schon länger abgezeichnet, dass der Neubau nicht kommen wird. In seiner Haushaltsrede im Oktober hatte sich Oberbürgermeister Christian Specht (CDU) dafür ausgesprochen, die Bibliothek an ihrem jetzigen Standort zu belassen und das denkmalgeschützte Stadthaus durch einen Umbau zukunftsfähig zu machen. Mit „Flexibilität und Kreativität“ werde das gehen, so Specht damals. Danach wurde dann die aktuelle Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Vor ein paar Tagen gab es dann außer dem fehlenden Geld plötzlich noch einen zweiten Grund, der das Neubauprojekt beendete: Das Landesdenkmalamt stellte das Parkhaus in N2 unter Denkmalschutz.
Eine zeitgemäße Bibliothek, so war immer argumentiert worden, sei viel mehr als nur ein Haus für Bücher. Sie sei in erster Linie ein Ort, an dem sich Menschen „ohne Konsumzwang treffen können“. An dem Schülerinnen und Schüler gemeinsam Referate vorbereiten können. Und an dem es auch 3D-Drucker, Synthesizer, Kameras, Aufnahmegeräte oder Schnittcomputer gibt, die Besucherinnen und Besucher nutzen können.
Warum ist eine moderne Bibliothek im Mannheimer Stadthaus plötzlich doch möglich?
Es dürfte viele überraschen, dass eine zeitgemäße Bibliothek nun doch im Stadthaus möglich sein soll. Grunert selbst hatte das im vergangenen Frühjahr im Interview mit dieser Redaktion noch bestritten. Jetzt sagt er: „Die Studie zeigt, dass es möglich ist, die neue Bibliothek mit den Anforderungen, die wir für den Neubau hatten, im Stadthaus unterzubringen.“ Und warum funktioniert es jetzt, während Untersuchungen in der Vergangenheit zum gegenteiligen Ergebnis gekommen sind? Grunert erklärt, damals sei die Vorgabe gewesen, dass der Ratssaal, das Oststadttheater, die Restaurants im Erdgeschoss und der Supermarkt im Stadthaus bleiben müssten. Die aktuelle Machbarkeitsstudie des Darmstädter Architektenbüros Rittmannsperger dagegen plane die Flächen der Restaurants im Erdgeschoss, des Rewe-Supermarktes und weitere gewerbliche Flächen für die Nutzung durch die Bibliothek mit ein. Nur noch Ratssaal und Oststadttheater sollen bleiben. „Damit haben wir einen Großteil des Erdgeschosses zur Verfügung, was für die Attraktivität einer Bibliothek natürlich sehr wichtig ist.“ Die Restaurants habe man damals behalten wollen, um den Platz hinter dem Stadthaus zu bespielen. „Das war eine stadtplanerische Überlegung.“
Die Studie hat Bibliotheksbereiche auf allen Etagen des Hauses geprüft. Sie zeigt auch Vorschläge, wo was genau untergebracht werden könnte. So schlägt sie im Erdgeschoss neben Erwachsenenbibliothek und Schülerarbeitsplätzen auch ein Café vor. Aber daran könne sich natürlich noch viel ändern, erklärt Grunert. Ohnehin müsse jetzt erst untersucht werden, wie alles im Detail umgesetzt werden könne. Schließlich seien dafür ja auch die Vorgaben des Denkmalschutzes für das Stadthaus zu berücksichtigen. „Die Außenhülle ist komplett geschützt, und auch im Innenbereich dürfen bestimmte Teile nicht oder nur in Absprache mit dem Denkmalschutz verändert werden.“ Zum Beispiel der komplette Ratssaal muss zumindest in gewisser Form erhalten bleiben.
Entsprechend steht in der Machbarkeitsstudie auch nichts über mögliche Kosten und einen konkreten Zeitplan. Dazu komme, dass die Stadt nicht alleinige Eigentümerin des Stadthauses sei, sondern gemeinsam mit dem Unternehmen Diringer & Scheidel. „Nun muss gemeinsam geprüft werden, wie man das umsetzen kann.“
Das Stadthaus war im Juli 2021 unter Denkmalschutz gestellt worden, als „aussagekräftiges Kulturdenkmal der 1980er Jahre“. Eigentlich sollte es nach Bezug des Bibliothek-Neubaus abgerissen werden. Eine Sanierung sei „nicht wirtschaftlich und zweckmäßig“, wie es damals hieß. Der Denkmal-Status aber macht einen Abriss nahezu unmöglich. Noch in der Amtszeit von Spechts Vorgänger Peter Kurz hatte es deshalb Überlegungen gegeben, es zum Rathaus umzufunktionieren. Aber jetzt gibt es andere Pläne.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Neue Mannheimer Stadtbibliothek: Überraschende Wende