OB-Wahl

OB-Wahl Mannheim: Das sagen die Kandidaten zum Verkehrsversuch

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Timo Schmidhuber
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Verkehrsversuch endet, Fahrradstrasse beginnend bei Herrdegen Foto Thomas Troester © Thomas Tröster

Mannheim. Der "MM" hatte allen vier Persone, die bisher bei der Mannheimer Oberbürgermeisterwahl am 18. Juni kandidieren wollen, drei Fragen zum Verkehrsversuch geschickt. Von Isabell Belser (Kandidatin der Linken) kamen innerhalb der genannten Frist allerdings keine Antworten.

Wie erklären Sie sich das überraschende Ende des Verkehrsversuchs zum 13. März?

Raymond Fojkar (Grüne): Ebenso wie alle anderen Akteurinnen und Akteure beim Verkehrsversuch und insbesondere als einer der betroffenen Einwohnerinnen und Einwohner der Innenstadt war ich völlig überrascht – nicht nur vom abrupten vorzeitigen Ende des Verkehrsversuchs, sondern vor allem vom sofortigen Abbau aller entsprechenden Installationen noch vor der Auswertung der erhobenen Daten und deren Bewertung durch Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft. Dies alles widerspricht allen bislang getätigten und gänzlich gegenteiligen Äußerungen nicht nur des zuständigen Dezernenten, sondern auch des Oberbürgermeisters.

Beide befinden sich nun sichtlich in Erklärungsnöten und öffnen damit vielen Spekulationen Tür und Tor, was ich als sehr schädlich für den weiteren Prozess halte. Denn sicherlich völlig zu Recht waren meine Fraktion und ich – und wohl noch viele andere in der Stadt – davon ausgegangen, dass der Versuch erst Anfang Mai endet, die dann – und somit mit noch größerer Datenbasis – erhobenen Zahlen sorgfältig ausgewertet und interpretiert werden und auf dieser Grundlage über das weitere Vorgehen entschieden wird. Bis dahin sollten die Installationen auch weitestgehend und reaktivierbar erhalten bleiben.

Ich hätte es für sehr interessant und aussagekräftig gehalten, wenn auch einen knappen Monat während der Bundesgartenschau Daten hätten erhoben und mit der Buga-Zeit nach Versuchsende verglichen werden können. Jetzt aber ist mit Verzerrungen zulasten des Verkehrsversuchs zu rechnen, welche, so befürchte ich, auch genau so gewollt sind.

Thorsten Riehle (SPD): Zu der Vorstellung, man könne den Versuch so lange weiterlaufen lassen, bis alle Beschlüsse für eine Verstetigung getroffen wurden, hat der Fachbereich Sicherheit und Ordnung eine klare Aussage getroffen. Demnach begrenzt die Rechtsprechung solche Erprobungen grundsätzlich auf maximal ein Jahr. Insbesondere vor dem Hintergrund des Berliner Urteils zur Sperrung der Friedrichstraße ist laut Verwaltung nun eindeutig, dass die Option einer Weiterführung des Versuchs nicht vorhanden ist.

Aufgrund der ab März 2022 geänderten Verkehrsführung plant die Verwaltung daher den Rückbau. Die Verwaltung hat jedoch auch erklärt, dass alle Daten, die es zur Auswertung des Versuchs braucht und die eine Verstetigung rechtssicher machen, erhoben wurden. Sicherlich hatte das Berliner Urteil zur Friedrichstraße Auswirkungen auf die rechtliche Einschätzung der Verwaltung. Mir ist es jetzt wichtig, die nächsten Schritte einzuleiten. Ein Festhalten an einer Verlängerung des Versuchs erscheint mir nicht zielführend. Mir geht es vielmehr um die Ermöglichung einer verstetigten Umsetzung, damit eine zukunftsfähige Innenstadt schnell erreicht wird.

Christian Specht (CDU, ML, FDP): Ich begrüße das Ende des Verkehrsversuchs in der jetzigen Form, da er weder vom Zeitpunkt noch von der Umsetzung überzeugend ist. Die kurzfristige Beendigung hat meines Erachtens im Wesentlichen rechtliche Gründe.

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Wie und in welchem Zeitrahmen soll nun der Entscheidungsprozess über die Schlussfolgerungen aus dem Verkehrsversuch weitergehen?

Raymond Fojkar (Grüne): Die zweite Datenerhebung ist abgeschlossen. Die Zahlen können und sollten möglichst schnell ausgewertet und der Politik sowie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Meiner Meinung nach sollten dann möglichst schnell die entsprechenden Diskussionen mit allen Beteiligten und in den Gremien erfolgen. In der Frage, ob eine endgültige Entscheidung noch vor der Oberbürgermeisterwahl sinnvoll ist, kann man natürlich geteilter Meinung sein. Jedoch denke ich, dass der oder die OB – weder der derzeitige noch die oder der künftige – die wichtigste Person in diesem Prozess ist. Aber ich wünsche mir eine gute Moderation des Prozesses durch dieses Amt, welche jetzt offensichtlich leider nicht mehr gegeben ist.

Thorsten Riehle (SPD): Die Verwaltung hat angekündigt, dem Gemeinderat Ende Mai die Auswertung des Verkehrsversuchs vorzulegen. Daraus müssen wir Schlüsse für eine dauerhafte Umsetzung ziehen, die auf die Bedürfnisse von Nutzerinnen und Nutzern, Einzelhandel sowie Bewohnerinnen und Bewohner eingehen. Hier reichen eine Schranke oder ein paar Warnbaken keinesfalls aus. Es braucht Planungs- und Bauzeit und letztlich auch finanzielle Mittel. Ein Grundsatzbeschluss aber muss zeitnah getroffen werden, damit klar wird, wie es weitergeht, und die Verwaltung daran zielstrebig arbeiten kann.

Christian Specht (CDU, ML, FDP): Zunächst brauchen wir eine gründliche Analyse der Ergebnisse des Versuchs. Dabei sollten alle Betroffenen einbezogen werden: Anwohner, Gewerbetreibende, Besucher und Verkehrsteilnehmer. Was war gut, was hat nicht funktioniert, was muss anders gemacht werden? Eine Weiterführung oder Wiedereinrichtung in der bisherigen Form halte ich für ausgeschlossen.

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Wie stellen Sie sich die Verkehrsführung in den Quadraten in Zukunft konkret vor?

Raymond Fojkar (Grüne): Schon jetzt steht für mich fest: Die weitere Entlastung der Innenstadt von Durchgangsverkehren, welche die Innenstadt gar nicht zum Ziel haben, wie auch von der Pest der Poser tut Not. Für alle Verkehre mit den Quadraten als Ziel braucht es vor allem die Funktionsfähigkeit des Rings um die Quadrate. Dazu zähle ich vor allem auch die Sicherstellung von schnellen und sicheren Verbindungen für ÖPNV, Rad- und Fußverkehr, eine bessere und smarte Koordination der Ampelschaltungen und eine Verbesserung der Achtsamkeit der Autofahrerinnen und -fahrer hinsichtlich des Einfädelns bei Fahrbahnverengungen und des Verzichtes auf die Einfahrt in Kreuzungen bei Rückstau – zum Beispiel am Nationaltheater.

Mit Sicherheit ist das Parkleitsystem sowie die frühzeitige und bessere Information aller Verkehrsteilnehmerinnen und -nehmer dringend notwendig. Schließlich halte ich ein aus meiner Sicht schnell zu ermöglichendes attraktives Park&Ride-System für sehr hilfreich, welches wir ja bereits auch den motorisierten Besucherinnen und -besuchern der Bundesgartenschau zur Verfügung stellen sollten, um ihnen den Weg in die Innenstadt zu erleichtern und unnötige Verkehre während der „Buga der Nachhaltigkeit“ zu vermeiden.

Bezüglich Letzterem lade ich den Handel ein, dem Beispiel ihrer Vorgängerinnen und Vorgänger in den 1970er Jahren zu folgen und die Möglichkeiten der Attraktivierung der Innenstadt auch als Einkaufs- und Eventstadt durch eine Verkehrsberuhigung und Ausdehnung der Fußgängerzonen zu sehen und konstruktiv wie kreativ daran mitzuwirken; und nicht die schon vor der letzten Mannheimer Buga 1975 unbegründeten Ängste mit den Rufen nach der autogerechten Stadt bekämpfen zu wollen.

Thorsten Riehle (SPD): Oberstes Ziel bleibt, die Durchgangsverkehre und Poser aus der Innenstadt rauszuhalten. Gleichzeitig müssen die Parkhäuser gut erreichbar bleiben. Hier hat der Verkehrsversuch Möglichkeiten aufgezeigt, wie das funktioniert. Die Verstetigung des Verkehrsversuchs ist nur ein Baustein, um die Innenstadt attraktiver und lebenswerter zu machen, aber auch an die Klimafolgen anzupassen. Hier braucht es eine Gesamtvision, die Freiräume ermöglicht, den Handel fördert, Verkehre gezielt lenkt, das Wohnquartier aufwertet und durch einen klimaökologischen Umbau insbesondere die Hitzefolgen abmildert.

Außerdem brauchen wir Konzepte, um beispielsweise Menschen mit Einschränkungen vom Parkhaus zum Zielort mobil zu machen oder kleinere Lasten zu transportieren. Das könnten auch außergewöhnliche Transportmittel wie eine Fahrradrikscha oder Elektromobile sein, die als Service angeboten werden. Hier würde ich mir mehr Kreativität wünschen, die praktikabel anzuwenden ist. Auch in der Nutzung der Freiflächen habe ich innerhalb des Jahres einen kreativen Umgang vermisst.

Die Menschen haben nicht gezeigt bekommen, wie diese Flächen hätten besser genutzt und bespielt werden können. Das war vielleicht, neben der nicht ausreichenden Kommunikation, der größte Fehler und hätte die Diskussion in eine andere Richtung lenken können.

Christian Specht (CDU, ML, FDP): Zunächst ist es mir wichtig, die benannten Beteiligten in einen Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Das gemeinsame Ziel ist, den Durchgangsverkehr durch die Quadrate zu reduzieren. Gleichzeitig muss aber die Innenstadt gut erreichbar sein. Ich kann mir vieles vorstellen: Digitale Parkleitsysteme zur Reduktion des Parksuchverkehrs, Verbesserung der Alternativrouten, aber auch eine partielle Ausweitung der Fußgängerzone und eine Aufwertung des öffentlichen Raums sind da denkbar.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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