Mannheim. Der Verkehrsversuch in der Mannheimer Innenstadt wird in knapp zwei Wochen zumindest vorerst enden.
Ab Montag, 13. März, werde mit dem Abbau der Sperrungen begonnen, spätestens Mitte Mai und damit für den größten Teil der Bundesgartenschau-Zeit soll dann der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt sein. Das sagte Mannheims Verkehrsdezernent Ralf Eisenhauer (SPD) dieser Redaktion.
Danach würden die Messdaten über den Verkehr in der City während des Versuchs ausgewertet. Auf dieser Grundlage müsse der Gemeinderat dann entscheiden, wie die Verkehrsführung in der Innenstadt langfristig aussehen soll.
Von Anfang an ein Jahr?
Das jetzt bekanntgegebene Enddatum kommt überraschend. Eisenhauer betonte, der Gemeinderat habe seinerzeit beschlossen, dass der Verkehrsversuch ein Jahr dauern soll. Das setze man nun um. „Wir schließen ihn so wie geplant nach zwölf Monaten ab. Ein Versuch ist ein Versuch, der endet.“ In einer am Mittwoch verschickten Pressemitteilung aus dem Rathaus heißt es, der Verkehrsversuch ende „erfolgreich nach einem Jahr“. Und auf Nachfrage dieser Redaktion: „Der Zeitraum des Verkehrsversuchs war von Anfang an für ein Jahr festgelegt, um in diesem Zeitraum jahreszeitliche Veränderungen des Verkehrsgeschehens vollständig erfassen zu können."
Im November hatte eine Sprecherin aus Eisenhauers Dezernat dieser Redaktion allerdings noch etwas anderes gesagt: Es sei vorgesehen, dass die Absperrungen und sonstigen Maßnahmen auch nach Ende der Evaluierung bestehen blieben, bis der Gemeinderat über das weitere Vorgehen entschieden habe.
Sperrung soll rechtswidrig sein
Möglicherweise hat eine neue Entwicklung das Ende des Verkehrsversuchs beschleunigt. Ein Mannheimer Händler hat bei der Stadt Widerspruch gegen die im Rahmen des Projekts erfolgte Sperrung von Fressgasse und Kunststraße für den Durchgangsverkehr eingelegt. Das sagte der Händler dieser Redaktion.
Sein Argument: Die Sperrungen verstießen gegen die Straßenverkehrsordnung und seien deshalb rechtswidrig.
Die Verwaltung bestätigt den Widerspruch „gegen einzelne Maßnahmen“, macht jedoch mit Verweis auf das laufende Rechtsverfahren keine Angaben.
In Berlin hatte sich eine Händlerin gegen die vorübergehende Sperrung eines Teils der Friedrichstraße für Autos gewehrt und geklagt - das dortige Verwaltungsgericht gab ihr im Oktober 2022 Recht und erklärte die Sperrung für rechtswidrig.
Vermutung: anstehende OB-Wahl
Das Bündnis Fahrradstadt Mannheim vermutet unterdessen einen anderen Grund für das Ende des Versuchs: Möglicherweise wollten CDU und SPD das Thema vor der Oberbürgermeister-Wahl am 18. Juni vom Tisch haben, heißt es in einer Stellungnahme. „Es scheint fast, als hätten sich SPD und CDU im Vorfeld abgestimmt, die autoarme Innenstadt nicht zum Wahlkampfthema zu machen.“
Der Verkehrsversuch hatte am 11. März vergangenen Jahres begonnen. Unter anderem wurde die Durchfahrt von Fressgasse und Kunststraße unterbrochen, um den reinen Durchgangsverkehr aus der Innenstadt herauszuhalten. Damit verbunden wurden Straßenbereiche speziell für Fußgänger und Radfahrer ausgewiesen.
Kritik seitens der Händler
Vor allem Vertreter des Handels kritisierten das Projekt. Durch die Sperrungen kämen weniger Kunden von außerhalb in die City, erklärten sie. Aber auch aus den Reihen der Gemeinderatsfraktionen war immer mehr Kritik zu hören - obwohl der Rat das Projekt im Herbst 2020 mit großer Mehrheit beschlossen hatte. Die Grünen-Fraktion dagegen forderte kürzlich erst, die autofreien Bereiche in der Innenstadt weiter auszubauen.
Nach Angaben von Eisenhauer läuft der Abbau der Sperrungen ab 13. März in drei Schritten ab.
Zunächst wird die Durchfahrts-Sperrung der Kunststraße in Höhe des Stadthauses wieder aufgehoben. Danach wird die Fahrradstraße zwischen E1 und E2 rückgängig gemacht. Als Drittes werden Fußgängerbereich und Schranke in der Fressgasse abgebaut.
„Der Rückbau wird so vollzogen, dass möglichst wenige Verkehrsbeeinträchtigungen und kurzzeitige Sperrungen durch die Rückbaumaßnahme von den Verkehrsteilnehmenden in Kauf genommen werden müssen“, heißt es in der Pressemitteilung vom Mittwoch.
Blumenkübel in der City
Der große Teil der Pflanzkübel, die auf den gesperrten Flächen stehen, sollen laut Eisenhauer auf andere Stellen in der City verteilt werden und dort für die Buga werben. Die verlängerte Abbiegespur von der Erbprinzenstraße auf den Innenstadtring soll allerdings genauso bleiben wie die Gastro-Parklets, also die von der Gastronomie genutzten Bereiche auf früheren Parkplätzen am Straßenrand.
In den knapp zwei Wochen bis zum Ende des Versuchs werden laut Ulrike Kleemann von der städtischen Verkehrsplanung noch eine Reihe von Daten-Erhebungen laufen.
Unter anderem will die Stadt auf Wunsch des Handels durch Kennzeichen-Erfassung an der Einfahrt der Fressgasse und der Ausfahrt der Erbprinzenstraße überprüfen lassen, ob der Durchgangsverkehr tatsächlich reduziert wird - oder ob Autos gar nicht mehr in die City fahren. Darüber hinaus werden Befragungen von Kunden, Gewerbetreibenden und Anwohnern mit geplanten Stichproben von 300 bis 1000 Teilnehmenden vorgenommen. Bereits im vergangenen Herbst hatte die Stadtverwaltung erste Messergebnisse vorgestellt. Demnach hatte sich in der Fressgasse die Zahl der Autos verringert und die Zahl der Radfahrer erhöht. Kritiker hielten die Messungen allerdings nicht für aussagekräftig genug.
In der Sitzung des Technik-Ausschusses des Gemeinderats am 23. Mai sollen nun alle Ergebnisse präsentiert werden. Dann müssten die Stadträtinnen und Stadträte entscheiden, wie die Verkehrsführung in der Innenstadt langfristig aussehen soll, sagte Eisenhauer. Er selbst macht kein Hehl daraus, dass er die aktuelle Verkehrsführung in der City gerne dauerhaft beibehalten würde.
Aber auch in diesem Fall könne man die bisherigen Barken und die Schranke nicht einfach stehen lassen, denn das seien ja lediglich provisorische Instrumente, betonte der Dezernent.
Geld müsste bereitgestellt werden
Bei einer Verstetigung des Verkehrsversuchs sei dagegen ein ganz anderer rechtlicher Rahmen nötig. Dann müssten betroffene Straßenbereiche auch entwidmet, also auch rechtlich von der Straße zur Fußgängerzone umgewandelt werden.
Außerdem wären auch dauerhafte bauliche Veränderungen notwendig - etwa die Einrichtung richtiger Abbiegespuren in der Fressgasse oder am Stadthaus. Da müsste sich die Politik erst überlegen, wie das aussehen soll, sagte der Bürgermeister. Und auch entsprechend Geld für einen Umbau bereitstellen.
IHK, Handelsverband Nordbaden und Werbegemeinschaft City sind froh über das Ende des Versuchs, wie in einer gemeinsamen Stellungnahme deutlich wird. Jetzt gelte es, den Rückbau des Versuchs schnellstmöglich abzuschließen. „Damit kann die Innenstadtwirtschaft zuverlässig planen und daran arbeiten, im Buga-Jahr 2023 mehr Besucher in die City zu bringen.“ Die IHK-Kaufkraftanalyse zeige, dass die Kaufkraftbindungsquote in der Mannheimer Innenstadt um rund ein Drittel zurückgegangen sei „und damit gravierende Umsatzverluste im Einzelhandel einhergehen“. Dieser Rückgang sei „weit überdurchschnittlich, obwohl die Innenstadtwirtschaft exzellent aufgestellt ist“. Die Innenstadt müsse für alle Verkehrsmittel erreichbar bleiben, damit so wieder mehr Kaufkraft gebunden werden könne.
Die drei Handelsorganisationen betonen, das Ziel des Verkehrsversuchs, den Durchgangsverkehr aus der Stadt zu holen, sei richtig. „Aber die Zielverkehre in die Innenstadt müssen ungehindert fließen.“ Für Gespräche über konstruktive Lösungen stehe man nach wie vor bereit, heißt es in der Mitteilung.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Die nächste Schlappe beim Mannheimer Verkehrsversuch