Theater

Wilhelm Tell als Musical: Singende Fische im Luisenpark

Schillers "Wilhelm Tell" als "Karpfical" im Luisenpark: Christian Weise, Hausregisseur des Nationaltheaters Mannheim, inszeniert bei den Schillertagen das Eröffnungsstück als Musical. Sein Konzept erklärt er im Interview

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Martin Vögele
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Regisseur Christian Weise (l.) erläutert im Interview das künstlerische Konzept seines „Karpficals“ zur Eröffnung der Schillertage. © Christian Kleiner

Mannheim. So hat man Schillers „Wilhelm Tell“ sicher noch nicht erlebt: Christian Weise, Hausregisseur am Mannheimer Nationaltheater, führt das Freiheitsdrama aus der Alpen in eine Wasserwelt - mit singenden Fischen. Wir sprachen mit ihm über das Stück, das die 22. Internationalen Schillertage des Theaters eröffnen wird.

Herr Weise, unter dem Motto-Titel „Schöne Welt, wo bist du?“ fragen die Schillertage nach Utopien und alternativen Zukunftsentwürfen. Wie verhält sich Ihr „Tell“ dazu?

Christian Weise: Der „Tell“ ist ein Heldenepos, in dem grundsätzlich an eine schöne Welt geglaubt und dafür gekämpft wird. Also an eine gerechtere Welt in dem Falle. Der Motto-Titel „Schöne Welt, wo bist du?“ stellt ja die Frage aus einer Position heraus, die nicht so rosig ist. Das ist im Stück ähnlich. Das Schweizer Volk hat nach jahrelanger Besetzung durch die Deutschen genug von Unterdrückung und Folter und beginnt, einen Freiheitskampf zu organisieren. Die Schweizer stellen sich die Frage, ob sie so weiter leben wollen oder ob sie - auch mit Gewalt - die Verhältnisse ändern und für die Konsequenzen einstehen wollen.

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Sie brauchen für ihren Freiheitskampf einen Anführer, einen Helden, und hier wird das Stück sehr interessant, weil Schiller den natürlich mit dem Tell nicht einfach so liefert. Der Tell kann erst zur Waffe greifen und für Gerechtigkeit sorgen, wenn er selbst persönlich durch die Bedrohung seines Sohnes betroffen ist. Im Stück wird die Frage also komplizierter gestellt: Kommen wir nur mit Rache, Gewalt und Tod zu einer schöneren Welt? Das ist eine Frage, die wir uns heute, in der Welt, in der wir leben, wieder extrem stellen. Im Stück bleibt die Frage offen. Schiller beantwortet sie nicht endgültig.

Das Stück wird auf der Seebühne des Luisenparks aufgeführt. Wie relevant ist der Ort für Ihre Inszenierung?

Weise: Die Seebühne steht ja an einem Teich und genau das hat mir geholfen, auf eine Inszenierungsidee zu kommen, die Spaß machen könnte. Die Schweiz ist ja nur eine Folie, die Schiller benutzt, um seine Tell-Geschichte zu erzählen. Klar, könnte man heute sofort den Freiheitskampf der Ukraine assoziativ für die Inszenierung als Hintergrund benutzen, aber das wäre mir zu platt. Das Stück ist vielschichtig und wirft viele gesellschaftlich relevante Fragen auf, die ich nicht so einfach beantworten möchte.

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Die Bürger der Schweiz sind dort ein unterdrücktes Volk, das aber nicht kriegsgepeinigt ist. Dieses Bild auf die Situation der Seebühne übersetzt hat mich zur Karpfenwelt gebracht. Die Schweiz als Karpfenteich, der von bösen Welsen beherrscht wird. Im Mannheimer Luisenpark schwimmen im Teich unglaubliche viele fette Karpfen umher. Der Teich ist ein abgeschlossenes Biotop, so wie die Schweiz im „Tell“. Das Publikum soll in eine Welt entführt werden, die unterhält und aber auch zum Nachdenken anreizt. Deshalb habe ich das Genre der Fabel gewählt. Der Spaß an der Fabel ist, es noch mehr ins Märchenhafte zu holen, um verschiedenste Assoziationen zuzulassen.

Es gibt noch einen weiteren ungewöhnlichen Umsetzungsaspekt …

Weise: Wir haben ein weiteres Genre gewählt, um mit der Situation Seebühne umzugehen: das Musical. Der Schiller in Mannheim und auch das Stück „Wilhelm Tell“ wecken bestimmte Erwartungen. Es macht einfach Spaß mit Erwartungen zu spielen. Wir brechen die schon mal mit dem tollen Aufführungsort. Die großartige Sprache von Schiller ist rhythmisch, wir spielen draußen und wir sind Fische: Da können wir eigentlich nur singen! Mein Musiker Falk Effenberger hatte dann auch großen Spaß, eine tolle Musik zu komponieren. „Tell - Das Karpfical“.

Dem Text bleiben Sie aber treu?

Weise: Es ist original Schiller!

"Wilhelm Tell" auf der Seebühne

  • Friedrich SchillersWilhelm Tell in der Regie von Christian Weise und mit der Musik von Falk Effenberger feiert Premiere am 22. Juni, 19 Uhr, auf der Seebühne im Mannheimer Luisenpark.
  • Der „Wilhelm Tell“ ist eine Koproduktion des Nationaltheaters mit der Mannheimer Bundesgartenschau.
  • Weitere Vorstellungen: 24., 25, 28. und 30 Juni sowie am 1., 5., 7., 8. und 9. Juli.
  • Der Eintritt ist frei, eine Buga-Tages- oder Dauerkarte aber erforderlich. Optionale Sitzplatzreservierung: zehn Euro.

 

Wahrscheinlich gibt es dann für die Kostümabteilung viel zu tun?

Weise: Ja, auf jeden Fall. Die Kostüme und Masken sind in der Anfertigung sehr aufwändig, und es hat viel Zeit und Vorbereitung gebraucht, das Ergebnis auf die Bühne zu stellen.

Aufgeführt wird das „Karpfical“ aber von Mitgliedern des Schauspielensembles?

Weise: Ja, die neun Schauspieler*innen unseres Ensembles können alle sehr gut singen und haben da auch sichtlich Spaß dran.

… darunter der Slampoet und Comedian Nektarios Vlachopoulos. Wie kam es dazu?

Weise: Den haben wir gefragt, weil ich nach jemandem gesucht habe, der hier aus der Gegend kommt und sozusagen einen Kommentar dazu machen kann. Ich fand es interessant, jemanden zu haben, der aus der spielenden Crew heraustreten und sagen kann, was er dazu denkt. Wir laden die Leute über eine Volkstheater-hafte, komische Figur dazu ein, mit an unserer Assoziation des Stücks teilzuhaben. So wie Stand-up-Comedy eigentlich auch funktioniert, wo jemand einfach öffentlich nachdenkt über sich und die Welt, in der er steht. Und das macht dann schon extrem Spaß, das aus dem Karpfenteich auf die ganze Welt zu denken.

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