Kommentar Bei den Schillertagen muss Mann durchaus auch draußen bleiben

Stefan M. Dettlinger sieht in den 22. Internationalen Schillertagen Mannheim ein aktuelles Theaterfestival mit gesellschaftlicher Relevanz. Er lobt, dass ein Drama Schillers im Zentrum steht, meint aber: Das Programm folgt insgesamt einem neuen Mainstream

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Stefan M. Dettlinger
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Mannheim. Es ist gut, dass die Internationalen Schillertage einen Schiller ins Zentrum stellen und sich an ihm reiben: „Wilhelm Tell“. Und zwar ohne den üblich gewordenen Zusatz „Ein“ oder „Eine“, wie er (sparsam) auch im Programm der 22. Festivalausgabe zu finden ist. „Maria Stuart und Elisabeth“ werden da als „Ein Duell“ kriminalisiert, und „Die Räuber“ werden „Eine Überschreibung“ über sich ergehen lassen, weil man den Inhalt des in Mannheim uraufgeführten Dramas natürlich längst nicht mehr unterschreiben kann, denkt man, dächten die, die sich so etwas ausdenken.

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Das alles hat seine Berechtigung. Die Gesellschaft ist bunter, breiter und auch extremer geworden. Oder gar extremistischer? Man könnte es an einem Beispiel aufzeigen: Im Programm von Mannheims Schauspielintendant Christian Holtzhauer steckt immerhin eine Produktion exklusiv für Frauen, die Holtzhauer selbst, logischerweise, noch nie gesehen hat. Männer sind ja verboten. Das ist weder Scherz noch Ironie! Es ist die reine Wahrheit.

Zu ihr, der reinen Wahrheit, gehört auch, dass das Rebellischste an diesem bunt schillernden Theaterfest Titelheld „Wilhelm Tell“ selbst ist, weil er sich vehement und unter Einsatz eines Kinderlebens gegen eine Macht zur Wehr setzt.

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Die Schillertage hingegen tragen gesellschaftlichen Gegebenheiten Rechnung. Sie wollen relevant sein für alle und alles, für deutsch und nicht-deutsch, für Alt und (noch mehr für) Jung, für Mann und (noch mehr für) Frau. Damit werden sie selbst aber nicht rebellisch. Sie weigern sich ja nicht gegen etwas Mächtiges. Im Gegenteil. Längst ist, was wir für Gegenkultur und subversive Kraft hielten, zum Mainstream geworden, den Theater und Kultureinrichtungen von Flensburg bis Füssen wie selbstverständlich in ihre Arbeit integrieren. Es ist in gewisser Weise der State of the Art des Kulturmachens.

Es erwartet uns also ein facettenreiches und aktuelles Festival, das nicht nur Spuren von Schiller enthält, nein, das Schiller über Schiller hinausdenkt. Und da ist bestimmt für jede etwas dabei.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.