Mannheim. Schauspielerin Gabriela Badura, Ehrenmitglied des Mannheimer Nationaltheaters und Trägerin des Bloomaul-Ordens, wird an diesem Montag 80 Von Ralf-Carl Langhals
Es beginnt und begann besonders schwierig, das traditionell ohnehin schon schwierige Verhältnis von Schauspielerin und Kritiker... Bei unserer ersten Begegnung anno 1977 war sie nackt – und ich elf Jahre alt. Pubertät und Irritation waren näher als Berufspläne zum Theaterkritiker. Gabriela Badura, Jubilarin der heutigen Ausgabe, spielte damals die Olivia in Shakespeares „Was ihr wollt“. Jahrzehnte später, zu ihrem 25-jährigen Bühnenjubiläum sprachen wir über DEN „Theaterskandal“ ihrer Mannheimer Anfangsjahre. Auch wenn sie damals den Metzger wechseln musste, steht sie bis heute zu diesem Auftritt: „Schocker interessieren mich nicht, wenn es über den primitiven Effekt hinausgeht und etwas über die Figur erzählt – dann ziehe ich mich auch aus!“
Zur Person: Gabriela Badura
- Gabriela Badura wurde am 22. Februar 1941 in Gleiwitz (heute Polen) geboren; sie wuchs in Tirschenreuth und Augsburg auf. Ihre Schauspielausbildung absolvierte sie am Wiener Max-Reinhardt-Seminar.
- Sie ist seit 1975 am Nationaltheater engagiert, wo das dienstälteste Mitglied des Schauspielensembles in 126 Rollen zu sehen war – unter anderem in Jürgen Bosses „Bockerer“, „Die Möwe“ (Tschechow), als Maria Callas in „Meisterklasse“ oder als Violet in Tracy Letts „August: Osage County“. In der Rolle des alten Dieners Firs verabschiedete sie sich 2014 in Tschechows „Der Kirschgarten“ von der Bühne.
- 2008 erhielt Badura den Bloomaul-Orden, 2013 wurde sie in die Reihe der Ehrenmitglieder des Nationaltheaters aufgenommen, in dessen Nähe sie auch mit Mann und Kollege Roland Bayer lebt. (rcl)
Heute, nach 126 Rollen am Nationaltheater, dessen Ehrenmitglied sie ist, erwartet das niemand mehr von ihr. Nicht auf, sondern unter die Haut ihrer Figuren und Charaktere blicken zu lassen, war über vier Jahrzehnte die Spezialität einer Sprech- und Darstellungskünstlerin, die es in ihrer quadratischen Wahlheimat zu Anerkennung und Ehrungen gebracht hat wie keine Zweite ihres Faches.
Sich auf die Stadt eingelassen
Wie macht das „La Badura“, wie es respektvoll bei ihren Auftritten durch Sitzreihen geraunt wurde? „Ich habe mich auf die Stadt und ihre Menschen eingelassen, hier nicht nur gearbeitet, sondern auch gelebt, geliebt, gelitten, gekämpft, Kinder groß gezogen – das ganz normale Leben eben.“ So fasst sie ihr Erfolgsrezept bescheiden zusammen, freilich wie immer mit der Bitte, „den Weihrauch“ auch zum 80. wegzulassen. Diesem Wunsch kann nicht entsprochen werden, ein wenig Lorbeer muss heute in den Ehrenkranz geflochten werden, den ihr der aktuelle Schauspielintendant unter normalen Umständen heute hätte überreichen wollen. Christian Holtzhauer hätte sie gerne im Anschluss an eine Vorstellung gewürdigt, aber Badura lehnte bereits ab, als von Corona noch nicht die Rede war. Also schwingen wir das Weihrauchfass – nur ganz sanft …
Studiert hat Gabriela Badura am Wiener Max-Reinhardt-Seminar mit so illustren Jahrgangskollegen wie Hans Neuenfels und Monica Bleibtreu. Erste Engagements führten sie von der Wiener Burg über Bonn und Essen 1975 nach Mannheim. Endstation?
Ihre späteren zahlreichen Gastspiele in Zürich und Düsseldorf belegen, dass es ihr an Angeboten nicht mangelte. „Dich brauche ich ja gar nicht zu fragen, du bleibst ja eh hier“, sagte Schauspielchef Jürgen Bosse, als es 1988 um einen Wechsel ans Staatsschauspiel Stuttgart ging, bei dem ihm das Gros des Ensembles begleitete.
Sie ist geblieben. Spielte Königinnen, kleinbürgerliche Mütter und großbürgerliche Damen. Faszinierte mit Hauptmann, Schiller, Brecht, in prallen Komödien wie in „Hase, Hase“ oder in Dürrenmatts „Besuch der alten Dame“, mit Franz Mazura in „Geliebter Lügner“ und unvergessen als Maria Callas in Mc Nellys „Meisterklasse“.
Einmal durch den „Kirschgarten“
Badura hat sich über die Jahre und Jahrzehnte, wie sie sagt, „einmal durch den kompletten ,Kirschgarten’ gespielt“. In allen weiblichen Rollen des Tschechow- Stücks – und zum Bühnenabschied 2014 noch in der Hosenrolle des alten Dieners First. Eine in vielerlei Hinsicht gute Idee, zeigt es doch auch ihre Wertschätzung kleinerer Rollen, deren einfühlsame Gestaltung sich die Vorsilbe „Neben-“ verbietet. Ihren letzten ganz großen Coup landet sie 2008 unter Burkhard C. Kosminski als Violet in Tracy Letts Familienstück „August: Osage County“, wo sie nochmals eine Publikum und Presse gleichsam begeisternde Bandbreite ihres Spielvermögen offenbart. Schmerz, Eleganz, Verletzlichkeit, Wut, derben Sarkasmus und vornehme Zurückhaltung: Auch schöne Frauen wie La Badura brauchen dazu Mut zur Hässlichkeit. Wie es kommt, dass sie in Kittelschürze und Strickjacke ebenso fesselt wie in Fuchsmantel oder Renaissance-Reifrock?
„Charakterfach und Dame – das waren eben beides meine Fächer auf der Schauspielschule“, klärt sie bodenständig wie immer auf. Und auch wenn es ganz so einfach nicht ist, so liegt darin doch das wahre Badura-Geheimnis ihrer Schauspielkunst. Ihr geht es um die Figur, nicht um sich selbst. Und der Zuschauer merkt das. Im Spiel ist sie, die „Monologe und Solostücke nicht leiden mag“, ganz bei ihren Kollegen, die weit mehr als Anspielpartner, nämlich im wahrsten Sinne Spielgenossen sind.
Lachen und Weinen
Dass sie mit der zeitgenössischen Abwendung vom Dialog hin zur chorischen Frontalstellung nicht ganz so einverstanden ist, nimmt daher wenig wunder. „Menschen wollen lachen und weinen – und sie wollen Stücke sehen, die Geschichten erzählen“, ist Badura überzeugt. Mit Dramaturgen stand sie, die auch lange Zeit Ensemblevertreterin war, „immer auf Kriegsfuß“, erinnert sie sich lachend. Und das obwohl ihr Stücke mit Abgründen liegen und ihr gar nicht kompliziert genug sein können. „Proben bis zum Fast-Hinschmiss, dann erst geht es ins Fleisch“, fasst sie ihre fordernde Arbeitstechnik zusammen.
Mit ihrem Mann und Kollegen Roland Bayer lässt sie es nun ruhiger angehen, zur Bühne drängt es sie nicht mehr. Ihr gehe es blendend, lässt sie wissen, bis der besorgte Gatte dazwischenruft, dass sie „das mit dem Sturz“ schon erzählen müsse... Typisch Badura – nach einer Stunde Gespräch kein Wort von Wirbelbrüchen, Schwindel und Schmerzen. Dass sie heute ohne ihre beiden Söhne und Enkelkinder feiern muss, schmerze sie mehr. „Aber das geht eben derzeit nun mal nicht anders.“
Neben ihrer großen Kunst verdankt sie ihre Beliebtheit zweifelsfrei auch ihrer Bodenständigkeit. Mit Bloomaul-Orden und Ehrenmitgliedschaft des Nationaltheaters ist sie längst ausgezeichnet. Der Ehrenplatz in Mannheimer Zuschauerherzen ist ihr mindestens ebenso teuer: „Ich habe alle Achtung von den Leuten hier bekommen, die man bekommen kann – und dafür bin ich dankbar.“ Ein schönes Gefühl, das wir ihr heute ganz besonders gönnen.
Info: Mehr Theaterbilder mit Badura unter morgenweb.de/kultur