Dass es ein besonderer, ein einmaliger Moment ist - das wird von Beginn an spürbar. Dabei handelt es sich letztlich nur um einen symbolischen Akt. Dass Bundes- und Landesregierung die Generalsanierung des Nationaltheaters mit 120 Millionen Euro unterstützen, steht politisch bereits seit 2018 fest - doch rein formal erst jetzt, mit der offiziellen Übergabe des Zuwendungsbescheids bei einem kleinen, hochrangig besetzten Festakt im Opernhaus.
Er beginnt mit einer Umarmung. „Hallo, meine Liebe“, herzt Claudia Roth, kaum aus ihrer Dienstlimousine ausgestiegen, ihre Parteifreundin Petra Olschowski, die neue baden-württembergische Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Die steht mit Oberbürgermeister Peter Kurz, weiteren Kommunalpolitikern, Theatervertretern und Beamten schon eine Weile am Bühneneingang des Nationaltheaters, um den Gast aus Berlin zu begrüßen.
„Es wird immer enger“
„Angenehm, Sie kennenzulernen - man kennt Sie ja sonst nur aus Funk und Fernsehen“, heißt Kulturbürgermeister Michael Grötsch Claudia Roth (Grüne) willkommen. Die Staatsministerin beim Bundeskanzler und Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien raunt dann den Kommunalpolitikern zu, sie komme „gerade noch rechtzeitig“. „Es wird immer enger“, verweist sie auf die wachsenden Haushaltsnöte des Bundes und betont das Glück, dass der Zuschuss für Mannheim lange beschlossen sei. Das ist noch inoffizielles Vorgeplänkel, dann geht es über den Bühneneingang, die schmale Treppe und den Gang mit den Garderoben zum Opernhaus. Hier wird, wie der Oberbürgermeister den Gästen erklärt, gerade alles ausgeräumt, damit im neuen Jahr die Bauarbeiten beginnen können. Und am Rande geht es um die Geschichte der von unnatürlichen Landesgrenzen durchschnittenen Region, die auf Napoleon zurückgehen. Claudia Roth in Ulm geboren, kennt solche willkürlichen Grenzen aus ihrer Heimat. „Völlig gaga“, sagt sie dazu nur.
Die Geschichtsstunde geht im offiziellen Teil weiter. Der Oberbürgermeister begründet Mannheims „herausragende kulturpolitische Bedeutung für Deutschland“ damit, dass hier erstmals Lessings Idee vom Nationaltheater richtig umgesetzt worden sei. Schillers „Räuber“-Uraufführung 1782, davor Mozarts Aufenthalte, dann 1839 die Übernahme des Hauses in städtische Verantwortung als damit ältestes deutsches Kommunaltheater und der architektonisch wegweisende Neubau 1957 sind seine Stichworte. Das rechtfertige den „einmaligen Anlass“ einer Bundesförderung für ein kommunales Theater, der generell und von der „schieren Größenordnung“ mit 80 Millionen Euro vom Bund und weiteren 40 Millionen vom Land ohne Vergleich sei.
Immerhin handele es sich um die höchste Fördersumme, die Mannheim je für eine einzelne Baumaßnahme erhalten habe, dankt er. 2018 war die Überlegung, dass durch die Zuschüsse die Hälfte der geplanten Baukosten abgedeckt wird. Inzwischen sind es, mit Ersatzspielstätten-Investitionen, 287 Millionen, „was möglicherweise eine Steigerungsdynamik hat“, deutet er an.
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Nur ganz kurz geht der Oberbürgermeister darauf ein, wie das Ganze entstanden ist. Gelungen sei es „durch eine parlamentarische Initiative“. Namentlich nennt Kurz nur den Wormser Unternehmer Harald Christ (früher SPD, jetzt FDP), zu dem Filmemacher und Nibelungen-Festspiele Intendant Nico Hofmann den Kontakt hergestellt hatte. Keine Erwähnung finden jene beiden Bundestagsabgeordneten, denen Kurz noch 2018 für „intensiven und wirkungsvollen Einsatz im Sinne Mannheims“ gedankt hatte: Nikolas Löbel (CDU), der im zuständigen Bundestagsausschuss für Kultur und Medien sass und einen guten Draht zu Claudia Roths Vorgängerin Monika Grütters (CDU) hatte, und Johannes Kahrs, Sprecher der SPD im entscheidenden Haushaltsausschuss. Beide sind wegen unterschiedlicher Affären nicht mehr in der Politik.
Ein „lebendiges Kulturdenkmal“
Die Vorgeschichte lässt auch Claudia Roth weg. Aber sie spricht von einem „besonderen Moment“, bekräftigt die Aussage von Kurz und bescheinigt dem Nationaltheater „riesengroße Bedeutung“. Es sei ein „lebendiges Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung“, ja ein „lebendiges Denkmal“ und es lohne sich, „möglich zu machen, dass hier weiter Theatergeschichte geschrieben wird“, obgleich 80 Millionen Euro „ganz schön viel Geld“ seien. Roth stellt sich als „bekennende Liebhaberin“ von Theater vor, schließlich hat sie mal als Regieassistentin und Dramaturgin gearbeitet. Und sie nimmt ihre Zuhörer sofort mit einem leidenschaftlich-enthusiastischen Plädoyer für das Theater als „Abbild des Lebens“ und demokratierelevanten Ort des Austauschs für sich ein. „Kunst und Kultur sind auch in diesen Zeiten der Krise Grundnahrungsmittel, Teil unserer kulturellen Identität“, sagt sie und zitiert dann noch formvollendet Schiller über die Rolle des Theaters.
Da hat es Petra Olschowski als anschließende Rednerin schwer. Aber sie würdigt das Nationaltheater als Haus, das „enorme und besondere Vergangenheit hat und in der Gegenwart erfolgreich ist“, verweist sie auf „Inszenierungen, die bundesweit Anerkennung finden“. Zugleich schreibt sie ihm ins Stammbuch, es müsse die Sanierungszeit und die Ersatzspielstätten als Chance begreifen, neue Zuschauerschichten anzusprechen. „Mit der Diversität klappt es noch nicht so“, kritisiert sie. Zudem hebt sie hervor, wie einmalig es ist, dass das Land die Sanierung von einem kommunalen Theater fördere. Dem Gemeinderat bekundet sie „Respekt, dass er so klar hinter dem Theater steht“.
Das tut auch Tilmann Pröllochs, der Geschäftsführende Intendant, der im Namen der Belegschaft Bund, Land und Stadt für die Zuschüsse dankt. „Hoffentlich“ ab 2027 wolle das Theater an den Goetheplatz zurückkehren und dort 2028 sein 250-jähriges Bestehen feiern.
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