Finanzen

Mannheims Etat: „Verlässlichkeit“ oder wackliges „Kartenhaus“?

Nach den Haushaltsreden der Stadtspitze geben die Fraktionen im Gemeinderat Bewertungen ab. Die liegen zum Teil weit auseinander. Eine liefert auch einen Hinweis auf den Ausgang der OB-Wahl im kommenden Jahr

Von 
Timo Schmidhuber
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Im Ratssaal hörten die Stadträtinnen und Stadträte am Dienstag die Haushaltsreden der Stadtspitze. Die Reaktionen darauf fallen unterschiedlich aus. © Thomas Tröster

Mannheim. Trotz Krieg, Inflation und Wirtschaftskrise will Mannheim auch 2023 vergleichsweise stark investieren, etwa in den Bau und die Sanierung von Schulen oder in die Verkehrsinfrastruktur. Das ist ein zentraler Pfeiler im Entwurf für den städtischen Haushalt 2023, den Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) und Kämmerer Christian Specht (CDU) am Dienstag vorgestellt hatten. Dazu gehört auch, dass die Stadt die Sanierung des Nationaltheaters aus ihrem Etat auslagert. Stattdessen muss das Theater selbst einen Kredit über fast 200 Millionen Euro aufnehmen und bekommt im Gegenzug einen höheren Zuschuss für Zins und Tilgung. Die Fraktionen im Gemeinderat haben in ihren Etat-Reden in der November-Sitzung Gelegenheit, den Haushaltsentwurf zu bewerten. Wir haben sie vorab nach einer ersten Einschätzung gefragt. Kritik kommt von FDP, Freien Wählern und CDU. Die Christdemokraten geben auch schon einen Hinweis auf den Ausgang der OB-Wahl im kommenden Jahr.

Grüne

„Es ist richtig und wichtig, dass die Stadt an Investitionen und Plänen festhält und damit auch eine Perspektive für die lokale Wirtschaft, das Handwerk und den Handel schafft“, sagt Nina Wellenreuther, eine der Grünen-Fraktionschefinnen. Man müsse zudem die Grundlagen für die nötige Transformation zu mehr Klimaschutz schaffen. Die Einschätzung des Oberbürgermeisters, dass diese nur vor Ort gelingen könne, teile ihre Fraktion. „Wir wissen selbstverständlich um die Risiken, die dieser Haushalt birgt. Ein weitaus größeres Risiko wäre es aber, jetzt in eine Schockstarre zu verfallen und das Heft des Handelns aus der Hand zu geben. Großprojekten und laufende Vorhaben müssen zielgerichtet angegangen werden, um Mannheim zukunftsfest und klimaresilient aufzustellen.“

SPD

Thorsten Riehle, der Fraktionschef der Sozialdemokraten, lobt die „Verlässlichkeit“ im Haushaltsentwurf der Verwaltung: Trotz der aktuellen globalen Krise seien „hohe Investitionen zum Beispiel in den Ausbau der Kinderbetreuung und die Infrastruktur unserer Schulen, aber auch in die verkehrliche Infrastruktur im Haushaltsplanentwurf abgebildet“, betont er. Auch den Neubau der Stadtbibliothek wollen die Sozialdemokraten nicht aufgeben. Für dieses Projekt allerdings ist im Etat-Entwurf für 2023 und auch in der Grob-Planung für die drei Jahre danach aktuell kein Geld vorgesehen. Riehle plädiert dafür, die Planungen fortzusetzen. Kritik übt der SPD-Fraktionschef an der grün-schwarzen Landesregierung, „weil weiterhin keinerlei Unterstützung und Kooperation bei der Fusion der Klinika Mannheim und Heidelberg zu erkennen ist“. Fürs Klinikum hat die Stadtverwaltung für die kommenden vier Jahre derzeit kein Geld eingeplant. „Die Stadt Mannheim wird diese Herausforderung nicht alleine stemmen können“, so Riehle.

CDU

CDU-Fraktionschef Claudius Kranz beschränkt sich in seiner Bewertung auf die Haushaltsrede des sozialdemokratischen Oberbürgermeisters - obwohl ja auch sein CDU-Parteifreund und Kämmerer Christian Specht nicht unmaßgeblich am Etat-Entwurf beteiligt war. Kurz beschreibe ausführlich die global auf Mannheim einwirkenden Probleme, blende aber die vor Ort zu lösenden Probleme aus, kritisiert Kranz. Als Beispiel nennt er die Verluste und die Finanzierung der notwendigen Neubauten beim Klinikum. Beim für die Sauberkeit zuständigen Eigenbetrieb Stadtraumservice fordert Kranz dringend organisatorische Veränderungen. Mit dem Verschieben von Investitionen wie beim Bibliotheksneubau drücke sich der Oberbürgermeister ebenfalls um eine Entscheidung. „Sein Nachfolger muss dann beim nächsten Haushalt viele hausgemachte Probleme lösen“, so Kranz. Auf die Nachfrage, woher er denn wisse, dass Kurz beim nächsten Haushalt kein Oberbürgermeister mehr sei, antwortet er: Die CDU gehe davon aus, dass ihr - bislang nicht öffentlich bekannter - Kandidat bei der Wahl erfolgreich sein werde.

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LI.PAR.Tie

Die Fraktion aus Linken, Die Partei und Tierschutzpartei findet es gut, dass die Stadt an den geplanten Investitionen festhalten will, wie Fraktionschef Dennis Ulas betont. Auch die „Auslagerung“ der Theatersanierung sieht er positiv. „Das ermöglicht Spielraum für die anderen notwendigen Investitionen.“ Die Fraktion hätte sich aber gewünscht, dass die Stadt mehr zusätzliches Geld einplant - für die Reaktion auf die gegenwärtige Krise, etwa mit Blick auf steigende Kosten für Energie und anderes, aber auch wegen anstehender Tarifverhandlungen. Für Maßnahmen des Klimaschutzaktionsplans muss aus Sicht der Fraktion ebenfalls mehr eingeplant werden als die bisher drei Millionen Euro. LI.PAR.Tie schlägt eine Art „Sondervermögen“ für Klimaschutz und Transformation vor.

FDP/MfM

Aus Sicht von FDP/Mittelstand für Mannheim (MfM) machen es sich Oberbürgermeister und Kämmerer zu einfach. Sie machten einfach weiter wie bisher und hofften auf Hilfen von Land, Bund und EU. „Statt auf die kritische Finanzlage angemessen zu reagieren und Ausgaben zu reduzieren, wird die Neuverschuldung verschleiert, indem jetzt auch die Eigenbetriebe Kredite selbst aufnehmen wie zum Beispiel das Nationaltheater die 200 Millionen für die Generalsanierung.“ Die Einnahmenseite im Etat sei außerdem „unrealistisch hoch“ angesetzt. „Schon die Herbststeuerschätzung wird das Kartenhaus zusammenfallen lassen. Dennoch ist die Stadtspitze nicht bereit, irgendeine Ausgabe oder Bauprojekt grundsätzlich auf den Prüfstand zu stellen.“

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Freie Wähler/Mannheimer Liste

Die Freien Wähler/ Mannheimer Liste (ML) sehen im Etat-Entwurf viele Risiken nicht abgedeckt. Etwa Preissteigerungen beim Bauen sowie Kosten für Gas und Strom und das „wohl zu erwartende Defizit beim Klinikum“. Auch die Personalkostensteigerungen im öffentlichen Dienst, mit denen zu rechnen sei, würden nicht genug berücksichtigt. Wenn wie jetzt beim Nationaltheater Schulden auf die Eigenbetriebe verlagert würden, entlaste das zwar den städtischen Haushalt, so die ML. Gleichzeitig werde dieser dann aber „immer stärker mit Zins- und Tilgungsleistungen belastet und der zukünftige Spielraum für Investitionen weiter eingeengt“. Die ML geht nicht davon aus, „dass der Haushaltsplan 2023 wie vorgesehen umgesetzt werden kann“.

AfD

Die AfD-Fraktion begrüßt die Absicht der Stadtspitze, keine neuen Schulden aufzunehmen. Mit der Auslagerung der Verbindlichkeiten auf das Theater werde die höhere Verschuldung allerdings „nur versteckt“. Den Plan der Verwaltung, vorerst keine Steuern zu erhöhen, hält die AfD „angesichts der gegenwärtig dramatisch gestiegenen finanziellen Belastung von Industrie, Gewerbetreibenden und privaten Haushalten“ für vollkommen richtig. „Die ab 2024 geplante Bettensteuer widerspricht aber dieser Grundsatzentscheidung.“ Das Klinikum hält die Fraktion für ein „Fass ohne Boden“ für den Haushalt.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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