Johannes Staemmler untertreibt. „Nicht ganz unaufwendig“ sei, so sagt der Projektkoordinator vorsichtig, das, was an diesem Montag im Nationaltheater beginnt. Tatsächlich muss das ganze Haus am Goetheplatz komplett ausgeräumt, alles an andere Standorte gebracht werden, ehe die Bauarbeiten für die Generalsanierung dann tatsächlich beginnen können. Knapp fünf Monate sind dafür vorgesehen.
Schon seit Wochen hängen überall Zettel in den Garderoben oder Büros. „Spinde räumen!“, heißt es da, denn tatsächlich muss das gesamte Haus völlig leer werden, und keiner der Künstler, Bühnenarbeiter, Musiker oder Orchesterwarte soll irgendetwas vergessen, ehe er in die Theaterferien startet.
Staemmler hat keine Theaterferien, für ihn beginnt jetzt die heiße Phase eines Mammutprojekts, das er schon lange detailliert geplant hat. Zwei Studienfächer, Theatertechnik und Projektmanagement, gaben ihm das Rüstzeug, zudem hat er vor seinem Umzug nach Mannheim vor eineinhalb Jahren für die berühmten Filmstudios Babelsberg und die Staatsoper Berlin gearbeitet. Doch was ihm nun bevorsteht, werde „sicher sehr stressig“ ahnt er.
Dabei ist ein großer Teil schon erledigt. Zwischen Februar und Mai hat die Requisitenabteilung weite Flächen des Bunkers unter dem Theater am Goetheplatz ausgeräumt. Viele Teile gingen in eine neue Lagerhalle im Morchhof in Neckarau in der Nähe des Probezentrums, einige Requisiten wurden beim Abschiedsfest des Theaters versteigert. Zahlen, um wie viele Tonnen oder Exemplare es geht, kann Staemmler nicht nennen - es reicht ja vom Besteck oder Plastikblumen über Möbel bis zu riesigen Tierfiguren.
3000 Kartons und 400 Stahlboxen
Anfangs gab es, so erzählte es Katharina Breuser bei einer der letzten Führungen durch das Haus beim Abschiedsfest, die Idee, jedes Exemplar zu fotografieren und per Barcode zu registrieren. „Man hat das vier Wochen probiert und dann abgebrochen, weil allein dafür vier bis fünf Mitarbeiter sieben bis acht Jahre brauchen würde“, machte Breuser die Dimensionen deutlich.
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Theaterleute heben eben gerne viele Dinge auf - für irgend eine Inszenierung kann man sie immer noch mal brauchen. „In jeder Ecke, wo etwas stehen kann, steht auch etwas - das ist in jedem Theater so“, beschreibt Staemmler das Problem, und es sei „ein sehr verwinkeltes Haus“. Doch er muss eben jetzt dafür sorgen, dass jede Ecke leer wird.
Los geht es damit, dass alle Garderoben, Räume der Maskenbildner, Büros sowie Einsingzimmer in dem Haus am Goetheplatz ausgeräumt werden. Mit „3000 Kartons normales Umzugsgut“ rechnet der Projektkoordinator. Viele Mitarbeiter des Theaters haben ihre Kartons schon in den vergangenen Tagen gepackt, den anderen bleibt maximal noch eine Woche Zeit.
Ein Umzugsunternehmen bringt die Kartons ab Montag nächster Woche dorthin, wo diese Leute künftig arbeiten - also entweder im Probenzentrum Neckarau oder in eine der Ersatzspielstätten Oper am Luisenpark (Opal) oder altes Kino auf dem Franklin-Gelände. Die Firma fährt aber nach und nach, „es wird keine Kolonne geben“, sagt Staemmler.
Danach sind Licht-, Ton- und Videotechnik von Opernhaus und Schauspielhaus an der Reihe. Dafür stehen bereits 400 Gitterboxen aus Stahl parat, um die schweren Scheinwerfer, Kabel und Geräte aufzunehmen. Ein Teil der Transporte übernimmt eine Firma, einen Teil aber auch das Theater selbst.
Sehr viel wird weiterverwendet
Das obliegt dann der von Stefan Lauer geleiteten Abteilung „Fahr- und Sonderdienste“, intern nur „FASO“ genannt, die über zwei eigene Sattelschlepper und einen 7,5-Tonner verfügt und zudem den Lkw vom Jungen Nationaltheater einsetzen kann. Auch „mehrere Hundert“, so der Projektkoordinator, große Rollboxen sind für den Umzug angeschafft worden. „Die machen wir voll, leeren sie am Zielort, fahren sie zurück und machen sie wieder voll“, erklärt er.
Neben den Gitterboxen muss das „FASO“-Team sich zudem der Kostüme - 500 laufende Meter an Kleiderstangen - annehmen, die bisher noch im Opernhaus sind, weil sie häufig gebraucht wurden - der Fundus ist ja auf andere Räume verteilt. Komplett selbst fährt das Theater ebenso all die Teile von Bühnenbildern der zuletzt gezeigten Aufführungen, die noch auf Hinter- und Seitenbühnen im Spielhaus sehen. „Das sind rund 60 Lkw-Ladungen - mindestens“, schätzt Staemmler.
Auch alle Möbel aus Büros, Pausenräumen, Kasse und Künstlergarderoben müssen abtransportiert, die Werkzeuge der Haustechniker und Hausmeister verpackt, selbst Garderobenständer demontiert werden. Die kommen in die Ersatzspielstätten. „Wir haben die Maßgabe, so viel wie möglich weiterzuverwenden - aus ökonomischen und ökologischen Gründen“, betont der Projektkoordinator.
Was das Theater selbst übernimmt, muss aber noch ein paar Wochen warten - es sind ja für die meisten Mitarbeiter Theaterferien. „Mit großer Mannschaft starten wir daher erst im September durch“, erklärt Johannes Staemmler. Der Zeitplan ist eng: Im November muss er die oberen beiden Etagen des Spielhauses räumen, damit dort die Entrümpelung und Schadstoffsanierung beginnen kann, im Dezember darf im kompletten Haus nirgendwo mehr etwas liegen oder stehen. Danach erst beginnt, mit der Entfernung aller - zum großen Teil noch von 1957 stammenden - Kabel und Leitungen, die eigentliche Generalsanierung, die bis 2027 dauern soll. Dann ist wieder ein halbes Jahr für die Rückkehr und den Wiedereinzug der Theaterleute vorgesehen.
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