75 Jahre "Mannheimer Morgen"

Unser Anspruch an uns selbst

„MM“-Chefredakteur Karsten Kammholz sieht den Lokaljournalismus als die Essenz der Demokratie.

Von 
Karsten Kammholz
Lesedauer: 
Karsten Kammholz, Chefredakteur des "Mannheimer Morgen". © MM

Liebe Leserin, lieber Leser,

vier karge Seiten, drei Ausgaben pro Woche, Bleisatz und Papiermangel, eine zerstörte Stadt im Wiederaufbau, Generationen zwischen Trauma und Träumen. Man kann es sich kaum vorstellen, unter welchen Umständen der „Mannheimer Morgen“ am 6. Juli 1946 erstmals erschien. Heute blicken wir voller Stolz auf eine seit 75 Jahren währende Erfolgsgeschichte, die auch eine des steten Wandels ist. Die Zeitungsmarke „Mannheimer Morgen“ präsentiert sich multimedialer, journalistisch vielfältiger und schneller als je zuvor. Wenn man so will, gehören wir zum Inventar dieser Stadt und ihres Umlands. Auf uns kann man sich verlassen.

Das ist nicht selbstverständlich. Darf ich Sie daher auf eine kleine Gedankenreise entführen? Stellen Sie sich einmal vor, Ihr „Mannheimer Morgen“ wäre eine Woche lang nicht für Sie da – keine Printausgabe, kein Artikel auf der Website, keine Social-Media-Posts, keine Newsletter. Kein Journalismus über Mannheim und die Metropolregion. Keine Nachrichten und Kommentare über das kulturelle Leben, den Sport und die Unternehmen unserer Region. Der Gemeinderat würde tagen, und sie würden vielleicht nichts darüber erfahren.

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Ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei geht. Ich kann Ihnen sagen: Eine solche Woche ohne die tägliche Arbeit des „Mannheimer Morgen“ kann ich mir nicht ansatzweise vorstellen. Denn was nützt uns eine Demokratie, wenn ihre Essenz – die kritische, öffentliche Auseinandersetzung –, nicht mehr existiert? Wir hätten es mit einer Ent-Öffentlichung des Lebens vor Ort zu tun, mit einer kommunikativen Entfremdung zwischen der Bevölkerung und ihren Entscheidungsträgern.

Wissenschaftler sind in den vergangenen Jahren in unterschiedlichen Studien zu dem Ergebnis gekommen: Je weniger über lokale Politik berichtet wird, desto geringer fällt in diesen Regionen die Wahlbeteiligung aus. Das Gemeinwesen lebt ganz klar von Publizität – das gilt vor allem für die Rathäuser in den Städten und Gemeinden. Der Lokaljournalismus hilft demnach der Demokratie. Aber helfen die Kräfte der Demokratie auch dem Lokaljournalismus? Angenommen, Lokaljournalisten wären einfach nicht mehr dort, wo über die Zukunft der eigenen Kommune entschieden wird, wo sich das Leben vor Ort verändert, wo Menschen ihre Geschichten erzählen können, wo Missstände sichtbar werden, ja was wäre dann? Wer sorgte dann für die unabhängige Einordnung?

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Seien Sie versichert: Wir in der Redaktion des „Mannheimer Morgen“ werden wie bisher alles dafür tun, dass Sie stets umfassend und aktuell informiert bleiben über das, was hier wichtig ist. Nur wer entscheidet, was wichtig und relevant ist? Das tun wir in der Redaktion, aber das tun auch Sie, liebe Leserin und lieber Leser. Sagen Sie uns bitte weiter Ihre Meinung, bitte begleiten Sie uns kritisch. Wenn wir Fehler machen, weisen Sie uns darauf hin. Wenn wir in Ihren Augen richtig handeln, möchten wir es auch erfahren. Ohne Sie gibt es keinen erfolgreichen Lokaljournalismus für Mannheim und die Region. Und ich glaube, wir sind uns einig: Kein Journalismus ist wichtiger als der lokale und regionale. Er gewinnt sogar noch an Bedeutung. Die vor kurzem veröffentlichte Langzeitstudie „Medienvertrauen“ der Universitäten in Mainz und Düsseldorf hat die Entwicklung des vergangenen Jahres einmal mehr bestätigt, wonach das Vertrauen der Bundesbürger in die Medien während der Corona-Krise gestiegen ist. Eine Hauptrolle spielen dabei lokale und regionale Medien: Zwei Drittel der Deutschen vertrauen ihnen, Tendenz steigend.

Diese Ergebnisse bestärken auch uns beim „Mannheimer Morgen“ in unserer Haltung und unserem journalistischen Selbstverständnis. Die Frage ist also nicht, ob der Lokaljournalismus eine Zukunft hat, sondern auf welchen Kanälen und Plattformen. So wie sich der „Mannheimer Morgen“ seit seiner ersten Ausgabe vor genau 75 Jahren gewandelt hat, allein optisch und sprachlich, so beherzt greifen wir heute auch die Chancen der Digitalisierung auf.

Doch eine Konstante bleibt: unser Anspruch an uns selbst. Wir stehen für unabhängigen Qualitätsjournalismus, wir wollen Sie aufklären, bewegen und überraschen. Wir wollen Sie durch den Tag begleiten und stets informiert halten. Und wir wollen mit Ihnen in die Zukunft gehen. Danke für Ihr Vertrauen!

Ihr Karsten Kammholz

Chefredakteur

Ehemalige Mitarbeit ehem. Chefredakteur

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