Wolfgang Schäuble

(Vertrauens-)Wert von Lokaljournalismus

Für den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Wolfgang Schäuble, ist eine vielfältige Medienlandschaft für die lebendige Demokratie von zentraler Bedeutung.

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Wolfgang Schäuble
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Wolfgang Schäuble während seiner Zeit als Bundestagspräsident. © dpa

"All news is local“ – Bürgerinnen und Bürger interessiert, was vor der eigenen Haustür passiert. Das Geschehen vor Ort zu verstehen, ist angesichts der vielen komplexen Fragen in unserer globalisierten Welt besonders wichtig. Wem der Zugang zum unmittelbaren Lebensumfeld verloren geht, wird sich auch im Rest der Welt kaum mehr zurechtfinden. Wer keine Vorstellung davon hat, wie im Stadtrat der eigenen Kommune Entscheidungen getroffen werden, dem werden sich komplexe Gesetzgebungsverfahren auf Landes- oder Bundesebene oder im Europäischen Parlament erst recht kaum erschließen. Zeitungen sind die Dolmetscher schnelllebiger Entwicklungen – ob im Großen oder im Lokalen.

Für eine Zeitung wie den „Mannheimer Morgen“ mit seinen Töchtern, Regionalausgaben und Lokalseiten bedeutet das zugleich Verantwortung und Chance. Über das Lokale öffnen sie den Blick auf größere Zusammenhänge, liefern Neuigkeiten, ordnen Informationen und Entwicklungen ein und stärken die Urteilsfähigkeit ihrer Leserinnen und Leser.

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Eine vielfältige Medienlandschaft ist für die lebendige Demokratie von zentraler Bedeutung – die Medien üben eine wichtige Mittler- und Kontrollfunktion aus. Ihre Korrespondenten schauen der Politik und der Verwaltung, Kirchen und Gewerkschaften, der Wirtschaft und anderen gesellschaftlichen Akteuren auf die Finger. Und wir wissen aus leidvoller Erfahrung, wie wichtig das ist. Dem Lokal- und Regionaljournalismus kommt zudem die Aufgabe zu, den Zusammenhalt der jeweiligen Region zu stärken.

Einordnung von Fakten

Seit 75 Jahren bedient der „Mannheimer Morgen“ verlässlich seine Leserschaft. In den ersten Jahren nach der Gründung 1946 ging es um den Wiederaufbau von Stadt und Demokratie – die Geschichte der Zeitung spiegelt die Suchbewegungen der Nachkriegsgesellschaft wider. Die jahrzehntelange Erfolgsgeschichte des „Mannheimer Morgen“ erzählt vom Wirtschaftswunder, vom technologischen und sozialen Fortschritt in der mächtigen und traditionsreichen Druckindustrie, von Krisen, Übernahmeprozessen und von den großen Herausforderungen, vor denen Zeitungsverlage angesichts neuer Kommunikationsmittel im 21. Jahrhundert stehen.

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Der gesellschaftliche Wandel, der mit der Digitalisierung und der Globalisierung einhergeht, erfasst auch die Regionalzeitungen. Sie stehen vor denselben Problemen wie die überregionalen Printmedien: dem Leserschwund, rückläufigen Auflagen, sinkenden Anzeigenpreisen und der Konkurrenz durch die Sozialen Medien. Dieser Wettbewerb ist noch nicht entschieden, klar ist aber, dass der klassische Journalismus seine Prinzipien auch in der Online-Welt behaupten und verteidigen muss. Auf den Plattformen der Sozialen Medien mischen sich allzu oft Wahrheiten mit Halbwahrheiten und Lügen – da ist die Einordnung von Fakten die zentrale Herausforderung. Es braucht den klassischen Journalismus mehr denn je, denn er hält recherchierte Inhalte zum Abgleich bereit.

Der „Mannheimer Morgen“ erfüllt zuverlässig, was sein vormaliger Chefredakteur Dirk Lübke einst als handwerkliche Verantwortung des Journalismus bezeichnet hat: Gewissenhaftigkeit in der Recherche und Faktentreue in der Darstellung. Natürlich ist jede Zeitung auf der Suche nach aufsehenerregenden Schlagzeilen; und Ausgaben verkaufen sich gut, wenn sie Sensationen versprechen. Aber es braucht das Bemühen um Wahrhaftigkeit. Dazu gehört, dass Journalisten, die sich zum Erzieher aufschwingen und ideologisch agitieren, gegen die eherne Regel der Trennung von Bericht und Kommentar verstoßen. Sie schaden damit ihrer eigenen Zunft.

In der aktuellen Berichterstattung geht es längst um mehr, als bloß das Informationsbedürfnis einzelner Leserinnen und Leser zu stillen. Eine gute Zeitung kann das Vertrauen in unsere Demokratie stärken. Das ist eine wichtige Aufgabe in der modernen, pluralen Gesellschaft. Denn die Öffentlichkeit zerfällt zunehmend in Teil-Öffentlichkeiten, viele Menschen bewegen sich nur noch in engen Echokammern, in den Filterblasen der Gleichgesinnten. Es erschwert die politische Diskussion, wenn Offenheit und Toleranz für die Meinung des anderen schwinden. Die Kompromissbereitschaft, eine Grundvoraussetzung in der Demokratie, scheint mehr und mehr verlorenzugehen. Das bildet sich in der Lokalpolitik ebenso ab wie auf Bundesebene. Die Medien stehen – wie die politisch Verantwortlichen – deshalb vor der Aufgabe, aufzuklären, demokratische Prozesse nachvollziehbar zu machen und vielleicht sogar Freude zu wecken am Engagement für unser Gemeinwesen.

Der „Mannheimer Morgen“ unterhält auch über seine Lokalausgaben langfristige Bindungen zu seiner Leserschaft. Sie schärfen den Sinn für das Besondere im Verbreitungsgebiet der Blätter, stiften Identität und schreiben Regionalgeschichte. Lokalreporter sind vielerorts unmittelbare Ansprechpartner der Bürgerinnen und Bürger – so hat es auch Werner Holzer erlebt. Der spätere Chefredakteur der „Frankfurter Rundschau“ hatte einst als Reporter beim „Mannheimer Morgen“ angefangen. Dort habe er für seine journalistische Laufbahn dreierlei gelernt: „Zuhören, nachdenken, nichts überstürzen.“ Was betulich klingt und dem Bild vom rasenden Reporter so gar nicht entspricht, ist in Wahrheit der Appell, jeden Interviewpartner ernst zu nehmen, tief zu schürfen und sorgsam zu recherchieren.

Wandel wird weitergehen

Die Zeiten sind schnelllebiger geworden, aber ein weiterer Grundsatz ist geblieben: Zeitungslesen ist Gewohnheitssache. Deshalb muss der Nachwuchs nicht nur umworben, sondern an das Medium Zeitung gewöhnt werden. Schon Werner Holzer pflegte den Austausch mit der jungen Generation. Bis heute ist es in mehrfacher Hinsicht sinnvoll, dass sich der „Mannheimer Morgen“ in Schulprojekten wie etwa den „Klasse Kids“ engagiert, dass er Preise für soziales Engagement ausschreibt und mit der Forschungsgruppe Wahlen kooperiert. Die Bindung an die Leserschaft wird gefestigt, wenn regelmäßig Umfragen zu großen Themen der Region und ein lokales Bürgerbarometer veröffentlicht werden.

„Wo steht der ,Mannheimer Morgen’ in zehn Jahren?“ Das fragte die Redaktion 2016, zum 70. Geburtstag der Zeitung. Die optimistische Antwort war, dass das Gedruckte in Papierform auch in Zukunft erfolgreich sein werde – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Zeitung den Wandel aktiv annehme und verantwortlich gestalte. Das gilt unverändert, auch wenn es selbstverständlich längst ein ausgedehntes Webangebot des „Mannheimer Morgen“ gibt.

Der Wandel wird weitergehen. In diesem Sinne wünsche ich dem Chefredakteur Karsten Kammholz, den Redaktionen und der gesamten HAAS Mediengruppe weiterhin viel Erfolg und Innovationskraft bei der Modernisierung der führenden Zeitungen der Metropolregion Rhein-Neckar. Ich gratuliere dem „Mannheimer Morgen“ herzlich zum Jubiläum!

Dr. Wolfgang Schäuble

Präsident des Deutschen Bundestages

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