Lokalpolitik

Mannheims neuer OB Christian Specht: Das sind seine wichtigsten Themen

Fußball-Stadion, Bibliothek und Verkehr: Der künftige Mannheimer Oberbürgermeister Christian Specht erklärt, wie die finanziellen Spielräume der Stadt von der Zukunft des Klinikums abhängen

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Timo Schmidhuber und Florian Karlein
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Der neu gewählte Oberbürgermeister Christian Specht im Gespräch mit den „MM“-Redakteuren Timo Schmidhuber (l.) und Florian Karlein. © Christoph Blüthner

Mannheim. Herr Specht, die zweite Runde der OB-Wahl war ein regelrechter Krimi. Ein so knappes Ergebnis hat es in Mannheim noch nicht gegeben. Wann haben Sie zum ersten Mal so richtig realisiert, dass Sie am Ziel sind?

Christian Specht: Ich war nicht so überrascht, dass es ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen gibt. Nach der Wahlempfehlung der Grünen für die SPD und dem Aufruf der Linken, mich zu verhindern, war mir schon klar, dass die 15 Prozentpunkte Vorsprung im ersten Wahlgang nichts bedeuten und wir wieder bei Null anfangen.

Hätten Sie sich ein deutlicheres Ergebnis gewünscht, auch für die eigene Legitimierung als Oberbürgermeister?

Specht: Natürlich wünscht man sich immer das beste Ergebnis. Ich war von den 15 Prozentpunkten Vorsprung im ersten Wahlgang positiv überrascht, da hätte ich das Rennen enger erwartet. Aber bei einem zweiten Wahlgang wie diesem mit einer derartigen Mobilisierung auf der Gegenseite ist es klar, dass man da nicht mit riesengroßem Vorsprung gewinnen kann. Aber vielleicht ist es ja so wie damals beim Buga-Entscheid. Der war auch sehr knapp, und heute, wo die Menschen das Ergebnis sehen, würde die Abstimmung sicher viel deutlicher ausfallen.

Das wichtigste Thema ist jetzt nicht die Verkehrsführung in der Innenstadt, sondern die Fusion des Klinikums mit dem Heidelberger Klinikum. Wenn uns die nicht so gelingt, dass wir die finanziellen Konsequenzen im Griff behalten können, werden wir keine finanziellen Spielräume haben - und auch nicht in eine neue City-Verkehrsführung investieren können.

Sie stehen einem grün-rot-rot dominierten Gemeinderat gegenüber. Sie haben gesagt, Sie seien optimistisch, dass bei den Themen, die die Stadt voranbringen, am Ende alle an einem Strang ziehen. Das Problem ist aber, dass es jeweils unterschiedliche Ansichten darüber gibt, was die Stadt voranbringt. Die einen finden es wichtig, die Autos möglichst aus der Innenstadt draußen zu halten, andere wollen, dass man direkt bis vor den Laden fahren kann. Wie kann da eine Lösung aussehen?

Specht: Zunächst einmal muss man schauen, von welchen Aufgaben und Herausforderungen wir reden. Das wichtigste Thema ist jetzt nicht die Verkehrsführung in der Innenstadt, sondern die Fusion des Klinikums mit dem Heidelberger Klinikum. Wenn uns die nicht so gelingt, dass wir die finanziellen Konsequenzen im Griff behalten können, werden wir keine finanziellen Spielräume haben - und auch nicht in eine neue City-Verkehrsführung investieren können. Und beim Thema Klinikum-Fusion gibt es einen breiten Konsens. Man muss also unterscheiden zwischen den großen Themen, die uns langfristig Probleme bringen, wenn sie nicht gut gelöst sind, und den Themen, die zwar wichtig sind, bei denen wir aber selbst in der Hand haben, ob, wann und wie wir diese gestalten und wo uns der Zeitrahmen nicht durch Dritte vorgegeben wird.

Welche finanziellen Belastungen wird die Stadt in den nächsten Jahren durch das Klinikum noch haben?

Specht: Ich kann da erst Näheres sagen, wenn ich als Oberbürgermeister selbst in den Verhandlungen mit dem Land dabei bin. Klar ist aber, dass wir als Stadt auf Jahre hinaus nicht die Verluste des Klinikums ausgleichen können. Sonst werden wir große Probleme bei der Finanzierung von Großprojekten wie zum Beispiel dem Bau einer Stadtbibliothek oder eines Stadions bekommen. Klarheit beim Kliniken-Verbund ist darüber hinaus auch wichtig bei der Frage, wie die Mannheimerinnen und Mannheimer in Zukunft medizinisch versorgt sein werden und wie sich Mannheim als Standort der Medizintechnologie weiterentwickelt. In diesem Bereich haben wir als Stadt ja große Anstrengungen unternommen und viel Geld investiert. Diese Verhandlungen zu einem Verbund zwischen einem kommunal getragenen Universitätsklinikum und einem Landesuniversitätsklinikum sind allerdings extrem komplex. So was gibt es in Deutschland sonst nicht. Wir betreten hier absolutes Neuland.

Gibt es irgendeinen Zeitplan, bis wann eine Lösung gefunden werden soll?

Specht: Nein. Also von uns aus schon: Am liebsten morgen. Oberbürgermeister Peter Kurz hat den ersten Hilferuf ans Land schon vor drei Jahren geschrieben. Aber jeder Monat zählt, auch weil die Mitarbeiter eine Perspektive brauchen.

Apropos Perspektive. Bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr können sich die Mehrheitsverhältnisse im Gemeinderat ändern. Momentan ist Ihre Partei, die CDU, dort ja nur die drittstärkste Kraft. Wie sieht das Ziel für die Wahl 2024 aus.

Specht: Die Ziele der CDU müssen Sie bei der CDU erfragen. Aber ich denke schon, dass die CDU natürlich die Ambitionen hat, den Rückenwind einer solchen OB-Wahl auch politisch zu nutzen, auch gemeinsam mit Mannheimer Liste und FDP.

Wird das bürgerliche Lager dann wieder so geschlossen im Wahlkampf sein? Der FDP-Kreisvorsitzende Konrad Stockmeier hat ja schon angekündigt, auch eigenständige liberale Themen setzen zu wollen.

Specht: Ich störe mich ein bisschen am Begriff des bürgerlichen Lagers, denn das Spektrum der Meinungen ist da auch sehr breit. Das ist eher eine Position der Mitte, die auch anschlussfähig ist für andere Meinungen. Es wird da bei den Parteien sicher auch Profilierungen in der einen oder anderen Frage geben. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Geschlossenheit in den Kernfragen Bestand hat. Aber wie gesagt: Als Oberbürgermeister schaue ich, dass ich alle Mannheimerinnen und Mannheimer mitnehme, gerade vor dem Hintergrund meines Wahlergebnisses. Mein Ziel ist es, dass wir gemeinsam nach Lösungen suchen.

Christian Specht

  • Christian Specht (CDU) ist am 9. Juli zum Nachfolger von Peter Kurz (SPD) als Mannheimer Oberbürgermeister gewählt worden. Sein neues Amt tritt er am 4. August an.
  • Der 56-jährige Jurist ist seit 2007 Erster Bürgermeister und als Dezernent zuständig für Finanzen, Beteiligungsvermögen, IT sowie Sicherheit und Ordnung.
  • Von 1997 bis 2001 war er Referent beim Raumordnungsverband Rhein-Neckar, seit 2001 dessen Direktor und Chef des Regionalverbands Rhein-Neckar-Odenwald und der Planungsgemeinschaft Rheinpfalz. imo

Das eine kritische Finanzthema haben Sie mit dem Klinikum vorhin selbst angesprochen. Das andere ist die Generalsanierung des Nationaltheaters. Was denken Sie, was da noch auf die Stadt an Kosten zukommt? Und wie wollen Sie als Oberbürgermeister damit umgehen?

Specht: Ich werde mir sehr genau anschauen, wo wir bei der Sanierung mit Blick auf die Kosten noch Steuerungsmöglichkeiten haben. Bei der „Oper am Luisenpark“ wird die Frage sein, ob wir dieses Modul-Gebäude nach der Nutzung noch verkaufen können.

Beim Thema Bauen sind wir auch bei der Stadtbücherei. Sie haben im Wahlkampf ja für eine abgespeckte Variante plädiert. Werden Sie dem Gemeinderat eine solche Variante vorlegen?

Specht: Ich habe immer gesagt, dass ich ein großer Freund der Stadtbibliothek bin, auch vor dem Hintergrund meiner eigenen Erfahrungen. Meine Stadtteilbibliothek auf dem Waldhof war ein Ort, den ich gern aufgesucht habe, und ich weiß, welche Bedeutung Bibliotheken gerade in einer Stadt haben, in der wir auch bildungsferne junge Menschen haben. Da ist eine Stadtbibliothek ein wichtiger Baustein für Bildungsteilhabe. Grundsätzlich würde ich auch einen Neubau durchaus begrüßen. Wichtig ist aber: Wir brauchen einen realistischen Weg, um den Anforderungen und Ansprüchen, die wir an eine Stadtbibliothek haben, gerecht werden zu können.

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Was heißt das?

Specht: Wir müssen schauen, dass wir keine unrealistischen Erwartungen wecken bei einem Projekt, bei dem der Kostenrahmen von ursprünglich 30 auf aktuell 80 Millionen gestiegen ist. Tiefgarage ja oder nein, was passiert mit dem Dalbergplatz, was passiert mit dem Stadthaus? Das sind Fragen, die man sich jetzt sauber nochmal anschauen und dann eine realistische Perspektive aufzeigen muss. Es macht keinen Sinn zu sagen, wir machen jetzt einfach mal weiter und irgendwie werden wir die Kosten schon finanzieren können.

Und wie geht’s in Sachen Fußballstadion weiter?

Specht: Auch hier ist meine Position klar, dass wir uns nicht versteifen sollten auf eine Sanierung des Carl-Benz-Stadions. Schon jetzt werden dafür zweistellige Millionenbeträge aufgerufen, mit denen man das Stadion weder wirtschaftlich noch sicher gestalten kann. Da muss man sich dann auch die Frage nach einer langfristig sinnvollen Alternative stellen.

Haben Sie einen Zeitplan im Kopf? Irgendwann muss ja eine Entscheidung fallen, denn wenn man ohnehin neu baut, braucht man ja kein Geld mehr in Sanierungen zu stecken.

Specht: Ich würde jetzt nach Alternativ-Standorten für einen Neubau schauen.

Aber das hat die Stadtverwaltung ja schon geprüft - mit dem Ergebnis, es gebe keine passende Fläche für einen Neubau.

Specht: Das war eine sehr schnelle Prüfung (lächelt).

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Kommen wir zu einem anderen wichtigen Thema im Wahlkampf, zu den Kita-Plätzen. Rund 1500 fehlen aktuell in Mannheim. Was wollen Sie konkret unternehmen, wenn Sie ab 4. August Oberbürgermeister sind?

Specht: Das ist wirklich eine der zentralen Herausforderungen. Wir werden uns schnell mit den freien Trägern zusammensetzen, um zu besprechen, wie wir verhindern können, dass sie weitere Einrichtungen schließen. Gleichzeitig muss es auch darum gehen, wie an anderer Stelle neue entstehen können, zum Beispiel auch Naturkindergärten, wie einer in Neckarau geplant ist. Bei den Gebäuden wollen wir auch das Thema Modulbauweise prüfen. Es geht dabei um die Frage: Wie können wir einen Bautypus für einen Kindergarten entwickeln, bei dem wir die Planungszeiträume und Wettbewerbsverfahren beschleunigen können.

Die Gebäude sind aber oft das kleinere Problem bei Kita-Plätzen. Das größere ist, Personal zu finden.

Specht: Genau. Die Frage ist: Wie kriegen wir schnell qualifiziertes Personal? Da müssen wir die Kapazitäten bei der praxisintegrierten Erzieher-Ausbildung erhöhen, auch für freie Träger. Ein weiterer Ansatz ist, Quereinsteigern die Ausbildung zu finanzieren. Das wären erste, kurzfristige Lösungen. Langfristig müssen wir zum Beispiel überlegen, wie wir die Wertschätzung für den Beruf erhöhen und die Arbeitsbedingungen verbessern - etwa durch Reduzierung der Verwaltungsarbeit, so dass mehr Zeit für die eigentliche Erzieher-Tätigkeit bleibt.

Sie haben gesagt, Sie wollen den Klimaschutz vorantreiben, statt mit Verboten allerdings lieber mit „intelligenten Angeboten“. Wie sollen die aussehen?

Specht: Wichtig ist beim Klimaschutz vor allem das Thema Wärmewende. Denn da können wir schnell große Erfolge erzielen beim Einsparen von CO2. Es wird vor allem darum gehen, dass wir den Menschen Alternativen aufzeigen. Bei der CO2-freien Produktion der Fernwärme sehe ich große Potenziale in der Geothermie. Vielleicht schaffen wir es sogar, einen Standortvorteil für die Ansiedlung von energieintensiven Unternehmen zu schaffen.

Halten Sie es für realistisch, dass Mannheim bis 2030 klimaneutral wird?

Specht: Nach unserem Plan heißt das ja, dass wir im Vergleich zu 1990 dann 80 Prozent des CO2-Ausstoßes reduzieren. Dazu müssen wir jetzt die Dinge angehen, die wir hier lokal in Mannheim und insbesondere auch mit der ganzen Stadtgesellschaft bewegen können.

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

Redaktion Leiter des Redaktionsteams Mannheim

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