Mannheim. Gabriel Höfle, Vorsitzender des Mietervereins, erklärt, warum die Quoten-Regelung in Mannheim nur bedingt hilft, was ihn skeptisch für die Zukunft macht - und warum der Kauf einer Eigentumswohnung an Liebhaberei grenzt.
Herr Höfle, wie würden Sie den Immobilienmarkt hier beschreiben?
Gabriel Höfle: Er ist und bleibt sehr angespannt. In der Tendenz nimmt die Anspannung sogar zu: Auf dem Mietmarkt wird es immer schwieriger, Wohnraum zu finden, den sich große Teile der Gesellschaft leisten können. Und im Eigentumsbereich steigen die Preise noch schneller.
Gibt es Stadtteile, die besonders betroffen oder ausgenommen sind?
Höfle: Nein, weder noch. Das zieht sich durch die ganze Stadt hindurch.
Warum ist es im Eigentums- bereich noch schlimmer?
Höfle: Der Ursprung sind die niedrigen Zinsen, die dazu verlocken, sich Eigentum anzuschaffen. Zudem wird das Ganze durch zuletzt rasant steigende Baukosten und durch Investoren befeuert, die versuchen, ihr Kapital rentabel anzulegen - und dies seit Jahren verstärkt im Wohnungsmarkt tun.
Seit Sommer 2020 gilt in Mannheim aber doch die Mietpreisbremse. Demnach darf die Miete nach einem Wechsel eigentlich nicht um mehr als zehn Prozent über dem Mietspiegel liegen. Hat das die Lage nicht verbessert?
Höfle: Ob und wie die Bremse wirkt, können wir nicht sagen, weil uns dazu die Messinstrumente fehlen. Wir können aber sagen, dass wir fast keine Klagen oder Prüfungen deswegen haben. Umgekehrt ist es teilweise sogar so, dass wir Indizien auf Verstöße haben - und die Mieter trotzdem nicht dagegen vorgehen.
Warum nicht?
Höfle: Aus den unterschiedlichsten Gründen: Manchmal wollen sie ein einigermaßen vernünftiges Verhältnis zum Vermieter bewahren; manchmal kommen sie aus Großstädten, wo die Preise noch höher sind; und manchmal sagen sie: Ich habe den Vertrag ja unterschrieben.
Und wenn die Mieter nichts unternehmen, geschieht auch nichts: Müsste die Bremse staatlich kontrolliert werden?
Höfle: Das ist sehr schwierig, weil es ja Ausnahmen gibt: Wenn die Vormiete schon über dem Mietspiegel lag, greift die Bremse nicht. Obergrenze ist dann die vorherige Miete. Und wenn die Wohnung so aufwendig saniert wurde, dass sie quasi neuwertig ist, darf auch mehr verlangt werden. So etwas können Sie nur im Einzelfall überprüfen. Deshalb wäre eine staatliche Kontrollstelle vermutlich überfordert. Besser wäre es, die Folgekosten von Verstößen so zu erhöhen, dass das Risiko deutlich größer ist als die Rendite, die sich solche Vermieter versprechen.
Durch die Konversionsflächen entstehen in Mannheim rund 10 000 neue Wohnungen. Das muss die Lage doch entspannen, oder?
Höfle: Ich glaube nicht, dass die Konversionsflächen zu einer nennenswerten Entlastung führen werden. Natürlich brauchen wir diese Wohnungen, sie verbreitern das Angebot. Aber die neuen Wohnungen mit gebundenem Mietpreis werden eine relativ geringe Wirkung entfalten. Und die frei Finanzierten werden sogar eher noch zu einer Steigerung der Mietpreise führen.
Das müssen Sie erklären …
Höfle: Schauen Sie sich die Kaufpreise an, die etwa auf Franklin aufgerufen werden: Die sind so hoch, dass Sie, wenn die Wohnungen vermietet werden sollen, dafür Preise verlangen müssen, die deutlich über dem Mietspiegel liegen. Damit heben Sie diesen aber sukzessive an - und dann können alle anderen Wohnungen im jeweiligen Segment - weil der Mietspiegel ja die Orientierungsgröße ist - nachziehen, obwohl sich dort nichts verändert hat. So dreht sich die Spirale immer weiter.
Bringt dann wenigstens die Quote etwas, die die Stadt eingeführt hat, und die besagt, dass ab zehn Einheiten 30 Prozent der Neubauwohnungen preisgünstige Mieten haben müssen?
Höfle: Ja, sie schafft in dem Bereich, den man früher als sozialen Wohnungsbau bezeichnet hat, eine gewisse Entspannung. Eine Breitenwirkung entfaltet die Quote aber nicht: Denn mutmaßlich werden die Investoren die Rendite, die ihnen bei den Quoten-Wohnungen entgeht, auf die anderen draufschlagen.
Wie bewerten Sie die Wohnungspolitik der Stadt insgesamt?
Höfle: Inzwischen durchaus positiv: In den letzten zwei, drei Jahren sind einige richtige Maßnahmen beschlossen worden. Reichen wird das allerdings vermutlich noch nicht.
Was müsste Ihrer Meinung nach noch getan werden?
Höfle: Bund, Land und Stadt müssten deutlich stärker in den Markt eingreifen und auch über andere Finanzierungsmodelle nachdenken. Die Kommune könnte beispielsweise einen revolvierenden Fonds auflegen, der gezielt Gründer von Genossenschaften oder Mietshäuser-Syndikaten bei der Schaffung von preisgünstigem Wohnraum unterstützt, indem er günstige Darlehen zur Verfügung stellt. Durch die Rückzahlungen inklusive Zinsen wird der Fonds dann wieder aufgefüllt und langfristig erhöht. Außerdem sollte die Stadt noch aktiver in die Bodenbevorratung eingreifen.
Was bedeutet das?
Höfle: Dass sie gezielt Wohnhäuser kaufen sollte - so, wie sie das über die GBG beispielsweise schon im Jungbusch oder der Neckarstadt-West getan hat. Das müsste noch wesentlich stärker geschehen - und idealerweise in ganz Mannheim.
Sie glauben also nicht, dass sich die Lage von selbst entspannt?
Höfle: Nein. Die Nachfrage ist ununterbrochen hoch, der Neubau kommt nur bedingt hinterher - zudem ist durch den Bauboom und die Rohstoffproblematik alles mit horrenden Kosten verbunden. Zukünftig ist mit zusätzlichen Kosten für die Klimaanpassung zu rechnen. Ich sehe daher für den freien Mietwohnungsmarkt kurz- und mittelfristig keine Entspannung, eher das Gegenteil. Vielleicht wird es im Eigentumsmarkt eine Wende geben, wenn sich die Zinspolitik ändert: Bei den aktuellen Preisen lohnt es sich ja kaum, eine Eigentumswohnung zu kaufen - das grenzt an Liebhaberei.
Haben Sie dennoch einen Tipp für Wohnungssuchende?
Höfle: Bei Mietwohnungen hilft eigentlich nur noch aktives Suchen: Also selbst Anzeigen schalten, im Freundeskreis nachfragen und im Zweifelsfall an der Straße oder in Geschäften Zettel aufhängen. Denn bei den Anzeigen der Vermieter im Internet ist in der Regel schon alles eingepreist, was der Markt hergibt.
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