Ludwigshafen. Das helle und moderne Gebäude allein verrät noch nicht, mit welch besonderem Wohnprojekt man es hier im Herzen des Ludwigshafener Stadtteils Oggersheim zu tun hat. Keine Frage, das Haus mit den großen Balkonen im rückwärtigen Bereich, dem offen und grün gestalteten Hof, dem Hinterhaus mit 80 Quadratmeter großer Terrasse und der unmittelbaren Lage neben dem historischen Schillerhaus ist ein Hingucker. Doch was das Ganze wirklich von anderen Neubauprojekten abhebt, zu etwas Außergewöhnlichem macht, das ist die Idee dahinter. Und die Bewohnerinnen und Bewohner, die diese Idee in den vergangenen Jahren mit viel Leidenschaft verwirklicht haben.
„Wohnen mit Freu(n)den“ heißt das Projekt, für das sich bereits im Jahr 2012 vier Oggersheimer Ehepaare zusammengeschlossen hatten. Ihre Vision: Ein gemeinsames Domizil schaffen, in dem sie zusammen alt werden können, und eben nicht jeder einsam für sich. Es wurde eine Kommanditgesellschaft (KG) gegründet, in die jedes Mitglied aus dem eigenen Vermögen eine Einlage tätigte. Das Gesamtprojekt kostete rund 2,5 Millionen Euro. Zunächst wurde das Grundstück neben dem Schillerhaus erworben und die darauf befindlichen Gebäude ab 2017 abgerissen. Der Grundstein wurde im Sommer 2018 feierlich enthüllt. Etwas mehr als ein Jahr danach erfolgte der Einzug.
Bereich mit Küche und Sauna
„Wir haben ein Wohnhaus mit acht Wohnungen zwischen 65 und 85 Quadratmetern“, berichtet Ralf Jung, einer der Initiatoren des Projekts. Sie alle sind barrierefrei und über einen Aufzug erschlossen. Im rückwärtigen Bereich schließt ein Hofgarten an, dahinter befinden sich Stellplätze für Autos, die von einer großen Terrasse überdacht sind. Die Terrasse ist mit einem Nebengebäude verbunden, unter dem sich die Durchfahrt zum Hof sowie eine Fahrradgarage befinden. In dem Nebengebäude sind auf mehr als 100 Quadratmetern Gemeinschaftsräume für alle Bewohner eingerichtet, ein Wohnbereich, eine Küche und eine Sauna. Dieser Bereich ist gewissermaßen das Herzstück des Projekts „Wohnen mit Freu(n)den“.
„Alle drei Wochen kochen wir hier gemeinsam, ebenfalls alle drei Wochen gibt es ein gemeinsames Frühstück“, berichtet Jung. In einer Ecke stehen zwei Sofas zum gemütlichen Beisammensein. „Die Einrichtung ist noch nicht ganz abgeschlossen. Wir wollen etwa noch einen Fernseher aufstellen“, sagt der 57-Jährige.
Alle Mitglieder des Projekts kommen aus Oggersheim. Das jüngste Paar ist Mitte 50, die älteste Bewohnerin 84 Jahre alt. Wer Teil der Kommanditgesellschaft wird und in eine Wohnung einzieht, entscheiden allein die Mitglieder. Derzeit sind alle Wohnungen vergeben. „Ich wohne hier mit Menschen, mit denen ich auch wirklich zusammenleben will. Ich weiß also, worauf ich mich einlasse“, erklärt Wolfgang Fuchs-Lambrix (77), der mit seiner Frau in das Vorhaben eingestiegen ist. Die zwölf Bewohnerinnen und Bewohner seien mehr als Nachbarn, die einfach nebeneinander vor sich hin leben. „Man steht sich wohlwollend gegenüber und unterstützt sich gegenseitig“, sagt er. Und auch für die 75-jährige Elke Adamy ist die Antwort auf die Frage, warum sie bei „Wohnen mit Freu(n)den“ mitmachen wollte, ganz klar: „die Gemeinschaft“.
Ausgebremst wurde das Projekt von der Pandemie. „Das ging ja ein halbes Jahr nach unserem Einzug los. Vom Enthusiasmus, zusammenzuziehen und alles tun zu können, war urplötzlich nur noch wenig übrig“, berichtet Jung, der selbst schwer an Covid-19 erkrankt war. An gemeinsame Unternehmungen war lange nicht zu denken. „Dennoch haben wir uns das eine oder andere einfallen lassen“, so Jung. An Weihnachten sei etwa ein Gottesdienst auf den Balkonen gefeiert worden mit Musik und Liedern. Und auch einen kleinen Weihnachtsmarkt habe es gegeben. „Wir haben auf den Balkonen Glühwein getrunken, und im Garten hat einer Würstchen gegrillt. Mit dem Aufzug wurden diese dann zu den Bewohnern geschickt.“
Streits werden schnell beigelegt
Damit die Kosten nicht ausufern, haben die Bewohner schon beim Bau viel selbst mit angepackt. Die Keller und die Terrasse seien überwiegend in Eigenarbeit gefertigt worden. Was die Energieversorgung angeht, so ist das Wohnprojekt teilweise völlig autark dank eines Blockheizkraftwerks im Keller. Dieses produziert Strom, die Abwärme wird für Warmwasser und Heizung genutzt.
Alltägliche Streitigkeiten gibt es natürlich auch unter den zwölf Bewohnern. Diese werden aber schnellstmöglich am großen Tisch ausgeräumt. „Auch das gehört zu einer Gemeinschaft dazu, solche Situationen zu meistern. Jeder soll hier möglichst seine Stärken einbringen“, sagt Jung. Der Zusammenhalt soll auch bis ins hohe Alter anhalten. Wird ein Bewohner krank, so helfen ihm die anderen. Und auch Pflegebedürftige sollen so lange wie möglich in ihren Wohnungen bleiben können. „Mein Wunsch ist es, hier zu sterben“, sagt Jung. Unter Freunden.
„Wohnen mit Freu(n)den“
Der dreistöckige Neubau in Oggersheim hat rund 2,5 Millionen Euro gekostet. Er war im Sommer 2019 bezugsfertig.
Die acht Wohnungen sind zwischen 65 und 85 Quadratmeter groß. Über einen Aufzug sind sie barrierefrei erreichbar. Derzeit sind alle Wohnungen vergeben.
Als Rechtsform für das Wohnprojekt wurde eine Kommanditgesellschaft (KG) gewählt. Mitglieder leisten mit ihrem Vermögen eine Einlage und erhalten ein Wohnrecht.
Im Todesfall wird die Einlage vererbt. Ob der Erbe auch das Wohnrecht erhält, darüber entscheidet die KG. Andernfalls wird er ausgezahlt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen_artikel,-ludwigshafen-wohnen-mit-freunden-in-oggersheim-hier-sind-die-bewohner-mehr-als-nur-nachbarn-_arid,1907994.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/ludwigshafen.html