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400 Jahre alte Tabakscheune in Viernheim als Wohnhaus

Von 
Martin Schulte
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Die Verwandlung der Luisenstraße 17: vorher – nachher. © Roland Träger

Viernheim. Wer durch dieses eiserne Hoftor geht, macht den Schritt in eine andere Welt. Viernheim, Luisenstraße, gepflegte Ein- und Zweifamilienhäuser, gesetzteren Baujahrs zumeist, Gehweg und Straßenrand tipptopp sauber. Eine typische Wohnstraße im Viernheimer Stadtkern. Absolut unauffällig. Auch vor Hausnummer 17 will so gar nichts vermuten lassen, was sich dort verbirgt, zu sehen ist zunächst nur die Front einer großzügigen Doppelgarage. Und das große Hoftor. Wir vernehmen den Summer und reiben uns die Augen. Dem Besucher kommt ein langes Wow über die Lippen. Den Hausherrn macht das stolz. Der namhafte Viernheimer Architekt hat eine über 400 Jahre alte Tabakscheune zum Wohnhaus gemacht. Zu was für einem.

Aber gemach, noch stehen wir davor. Unverzüglich ist Entspannung spürbar. Das Plätschern aus der eiserner Brunnenschale verströmt Behaglichkeit. Dahinter ein Freisitz, er befindet sich zwischen dem Garagenneubau und der Tabakscheune. Im Rücken haben wir den alten Saustall. Dessen Fassade wurde freigelegt, ansonsten blieb er so, wie er war. Ein Baum und Sträucher machen das Idyll perfekt.

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Viernheimer Tabakscheune zum Wohnen

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„Wasser ist Leben“, sagt Roland Träger. „Und die Vögel kommen hierher, sie trinken aus dem Brunnen und baden darin.“ Der Hausherr liebt die Natur, das soll noch deutlicher werden.

Nun also hinein in das alte Gemäuer. Den Besucher empfängt eine wunderbare Kombination aus alt und neu. Die Wände der Scheune sind innen wie außen freigelegt, die Steine und die alten Originalbalken atmen Vergangenheit. Die neuen Stahlträger für die Stabilität, die Aluminiumverkleidungen und Fensterrahmen sind in dunklem Grau gehalten. Der dezente, hellgraue Fußboden in Betonoptik raubt dem beeindruckenden Interieur keine Aufmerksamkeit. Diese neuen Elemente verströmen Modernität und fügen sich fließend in das Historische ein.

Dem Architekten war es wichtig, so viel wie möglich von der Substanz zu erhalten. Nicht nur wegen des Denkmalschutzes, auch wegen der Authentizität. Alles ist sehr stylish hier, die Möbel und Materialien sind hochwertig und gediegen, aber wohltuenderweise begegnet einem keine Protzigkeit. Offenkundig ist Roland Träger keiner, der Wohlstand demonstrieren muss.

Er zeigt uns ein Foto von der Scheune, bevor er sie saniert, um- und angebaut hat. Da ist ein sehr kleines Gebäude zu sehen, etwas in sich zusammengefallen, in das sich der Zahn der Zeit längst fest verbissen hatte. Jetzt sitzen wir am Esstisch mitten im Erdgeschoss. Die Höhe zur Decke darüber beträgt über vier Meter. Dieses Hutzelhäuschen von einst entfaltet nach seinem Wachküssen ein beachtliches Raumgefühl.

„Ich will es dreidimensional“, sagt Träger auf die Frage, wie er das hinbekommen hat. Heißt? „Ich will, egal, wo ich mich befinde, mehrere Ebenen des Hauses sehen können, ich will auch in mehrere Richtungen nach draußen schauen können.“ Er veranschaulicht das zum Beispiel im Treppenhaus. Wir stehen unten, und der Blick nach oben reicht bis unters Dach.

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Er habe das Glück gehabt, dass der Bebauungsplan einen Anbau ermöglicht hat. Der schmiegt sich in moderner Ausführung an den Altbau an, nicht störend, eher als gelungene Ergänzung. Hier hat der Architekt Schlafzimmer, Bad inklusive Sauna und Dachterrasse untergebracht. Das lässt natürlich erst recht Platz im Altbau.

Nach draußen schauen können wir im Esszimmer durch drei große Glastüren und im Wohnzimmer durch ein riesiges, raumhohes Übereckfenster. Als die Sonne sich kurz blicken lässt, ist das ganze Haus von Licht durchflutet. „Auch Sonne ist Leben“, sagt Träger. Im Garten wiegen sich große Pflanzen im Wind, im Sommer spenden sie Schatten und schirmen die Terrasse vom angrenzenden Rathausparkplatz ab. Auch im Garten sprudelt ein Brunnen. Pflanzen und frische Blumen prägen auch die Innenräume. Und Gemälde. Roland Träger scheint sich bewusst mit Freudenspendern umgeben zu haben. „Ja“, sagt er, „so ist es“.

Der Besucher kann sich kaum sattsehen, ganz gleich, wo er gerade sitzt oder steht. Da wird peu à peu eine große Liebe zum Detail erkennbar. Nehmen wir nur die Tabaklöcher. Das sind schießschartengroße Lüftungsschlitze, die zum Trocknen der Tabakblätter da waren. Der Hausherr hat sie nicht gänzlich verschwinden lassen, sondern kleine Aussparungen zurückgelassen, die den Altzustand nachempfinden. Darin stehen kleine Bilder und Figuren.

Sieben Scheunen saniert

Hat der Bewohner einen Lieblingsplatz innerhalb oder außerhalb seiner vier Wände? Roland Träger überlegt - und beginnt aufzuzählen. „Der Esstisch hier, da frühstücke ich und lese den Südhessen Morgen. Meinen Sessel oben, in dem ich morgens die Bibel lese und meditiere. Die Dachterrasse, auf der ich wunderschöne Sonnenuntergänge erlebe. Der rote Sessel auf der Terrasse im Garten, von dem aus ich dieses wunderbare Kleinod betrachten kann.“ Alles in allem? „Das ganze Haus gibt mir Geborgenheit. Es ist meine Wohlfühloase.“ Und: „Ich würde heute nichts anders machen.“

Träger hat in Viernheim inzwischen sieben Tabakscheunen saniert und umgebaut. Der große Charme: Sie alle sind Unikate, absolut individuell. Bewohnbare Tabakscheunen gibt es nicht im Reihenhausmodus. Die Stadt war ehemals ein Dorf geprägt von Landwirtschaft und vor allem Tabakanbau. Der Unternehmer schätzt, dass in Viernheim noch 50 bis 60 weitere, mehr oder weniger ungenutzte Scheunen stehen. Hier sieht er Potenzial, um Wohnraum zu schaffen. „Wir müssen die Innenstadt viel mehr verdichten, statt Neubaugebiete am Rand zu erschließen.“

Dass ein solches Projekt nichts für schmale Geldbeutel ist, will er nicht verhehlen. „Eine alte Tabakscheune zu sanieren, kann schnell teurer werden als ein Neubau.“ So ist Gemäuer trocken zu legen und zu halten, und es ist für Stabilität zu sorgen, um nur zwei Aspekte zu nennen. „Aber wenn einem das Grundstück bereits gehört, hat sich schon eine große Summe erledigt.“

Auf dem Weg zurück zum großen eisernen Hoftor lassen wir uns Zeit. Das Plätschern aus der Brunnenschale - umrahmt von den historischen Mauern - hat etwas wirklich Ehrwürdiges.

Redaktion Reporter.

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