Mannheim. Um 10 Uhr müssen doch noch ein paar Stühle geholt werden: Die bereits vielen Sitzgelegenheiten im Katholischen Gemeinde- und DJK Sportzentrum St. Laurentius reichen da schon nicht mehr aus. Das Interesse der CDU Mannheim an ihrem Bundesvorsitzenden Friedrich Merz an diesem Samstag ist groß.
Der Wahlkampf ums Rathaus befindet sich schließlich auf der Zielgeraden und so setzt der Kandidat von CDU, FDP und ML, Christian Specht, für die letzten Tage noch auf prominenten Rückenwind aus Berlin.
Bereits unter der Woche war dieses Vorhaben in Mannheim auch auf Kritik gestoßen - bei der SPD sogar noch am Samstagmorgen. "In allen wichtigen Politikfeldern" sei die Union unter Merz „deutlich nach rechts gerückt“, teilt Isabel Cademartori, Bundestagsabgeordnete und stellvertretende Kreisvorsitzende, mit. „Dass jemand, der fast ausschließlich Politik mit Ressentiments macht, als Wahlkampfhilfe für den konservativen OB-Kandidaten in eine moderne Metropole wie Mannheim geholt wird, spricht Bände.“
CDU hat in Stuttgart und Berlin gewonnen
In der Halle in Käfertal ist von der Kritik nichts zu spüren. Mit Musik und Klatschen werden Specht und Merz empfangen. Beiden spenden die Zuhörerinnen und Zuhörer auch nach ihren Reden langen Applaus und Standing Ovations. Auch Kreisvorsitzender Christian Hötting hatte zuvor eine emotionale Wahlkampfrede gehalten.
Die CDU sei wieder in der Lage, für die bürgerliche Mitte „Großstädte mit besonderen Herausforderungen“ zu gewinnen, begrüßt Specht seinen Bundesvorsitzenden. Zuletzt hatte die CDU auch Wahlen in Stuttgart und Berlin für sich entschieden. Specht verweist auf sein Programm, das unter anderem „auch die Wirtschaft zentral in den Vordergrund“ stellen, den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen fördern und beim Klimaschutz statt auf Verbote auf Freiheiten setzen will.
„Wir sind überzeugt, dass wir momentan unter unseren Möglichkeiten regiert werden“, sagt er mit Blick auf Mannheim - und ebnet damit auch thematisch das Feld für Merz. Der hat als Oppositionsführer im Bundestag qua Amt einen kritischen Blick auf den Kurs der Bundesregierung - und macht daraus auch in Käfertal in einer knapp 50-minütigen frei gehaltenen Rede keinen Hehl.
Es stehe „völlig außer Frage“, dass Deutschland Menschen aus der Ukraine weiterhin helfen müsse. „Da zeigt sich Deutschland wirklich von seiner allerbesten Seite“, sagt er. Bei aller Humanität seien aber die Möglichkeiten der Aufnahme von Geflüchteten begrenzt. „Die Ordnung droht uns verloren zu gehen.“ In einigen Städten und Gemeinde seien die Fähigkeiten, „zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen“, bereits erschöpft.
„Wenn die Bundesregierung nicht dazu bereit ist, klar und deutlich zu sagen, dass die Zahl nach Deutschland kommender Flüchtlinge begrenzt werden muss, sie schon an der Grenze ist und in vielen Städten und Gemeinden schon jetzt zu viele sind, ist das Wasser auf die Mühlen der politischen Extreme.“
Immer wieder will sich der Bundesvorsitzende der CDU von der AfD abgrenzen. So nehme er die Rolle des Oppositionsführers gerne an. „Es ist besser, wenn wir das machen, als dass es jemand von der AfD ist.“ Gleichzeitig sagt er, öffentlich würden sich „viele“ Menschen aus Angst vor sozialen Konsequenzen nicht mehr trauen, die Migrationspolitik zu kritisieren. Kritik, die jahrelang vor allem auch von der AfD zu hören war.
Ampel für AfD-Hoch verantwortlich
Die Schuld an deren Umfragewerten sieht Merz indes bei der Ampel. Wenn die an ihrem „autoritär, von oben herab“ geprägten Stil festhalte, „dann trägt die Koalition allein die Verantwortung dafür, dass wir eine solche Gefährdung der Extreme haben“, sagt Merz, der sich selbst Vorwürfen ausgesetzt sieht, rhetorisch um Wählerinnen und Wähler am rechten Rand zu buhlen.
In Käfertal erntet er während seiner Rede immer wieder großen Beifall. Der Vorsitzende der Unionsfraktion wehrt sich gegen die Behauptung, die Opposition in Berlin arbeite destruktiv und begründet das mit zahlreichen Gesetzesvorschlägen, die die Ampel aber abgelehnt habe.
Mit Blick auf Diskussionen ums Gebäudeenergiegesetz - auch als Heizungsgesetz bekannt - spricht Merz von einer „Regierung im Panik-Modus“. Zwar gebe es „genug Grund für Besorgnis“ und man müsse sich bei der Bekämpfung des Klimawandels „gewaltig anstrengen“, sagt er. „Es gibt aber keinen Grund zur Panik und vor allem keinen Grund zu Pessimismus, dass wir das nicht doch schaffen können.“ Schließlich sei ja noch bis 2045 Zeit, um Maßnahmen umzusetzen.
Gute Stimmung in der Halle
Dabei müsse man neben der Bevölkerung vor allem auch die Wirtschaft mitnehmen - und dürfe nicht gegen beide Gruppen arbeiten, sagt Merz und verweist auf die Metropolregion als eine der wirtschaftlich erfolgreichsten der Republik. „Wenn wir Industrieland bleiben wollen, können wir den Klimawandel nicht gegen die Industrie, gegen die Ingenieure und gegen die Wissenschaft lösen.“
Merz bekennt sich abschließend zum Öffentlich-Rechtlichen, kritisiert aber, dass der Rundfunk erziehe statt informiere und mit jeder Nachrichtensendung, in der gegendert wird, der AfD Stimmen bringe.
Thematisch findet Merz zwar selten Bezug zu Mannheim und Oberbürgermeisterkandidat Specht. Der Stimmung in der Halle tut das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil.
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