Mannheim. Im Kulturzentrum Alte Feuerwache wurde die regenbogenfarbene Fahne gehisst: Obwohl im Freien schönstes Sommerwetter lockte, fanden zahlreiche Besucher den Weg in das ehemalige Spritzenhaus, um dort einer Podiumsdiskussion mit fünf Kandidaten der in zwei Wochen stattfindenden Oberbürgermeisterwahl beizuwohnen, über das Thema "Queere Zukunft in Mannheim".
Unter dem englischen Begriff "Queer" versammeln sich alle Menschen, die offen homosexuell leben oder nicht normativen Geschlechtsidentitäten entsprechen. Als sexuell variationsreiche Lebensentwürfe. In diesem Zusammenhang erfährt das Wort "Sichtbarmachung" eine vermehrte Nutzung. Damit sich betreffende Personen nicht verstecken müssen.
Mannheims Gesellschaft in sieben Jahren?
"Wir haben ein gehöriges Wörtchen mitzureden", betonte Moderator Uwe Hörner, der selbst der queeren Gemeinschaft angehört. Es war eine Veranstaltung des Queeren Zentrums Mannheim (QZM) und des offenen Netzwerks LSBTTIQ. Nach der Podiumsdiskussion schloss sich eine Frage-Antwort-Runde mit dem Publikum an.
Wie soll die Stadtgesellschaft Mannheims im Jahre 2030 aussehen? In Bezug auf diese Frage wagten die fünf OB-Kandidaten Isabell Belser (Die Linke), David Frey (parteilos), Christian Specht (CDU), Raymond Fojkar (Bündnis90/Die Grünen) und Thorsten Riehle (SPD) einen Blick in die Zukunft. "Wir brauchen mehr Akzeptanz für die queere Community", unterstrich die linke OB-Kandidatin Isabell Belser, die beruflich als Pflegekraft im Ludwigshafener Klinikum arbeitet. "Es wäre mir ein Anliegen, wenn dafür alle in einem Boot sitzen, für ein gutes Leben", zeigte sich Belser versöhnlich.

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Ebenso hofft Christian Specht, der Kandidat für die CDU, der auch von Mannheimer Liste und FDP unterstützt wird, auf eine weltoffene und zunehmend pluralistische Gesellschaft. In dieser Hinsicht möchte Specht auf dem Christopher Street Day Rhein-Neckar (CSD), der am 12. August wieder seine Bahnen durch die Mannheimer Innenstadt ziehen wird, nicht ständig dieselben Politiker antreffen. Für ein breiteres Interesse am CSD in sämtlichen politischen Fraktionen. "Wir haben einiges getan, es reicht aber nicht aus.
Der Christopher Street Day ist eine wichtige Wirkungsziffer", hob CDU-Politiker Christian Specht hervor, der im Stadtteil Waldhof aufwuchs. Außerdem strebt Specht die Schaffung von zusätzlichen Beratungsangeboten an.
Äußerst kurzfristig und buchstäblich in letzter Minute ließ sich Sozialpädagoge David Frey parteilos für die Wahl zum Oberbürgermeister aufstellen. "Ich finanziere meinen Wahlkampf aus privaten Mitteln", erläuterte Frey, der in Pirmasens aufwuchs und von April 2022 bis April 2023 beruflich als Jugendstreetworker im Quartiermanagement Neckarstadt-West tätig war.
Kandidat Frey: "Wissen, wo es Hilfe gibt"
Als junger Erwachsener von knapp 19 Jahren hatte David Frey sein Coming-out als homosexueller Mann. "Ich habe Szene-Erfahrung von über 30 Jahren", schilderte er, dem das Thema Jugendarbeit eine Herzensangelegenheit ist. Im letzten Jahr arbeitete der 58-Jährige an einzelnen Tagen im Jugendhaus Erlenhof und im JUZ Mannheim, um den dortigen Teenagern verbesserte Techniken im Tischtennisspiel und im Billard beizubringen.
"Man muss Hilfe leisten, aber auch wissen, wo man Hilfe bekommt", führte der parteilose Kandidat Frey in Bezug auf das Thema LGBTQ+ aus. Diese aus der englischen Sprache stammende Abkürzung steht für Lesbian, Gay, Bisexual, Transgender and Queer, also für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Menschen, die in einem geschlechtlich für sie fremden Körper zur Welt kamen und das Geschlecht wechseln möchten. Das Pluszeichen dahinter symbolisiert weitere vielfältige Geschlechtsidentitäten.
Für Reformen bezogen auf regenbogenfarbene Lebensmodelle sprach sich zudem SPD-Kandidat Thorsten Riehle aus. "Wir müssen den Begriff der Familie erweitern", sagte Riehle, der letztes Jahr seinen Ehemann Markus Schwarz-Riehle geheiratet hat. Während der Diskussion hakte immer wieder Moderator Uwe Hörner nach, um fragend nachzufassen und die OB-Kandidaten zu genaueren Statements zu drängen. "Ich bin noch nicht ganz überzeugt, was ich bisher gehört habe", zweifelte Moderator Hörner, der gelegentlich den Satz "Können Sie das noch konkreter erklären?" einbrachte.
In seinem Beruf als Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie habe der grüne OB-Kandidat Raymond Fojkar häufig mit transsexuellen Heranwachsenden zu tun. "Wenn es um das Ausstellen von Ausweispapieren geht, trifft man auf Mitarbeiter, die kein Verständnis dafür haben", bedauerte Fojkar. Zudem debattierten die Teilnehmer das Thema Sicherheit, wenn sich LGBTQ-Menschen psychischer und körperlicher Gewalt ausgesetzt sehen.
Queere Zentrum Mannheim wirbt für sich
Eine frühe Aufklärung über das Thema Homosexualität und alles, was darüber hinausgeht, wünscht sich Linkenpolitikerin Isabell Belser, im Schulunterricht. Hin und wieder erklang verhaltener Applaus im Publikum, euphorischer Jubel durften jedoch hauptsächlich die beiden OB-Kandidaten Thorsten Riehle und Isabell Belser entgegennehmen. Als erfahrene Altenpflegerin wünscht sich Isabell Belser einen queeren Seniorentreff. Denn queere Menschen gebe es in allen Altersschichten.
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Zwischendurch trat Andrea Chagas, ein Beiratsmitglied des Queeren Zentrums Mannheim (QZM), auf die Bühne, um die soziale Arbeit ihrer seit 2019 bestehenden Einrichtung vor Augen zu führen. "Das Queere Zentrum erstreckt sich auf zwei Etagen im Quadrat G7,14. Wir haben ein Café und organisieren Kulturveranstaltungen und bieten Beratung für Unternehmen an", erläuterte QZM-Mitglied Andrea Chagas, die Sprachwissenschaftlerin für Spanisch ist.
Gegenwärtig sucht das Queere Zentrum passenden Baugrund für ein größeres Gebäude als Life-Cycle-Haus mit Kindertagesstätte für queere Menschen und Wohnungen. Darüber hinaus präsentierte Vorstandsmitglied Angela Jäger den Verein Psychologische Lesben- und Schwulenberatung Rhein-Neckar, der in der Max-Joseph-Straße sitzt.
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