Ludwigshafen. In Ludwigshafen ist es am Dienstag zu einer überraschenden Entwicklung im laufenden Oberbürgermeisterwahlkampf gekommen. Anlass war eine Sitzung des Wahlausschusses unter Vorsitz der amtierenden Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck (parteilos), die nicht mehr zur Wahl am 21. September 2025 antreten wird.
Was ist passiert?
Der AfD-Bewerber Joachim Paul ist nicht zur Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen zugelassen worden. Wie der dort anwesende unabhängige OB-Kandidat Martin Wegner im Nachgang dem „Mannheimer Morgen“ berichtete, sei Paul mit dem Stimmenverhältnis von 6:1 abgelehnt worden.
Was sind die Gründe dafür?
„Hintergrund sind Zweifel daran, dass der Bewerber die gesetzlich vorgegebenen Anforderungen erfüllt“, schrieb eine Sprecherin der Stadt Ludwigshafen. „Konkret geht es dabei um die Frage, ob der Bewerber die Gewähr dafür bietet, dass er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt.“
Dazu hat Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck als Wahlausschussvorsitzende ein seitenlanges Papier aus dem Innenministerium vorgelesen, das die verfassungsgefährdenden Aktivitäten Pauls in den letzten fünf Jahren eindrücklich dargelegt habe, so Wegner. Wie diese Redaktion am Dienstag berichtet hat, pflegt Joachim Paul seit Jahren Kontakte zu rechtsextremen Netzwerken - zum Teil über Deutschland hinaus.
Auch im Gutachten des Bundesverfassungsschutzes, das die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, ist Pauls Name mehrmals genannt. Zum Beispiel in einer Diskussion um Muezzinrufe in Köln. Paul schüre im Internet Ängste gegenüber Menschen muslimischen Glaubens. Paul wird dort zitiert: „Der Ruf des Muezzins ist eine Demonstration der Macht, er wird von islamistischen Gemeinden zudem als Aufruf zur Durchsetzung einer islamistischen Gesellschaft auf deutschem Boden betrachtet.“
Dass der bisherige OB-Kandidat eine „Messe des Vorfelds“ - ein Treffen rechtsextemer Organisationen außerhalb des Parteienspektrums - abgehalten habe, erwähnt der Verfassungsschutz ebenso. Dort wird diese Messe als Beleg für die enge Kooperation zwischen AfD und neurechten Bewegungen gesehen.
Wer hat über das Aus des AfD-Kandidaten entschieden?
Im Wahlausschuss vertreten sind die Oberbürgermeisterin, je zwei Vertreter von SPD und CDU und je ein Vertreter von FWG und FDP. In den sozialen Netzwerken haben Kommentatoren am Dienstag vor allem ironisch gelästert, weil sie die Vermutung teilten, dass das ein abgekartetes Spiel der sogenannten etablierten Parteien sei. Diese hätten sich auf solche Weise eines ernsthaften Konkurrenten entledigt, so der Tenor. Dem ist nicht so. Die AfD ist in dem Ausschuss nicht dabei, weil sie nach Darstellung der Ludwigshafener Stadtverwaltung nicht rechtzeitig entsprechende Vertreter benannt hat. Martin Wegner, selbst OB-Kandidat, sagte zum „MM“, dass die Abstimmung mit 6:1 geendet habe. Den Vorsitz des Wahlausschusses führt OB Jutta Steinruck, die aus der SPD ausgetreten ist.
Ist ein solcher Vorgang üblich?
Ein Wahlausschuss ist ein Gremium, das für die Vorbereitung, Durchführung und Überwachung von Wahlen zuständig ist. In den vergangenen Monaten kam es in deutschen Gemeinden und Städten immer öfter zu Beschlüssen, die AfD-Kandidaten von den jeweiligen Wahlen ausschlossen. Zuletzt im nordrhein-westfälischen Kreis Lippe. Dort hat der Wahlausschuss einen AfD-Bewerber für die Kommunalwahl abgelehnt. Der Bewerber biete nicht die Gewähr, „jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung einzutreten“, hieß es auch dort zur Begründung.
Wie reagiert AfD-Kandidat Joachim Paul?
Der Redaktion des „Mannheimer Morgen“ gegenüber wollte sich AfD-Bewerber Joachim Paul nicht äußern. Der Deutschen Presse Agentur (dpa) teilte er mit: „Wählen bedeutet Auswählen. Unter verschiedenen Kandidaten.“ Genau das werde nun verhindert. Weiter sagte er: „Die Wähler in Ludwigshafen und alle jene, die auf grundsätzlichen Wandel hofften und ihn mit der Wahl der AfD verbunden haben, sind heute um ihre Stimme betrogen worden.“ Wer immer am Ende Oberbürgermeister werde, derjenige habe das Amt dann einer undemokratischen Wahl zu verdanken. Dem SWR gegenüber sagte Paul, dass er sich juristisch gegen die Entscheidung wehren werde.
Der 55-jährige Joachim Paul ist Lehrer, kommt aus Koblenz und gilt als einer der schärfsten Redner in der AfD-Fraktion im Landtag in Mainz. Paul ist seit 2013 Mitglied der AfD und 2016 in den Landtag eingezogen. Bei der Landtagswahl 2021 schielte Paul zunächst auf die Spitzenkandidatur der AfD, zog dann aber zugunsten von Michael Frisch zurück.
Wer ist noch im Rennen um das Oberbürgermeister-Amt?
Abgelehnt wurde im Wahlausschuss auch der Bewerber der weitgehend unbekannten Mannheimer Gruppierung „Schützt die Autos“. Kandidat Cem Ali Caglayan hat offensichtlich nicht die 250 erforderlichen Unterstützer-Unterschriften liefern können, die Bewerber benötigen, um antreten zu dürfen. Nach jetzigem Stand besteht das Feld der OB-Kandidaten daher nur noch aus vier Personen. Für die SPD kandidiert Jens Peter Gotter, für die CDU Klaus Blettner. Martin Wegner ist zwar SPD-Parteimitglied, tritt aber als Unabhängiger an. Michaela Schneider-Wettstein komplettiert das Quartett für Volt. Rund 122.000 Menschen sind wahlberechtigt. Sollte am 21. September kein Kandidat und keine Kandidatin mehr als die Hälfte der gültigen Stimmen erhalten, findet am 12. Oktober eine Stichwahl statt. (mit dpa)
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar AfD-Kandidat ohne Scheu