Das Wichtigste in Kürze
- Michaela Schneider-Wettstein kandidiert für Volt in Ludwigshafen.
- Ihre Themen sind Stadtbegrünung und bezahlbarer Wohnraum.
- Sie setzt auf Innovation und soziale Integration.
Ludwigshafen. Frau Schneider-Wettstein, sowohl Sie selbst als auch Ihre Partei Volt sind vergleichsweise unbekannt. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?
Michaela Schneider-Wettstein: Als unbekannt würde ich uns jetzt nicht bezeichnen. Wir haben mehr als 160 Mandatsträger und Mandatsträgerinnen auf kommunaler Ebene in Deutschland und wir haben fünf im Europaparlament. So ganz klein sind wir also nicht.
Aber wenn ich jetzt in Ludwigshafen die Leute auf der Straße nach ihrem Namen fragen würde, würden wahrscheinlich viele sagen: Nie gehört.
Schneider-Wettstein: Das kommt auf den Stadtteil an. Ich bin schon aktiv unterwegs gewesen - zum Beispiel beim Historischen Verein und beim Verein Bunkermuseum. Ich war früher im Judoverein, in der Musikschule und ich bin in der Kirche tätig. Es gibt schon drei, vier Leute, die mich kennen.
Was hat Sie denn dazu bewogen, Ihre Mütze in den Ring zu werfen?
Schneider-Wettstein: Also ich glaube, jede Kandidatur ist dazu da, um wahrgenommen zu werden. Es ist wichtig, dass unsere Themen angesprochen werden. Stadtbegrünung, bezahlbarer Wohnraum, Gemeinschaftsflächen, die Hafen-Identität in die Stadt holen – das sind so Sachen, die fehlen mir. In der Innenstadt wäre mehr Durchmischung wünschenswert. Das andere ist, dass bestimmte Narrative von politischen Richtungen bedient werden und nichts entgegengesetzt wird.
Ob man das ,Handwerk‘ OB je ganz lernen kann, zeigt sich erst im Job.
Welche Narrative meinen Sie?
Schneider-Wettstein: Zum Beispiel, dass man die Migration begrenzen müsse oder es zu viele Ausländer gebe.
Muss man sie nicht tatsächlich begrenzen?
Schneider-Wettstein: Das sehe ich nicht so. Die Frage ist, was ist zu viel? Viele sind hier geboren, diese Menschen sind deutsch - so wie wir alle deutsch sind.
Es gibt aber eben auch die aktuelle Migration und damit einher ging eine Überforderung von Kreisen und Kommunen. Selbst Grünen-Politiker haben festgestellt: Wir sind am Rande dessen, was wir leisten können.
Schneider-Wettsein: Man muss diese Gruppen trennen. Die einen kommen und suchen Hilfe, die anderen suchen Arbeit. Das sind zwei verschiedene Sachverhalte. Und so sollte man sie auch betrachten. Dazwischen gibt es noch die, die schon hier sind. Die Erzählungen gehen aber eher dahin, zu sagen: Die müssen wieder weg. Das ist nicht richtig. Wir brauchen diese Menschen, wenn man sieht, dass Kneipen geschlossen bleiben. Oder Schilder im Einzelhandel hängen - ,wegen Krankheit geschlossen‘.
Welcher Wähler gehören zu ihrer Zielgruppe?
Schneider-Wettstein: Wir tendieren dazu, sozial-liberal zu sein, haben aber auch pragmatische Ideen. Mein Ziel wäre es, gerade auch die Menschen abzuholen, die frustriert sind.
Die Stadt steht vor großen Herausforderungen – Wirtschaft, Integration, Verkehrswende, Stadtumbau, Imagewandel. Sie haben keinen langen Gang durch die Lokalpolitik hinter sich. Fühlen Sie sich „fit“ genug?
Schneider-Wettstein: Ob man das ,Handwerk‘ OB je ganz lernen kann, zeigt sich erst im Job. Ich komme ursprünglich aus der Verwaltung, war dort in Ausbildung, habe studiert, in der Verwaltung als wissenschaftliche Hilfskraft gearbeitet und bin jetzt an der Goethe-Universität in Frankfurt tätig - im Bereich Hochschulentwicklung. Ich habe Erfahrung darin, neue Ideen und Innovationen einzubringen.
Man muss ja vor jedem Respekt haben, der sich zur Wahl stellt. Gab es bei Ihnen ein spezielles „Erweckungserlebnis“ für die Kandidatur oder wo kam der Antrieb jetzt her?
Schneider-Wettstein: Ich war schon immer politisch aktiv, nur nicht in der Parteipolitik. Ich habe ich mich irgendwann nicht mehr vertreten gefühlt. Dann habe ich Volt entdeckt und bin nach der letzten Europawahl ziemlich schnell eingetreten. Als die AfD stark abgeschnitten hatte, war das für mich ein Signal, nicht mehr zu warten.
Als ich neulich zurück nach Ludwigshafen einfuhr – von der Baustelle begrüßt – habe ich trotzdem gedacht: Das ist meine Stadt.
Ihre Mitbewerber sprechen im Wahlkampf von Gründerzentren und Start-ups als Wirtschaftsmotor. Was ist Ihr Ansatz?
Schneider-Wettstein: Mir ist klar, dass wir nicht mehr auf die BASF setzen können. Wir müssen neue Unternehmen gewinnen, neue Einwohner anziehen – insbesondere in höheren Steuerklassen. Viele wohnen gerne im Speckgürtel, aber wir brauchen die Leute hier. Genauso wichtig ist aber die Qualifikation der Menschen, die schon da sind. Ich sehe das Ziel darin, auch eine buntere Mischung an Geschäften für alle Einkommensgruppen in die Innenstadt zu holen. Aber dafür müssen wir am Image und an der Einstellung der Menschen ansetzen.
Und wie schaffen Sie den dafür notwenigen Imagewandel? Gibt es ein Vorbild?
Schneider-Wettstein: Zum Beispiel gibt es in Hamburg das Modell, dass Investoren für neue Wohnquartiere in einen Fonds einzahlen, sodass bezahlbarer Wohnraum und Gemeinschaftsflächen entstehen. Wenn die Menschen sich begegnen und kennenlernen, entsteht Zusammenhalt und die Stadt gewinnt an Attraktivität. Dafür braucht es Beharrlichkeit.
Michaela Schneider-Wettstein
Die gebürtige Ludwigshafenerin ist 45 Jahre alt und seit 2011 verheiratet.
Ihr Mann (45) ist ein Kind der Städtepartnerschaft zwischen LU und Havering. Seine Mutter ist Britin, sein Vater Ludwigshafener.
Schneider-Wettstein sagt von sich selbst, dass sie ein Arbeiterkind sei und die erste Studierende (Philologie und Geschichte) in ihrer Familie war. Sie ist in Gartenstadt aufgewachsen. Nach der Realschule war sie in der Ausbildung bei der Stadtverwaltung . Ihre Uni-Abschlussarbeit über Tolkien wurde von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz prämiert.
Heute ist sie Referentin für Inklusion an der Goethe-Universität in Frankfurt im Büro für Chancengerechtigkeit. sal
Sie haben die Qualifikation der Menschen angesprochen. Es fehlt an Sprachförderung im Kindesalter. Es gibt zu wenig Kitaplätze und Erzieherinnen. Was tun Sie dagegen?
Schneider-Wettstein: Ich habe da tatsächlich eine Idee für die Sprachförderung. Wir haben sehr gute Universitäten vor der Haustür, da studieren viele Germanistik. Die könnten schon im Kindergarten Sprachförderung geben und dafür Credit Points oder einen Werkstudierendenvertrag bekommen. Idealerweise sprechen sie zusätzlich die Muttersprache einiger Kinder, so können sie noch gezielter unterstützen.
Je schlechter die Ausbildung der Kinder, desto höher die sozialen Kosten später. Ludwigshafen hat jetzt schon massive Finanzprobleme – was tun?
Schneider-Wettstein: Ich prüfe für solche Projekte Fördermöglichkeiten: von Land, Bund, EU und auch Hochschul-Projekte. Sollte da nichts gehen, muss man notfalls auch mal klagen.
Sind Finanzen das Hauptproblem in Ludwigshafen – oder sehen Sie noch etwas anderes?
Schneider-Wettstein: Nein. Vieles ist miteinander verflochten - ein richtiger Gordischer Knoten.
Die amtierende OB hat anfangs gesagt, sie hätte den vielleicht schönsten Job der Welt.
Schneider-Wettstein: Als ich neulich zurück nach Ludwigshafen einfuhr – von der Baustelle begrüßt – habe ich trotzdem gedacht: Das ist meine Stadt. Ich bin hier geboren, werde wahrscheinlich auch hier sterben. Es schmerzt mich zu sehen, mit welchen Schwierigkeiten die Stadt zu kämpfen hat.
Auf Fotos sieht man Sie immer mit Brille und Mütze. Ist das ein Wiedererkennungszeichen im Wahlkampf?
Schneider-Wettstein: Ich habe schon vor Volt ein Leben mit Mütze geführt, das wird sich nicht ändern.
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