Streit um SAP-Arena-Auftritt - Die Stadt Mannheim erklärt, in welchen Fällen sie Konzerte verbieten kann / Hoffnung für Naidoo in Rostock

Um Xavier Naidoos Konzert abzusagen, wäre „konkrete Gefahr notwendig"

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Jörg-Peter Klotz
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Xavier Naidoo am 11. Dezember 2019 in der SAP Arena – darf er im Oktober wiederkommen? © Manfred Rinderspacher

Mannheim. Die Debatte um Xavier Naidoos Konzert am 9. Oktober in Mannheim ebbt nicht ab. Mehrere Politiker fordern, dass einem Sänger mit antistaatlicher Agenda und rechtsextremen Mitstreitern keine Bühne geboten werden dürfe. Die SAP Arena und Veranstalter DeMi Promotion erklären, dass sie den Auftritt aus vertraglichen Gründen nicht absagen können. Eine Nachfrage dieser Redaktion beim Fachbereich Sicherheit und Ordnung der Stadt Mannheim klärt, in welchen Fällen eine ordnungsrechtliche Handhabe für ein Konzertverbot vorliegt.

Bloßer Verdacht reicht nicht aus

Der zentrale Grundsatz: „Notwendig für eine behördliche Verfügung wäre eine konkrete Gefahr“, erklärt Stadtsprecherin Monika Enzenbach. „Diese liegt vor, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zukunft mit einem Schaden für die Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung gerechnet werden kann.“ Der bloße Verdacht, dass eine Gefahr eintreten könnte, reiche nicht aus: „Für ein Verbot bedarf es einer ausreichend abgesicherten Gefahrenprognose und hinreichender Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.“

Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn es einschlägige Vorfälle im Zusammenhang mit Auftritten des Künstlers aus jüngerer Vergangenheit gegeben hätte. Wenn es etwa bei Auftritten zur Begehung von einschlägigen Straftaten wie Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts und volksverhetzender, gewaltverherrlichender Texte gekommen wäre. Oder weil das Singen von Liedern angekündigt wird, die gegen Strafgesetze verstoßen. Außerdem: Wenn „in Tatsachen begründete Anhaltspunkte“ dafür bestehen, dass - etwa aufgrund der Wechselwirkung zwischen Band und Publikum - Rechtsverletzungen durch die Besucher begangen werden.

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Zu prüfen sei laut Enzenbach „selbstverständlich im Einzelfall, ob die Songtexte gegen Strafgesetze verstoßen oder vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sind. Allein der Umstand, dass die durch Lieder geäußerten Inhalte herrschenden sozialen oder ethischen Auffassungen widersprechen, rechtfertigt nicht die Annahme einer Gefahr für die öffentliche Ordnung“.

Keine erfolgreichen Verfahren

Hier ist im Fall Naidoo zu konstatieren, dass ihm aufgrund von rund zehn Liedern zwar regelmäßig Aufrufe zur Gewalt, Volksverhetzung, Homophobie und Antisemitismus vorgeworfen werden. Entsprechende Anzeigen kamen wie in Mannheim 2012 nicht bis zum Ermittlungsverfahren. Prozesse am Mannheimer Landgericht 2015 und in Nürnberg letztinstanzlich 2019 gingen zu seinen Gunsten aus. Auch auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien steht kein Naidoo-Werk.

Bislang hat der Sänger seine Musik-Karriere und seine Aktivistentätigkeit getrennt: Zumindest bei offiziellen Konzerten findet sich außer „Babylon System“ keines der höchst umstrittenen Lieder auf den Setlists, auch mit agitatorischen Äußerungen hielt er sich auf der großen Bühne weitgehend zurück. Dass sich das bei künftigen Konzerten anders gestalten dürfte, kann man nur vermuten. Immerhin hat er sich nach seinem Rauswurf aus der „DSDS“-Jury 2020 explizit aus dem Pop-Mainstream verabschiedet.

Neben einer Komplettabsage gibt es laut Ordnungsamt noch die Möglichkeit, die Aufführung bestimmter Lieder beziehungsweise Songtexte zu untersagen. In der Mannheimer Konzertgeschichte erinnert man sich an das Beispiel der auf der Bühne explizit pornografisch agierenden Band Rockbitch, deren Auftritt in der - städtisch geführten - Alten Feuerwache 1997 abgesagt wurde. Ein Nachholkonzert im - privaten - MS Connexion fand in Anwesenheit eines Staatsanwalts und von Polizeibeamten statt. Die Show wäre sofort abgebrochen worden, wenn es auf der Bühne zum Geschlechtsverkehr gekommen wäre.

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Ähnlich wie bei Versammlungsverboten vor Demonstrationen der Querdenker-Szene könnte man noch argumentieren, dass sich auch ideologisch eingefleischte Naidoo-Fans nicht an die Corona-Maßnahmen halten würden. Die dürften zumindest im Oktober 2021 bei einem Konzert mit etwa 5000 Zuschauern noch nötig sein. Auch hier müssen laut Ordnungsamt konkrete Hinweise vorliegen, dass Hygienevorgaben nicht eingehalten werden.

Maßgebliches Kriterium sei auch in diesem Fall die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts: „Aufgrund von Erkenntnissen von früheren Konzerten des Künstlers muss eine Gefahrenprognose erstellt werden, die ausreichend Anhaltspunkte liefert, um eine behördliche Verfügung durchsetzen zu können.“

OB will Verbot in Rostock kippen

„Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn bei vergangenen Konzerten dazu aufgerufen wurde, gegen die geltende Corona-Verordnung zu verstoßen.“ Der bloße Verdacht reiche auch in diesem Zusammenhang nicht aus, um eine Veranstaltung abzusagen.

Auch in Rostock ist das von der Bürgerschaft beschlossene Verbot des Naidoo-Konzerts (wir berichteten) nicht so einfach, obwohl die Stadthalle kommunal verwaltet wird. Wie die Stadt Rostock am Donnerstag auf Anfrage mitteilte, wird Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos) aus rechtlichen Erwägungen sein Veto gegen die Entscheidung des Stadtrats einlegen müssen: „Die Frist dafür läuft bis 2. Juni. Danach müsste die Bürgerschaft voraussichtlich am 16. Juni erneut über das Anliegen befinden“, erklärte Ulrich Kunze, Sprecher der Hansestadt.

Sollte die Bürgerschaft wieder gegen den Naidoo-Auftritt stimmen, müsse der OB das beanstanden. „Dann entscheidet das mecklenburg-vorpommersche Innenministerium als obere Aufsichtsbehörde.“ Als Begründung für Madsens Haltung führt der Sprecher zum einen juristische Bedenken an, dass die Hansestadt wegen Vertragsbruch in Regress genommen werden könnte. Zum anderen sehe die Verwaltung Parallelen zur Versammlungsfreiheit: „Es geht um die Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes nach Artikel 3 des Grundgesetzes“, sagte Kunze.

Ressortleitung Stv. Kulturchef

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