Mannheim. Aufbruchsstimmung, und noch kein Gedanke an Abrisspläne: Am 22. Mai 2004 spielten die Söhne Mannheims vor 8000 Fans im Eisstadion eines ihrer bis dahin größten Konzerte und läuteten mit vielen neuen Songs ihre erfolgreichste Phase ein. Im Monat darauf erschien die zweite Studioplatte „NOIZ“. Es sollte die erfolgreichste der Bandgeschichte werden: die erste Nummer eins, mit Dreifachplatin ausgezeichnet und als meistverkauftes Album des Jahres 2005 (!). Damals war an rechtslastige Querdenker-Ergüsse von Frontmann Xavier Naidoo noch nicht zu denken. Auch hätte im Frühling 2004 niemand daran gedacht, dass dies das letzte große Konzert im Friedrichspark sein würde.
Denn Aufbruchsstimmung gab es in doppeltem Sinne: Mit der Popakademie Baden-Württemberg legte damals eine bis heute strahlkräftige Institution erstmals im ganz großen Stil ihre Visitenkarte in der Quadratestadt vor. Schließlich war das für den Friedrichspark typische Halb-Open-Air das erste von fünf Benefizkonzerten, mit deren Einnahmen von jeweils etwa 150 000 Euro Naidoo und die Söhne das von den Gründungsdirektoren Udo Dahmen und Hubert Wandjo 2003 eröffnete Haus über fünf Jahre hinweg förderten. „Sie gehörten damals zu einem Unterstützerkreis wie die Plattenfirma Universal, die Stadt Mannheim und einige regionale Unternehmen um ,Radio Regenbogen’“, erinnert sich Wandjo. Die weiteren Konzerte waren in Karlsruhe, Stuttgart, Friedrichshafen und Freiburg.
Die Popakademie konnte aber auch musikalisch punkten: Das Vorprogramm um das Studenten-Duo W4C mit Rapper Danny Fresh und dem singenden Produzenten Ruben Rodriguez hat auch mich als Kritiker mitgerissen. Denn tatsächlich vermittelte das gesamte Event eine Euphorie, die über normale Begeisterung bei Konzerten hinausging. In diese mischte sich vor allem Lokalpatriotismus. Der Stolz darauf, wie steil die Karriere der Söhne weiter abhob – und dass die Studierenden und Dozierenden der Popakademie dabei keineswegs abfielen, wurde gleich mitbejubelt. Mit dem Satz „Der Triumph ist schon vor dem ersten Ton perfekt“ habe ich damals angesichts der unerwartet großen Zuschauerresonanz meinen Konzertbericht begonnen, was musikalisch folgte, war nicht schlechter.
Trotzdem ist es seltsam, sich an den Auftritt zu erinnern. Denn als einer der Rock- und Popkritiker des „Mannheimer Morgen“ habe ich seit Mitte der 1990er Jahre weit über 1000 Konzerte in der Quadratestadt gesehen – aber nur dieses eine im Eisstadion. Allerdings fanden während „meiner“ Amtszeit nur noch sporadisch große Konzerte in der Heimspielstätte des MERC statt: 2002 Supertramp, 1998 Bon Jovi, 1997 Bryan Adams oder 1995 Zucchero – keine Acts, bei denen ich mich unbedingt vorgedrängelt hätte. Weil ich sie schon oft gesehen hatte und persönlich musikalisch härter oder souliger unterwegs war.
Popfinale nicht von Supertramp
Das wäre sicher anders gewesen, wenn ich die legendären Auftritte im Eisstadion miterlebt hätte: das Popfestival oder die Rolling Stones 1973, Cat Stevens 1976 – aber das verhinderte die Ungnade der späten Geburt. Zu Zeiten der Shows von Frank Zappa und vor allem von Led Zeppelin 1980 saß ich als Teenager in Nordhessen fest, wenn ältere Freunde mich nicht nach Dortmund oder Frankfurt zu Konzerten mitnahmen.
Wohl deshalb hat mir das Stadion Friedrichspark ohnehin besser gefallen als die Konzertstätte – auch, wenn es für den ECK beziehungsweise die Kassel Huskies in Mannheim meist nicht viel zu holen gab (etwa im DEL-Finale 1997). Beim Söhne-Konzert an einem sehr warmen Mai-Tag war das Eisstadion natürlich angenehm luftig, aber für meinen Geschmack ist die Decke relativ niedrig, und die Bedingungen für guten Sound sind aus heutiger Sicht nicht ideal.
Wobei die Bedingungen der Bühnentechnik der 1970er Jahre wahrscheinlich sogar überdurchschnittlich entgegenkamen, weil die Schallwellen nicht wie auf dem Maimarkt einfach weggeweht werden konnten. Immerhin: „Mein“ Konzert im Eisstadion war auch von daher besonders, weil es mit hoher Wahrscheinlichkeit das letzte große Pop-Event im Friedrichspark war (und nicht wie oft kolportiert die Supertramp-Show 2002). Weder im Redaktionsarchiv noch in den Unterlagen des Stadion-Vermieters, der Stadt Mannheim, finden sich Hinweise auf spätere Konzerte.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim_artikel,-mannheim-popakademie-und-soehne-mannheims-heben-im-eisstadion-ab-_arid,1940468.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/dossiers_dossier,-_dossierid,80.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html