Pop-Interview

BUGA-Musiker Gropper und Has Ardeur: "Wir waren künstlerisch komplett frei"

Am 14. April eröffnet Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Bundesgartenschau in Mannheim - dabei ist das Haifa Symphony Orchestra mit einem Werk der Mannheimer Popmusiker Ziggy Has Ardeur und Konstantin Gropper

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Stefan M. Dettlinger
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Bringen unter anderem auch Tomatenpflanzen zum Singen: die „Rhizom“-Komponisten Ziggy Has Ardeur (l.) und Konstantin Gropper. © Buga/annalogue

Mannheim. Herr Gropper, Herr Has Ardeur, wie waren denn die Proben mit dem Haifa Symphonie Orchestra?

Konstantin Gropper: Aufregend. Wenn man, wie wir, meist allein vor sich hinarbeitet und das Ergebnis dann plötzlich vom Orchester gespielt wird, dann ist das sehr emotional. Mich hat das mitgenommen.

Orchestermusiker neigen mitunter dazu, die Musik von Leuten aus anderen Sphären als der notierten klassischen Musik nicht ernst zu nehmen. Wie haben die Musiker auf Ihren Dreiakter reagiert?

Ziggy Has Ardeur: Die klassische Welt ist ja sehr vielfältig. Wir haben so komponiert, dass es für das Orchester funktioniert und nicht nur uns selbst glücklich macht. Das wurde gut aufgenommen.

Gropper: Es ist nicht mein erstes Orchesterprojekt, daher weiß ich mittlerweile: Bei den Proben sollte man noch keine Euphorie erwarten – da wird erst einmal noch das Pokerface gewahrt. Nach der Aufführung war die Stimmung aber immer sehr positiv. Unser beider Karriere lebt auch irgendwie davon, dass wir uns viel zutrauen und aus der Komfortzone wagen.

Und kommt die Musik heraus, was Sie sich vorgestellt haben?

Has Ardeur: Die Dimension der knapp 70 virtuosen Musiker kommt hinzu. Dadurch klingt es noch viel eindrucksvoller als gedacht.

Spüren Sie Überforderung?

Gropper: Nein, ein leichtes Imposter-Syndrom schwingt aber immer mit. Eigentlich sind wir aber immer gut damit gefahren zu sagen: Wir machen einfach. Es geht uns ja um das musikalische Ergebnis, nicht darum, das Orchester oder den Maestro zu beeindrucken.

Worum geht es in dem Stück „Rhizom“, was ja quasi den Wurzelstock einer Pflanze in der Erde beschreibt? Wo wollen Sie damit hin?

Has Ardeur: Es geht um Querverbindungen. Es gibt eine philosophische Strömung, die Rhizomatik (geht auf das Werk von Gilles Deleuze und Félix Guattari zurück, d. Red.), die traditionelle hierarchische Denkweisen hinterfragt. Unser Werk und Herangehen ist davon geprägt, dass unterschiedliche Künste und Lebensformen Querverbindungen haben, die sich bereichern, ohne auf einem Dogma zu basieren.

Ich finde auch den Anlass Bundesgartenschau spannend, weil das traditionell etwas Superspießiges ist.
Konstantin Gropper Frontman "Get Well Soon"

Höre ich da eine politische Note?

Gropper: Vielleicht. Für mich bedeutet der Titel auch, dass man aus der Natur lernen kann. Ich finde auch den Anlass Bundesgartenschau spannend, weil das traditionell etwas Superspießiges ist. Die politische Komponente daran ist, dass wir uns die Frage stellen müssen: Was soll das heute? Wir leben in permanenter Krise, allem voran einer ökologischen, und wir versuchen, diese Ebenen aufeinanderprallen zu lassen. Deswegen hat unser Stück verschiedenste Komponenten: das Unterhaltsame, den Broadway, aber eben auch das Klagelied und den Schmerzens-Schrei.

Insgesamt klingt die Partitur trotzdem sehr hell, es überwiegt C-Dur. Herr Gropper, Ihre Musik ist oft ja schon auch ganz schön melancholisch. Wie haben Sie sich die vielen Moll-Farben abgewöhnt?

Gropper: Einerseits fanden wir den Ansatz, den Anlass der Komposition ständig zu konterkarieren, ein bisschen affektiert, andererseits gibt es durchaus einige melancholische Momente. Natürlich thematisieren wir die aktuelle ökologische Dramatik. Aber es gibt eben auch Raum für Humor.

  • Konstantin Gropper: Der Multiinstrumentalist, Sänger und Komponist, 1982 Ochsenhausen geboren, hat seit 2005 das Bandprojekt Get Well Soon, mit dem er sechs Alben und diverse EPs veröffentlicht hat und europaweit tourt. Er ist Komponist der Musik von Kinofilmen und Serien und hat Acts wie Alex Mayr oder Casper produziert.
  • Ziggy Has Ardeur: Der Elektronikmusiker und Komponist, 1983 in Villach (Österreich) geboren. Von 2004 bis 2013 betrieb er die Art Rock Band MBWTEYP. Er schuf Fashion-Soundtracks für Paris, Berlin und New York sowie Filmmusik etwa für Netflix Serien wie „How To Sell Drugs Online (Fast).
  • Auf der Buga23: Das Werk „Rhizom“ der beiden wird am 14.4., 11 Uhr, bei der Eröffnung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier teils uraufgeführt – um 18 Uhr dann öffentlich komplett auf der Hauptbühne der Buga (buga23.de). dm

Gibt es deutliche Handschriften zwischen Ihnen beiden?

Gropper: Grundsätzlich machen wir es immer so, dass wir ein Konzept entwickeln und uns die Arbeit aufteilen. Dann arbeitet erst einmal jeder für sich auf seine ganz eigene Art. Am Ende kommt es dann wieder zusammen und unsere jeweiligen Expertisen ergänzen sich. Bei der Aufführung von „Rhizom“ musizieren wir gemeinsam mit dem Orchester. Dann beeinflusst sowieso jeder jeden.

Sie beide machen zwar auch Filmmusik, kommen aber doch eher aus der Rock- und Popkultur. Dort war früher mal so etwas wie eine Gegenkultur zum Establishment kultiviert worden, das heute manchmal noch dort vermutet wird – zumindest die Attitude. Haben Sie gezaudert, als Fabian Burstein von der Buga23 Sie gefragt hat, quasi für einen öffentlichen Auftraggeber zu komponieren?

Has Ardeur: Ich nicht. Wir waren künstlerisch komplett frei.

Gropper: Ich auch nicht.

Mehr Staat geht ja quasi nicht: OB Peter Kurz und vor allem auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier werden bei der Eröffnung der Buga mit Ihnen auf der Bühne stehen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den 14. April?

Gropper: Ich bin Popmusiker, aber auch klassisch sozialisiert. Fast alle Werke waren da doch Auftragswerke. Selbst Bernd Alois Zimmermann hat im 20. Jahrhundert noch Werke geschrieben im Auftrag der Stadtsparkasse Duisburg oder so. Ich weiß nicht, ob man da diese Frage stellte.

Mit 16 habe ich meine Gitarre auf einem Dorffest zerschlagen.
Ziggy Has Ardeur Mannheimer Popmusiker

Klassik hat ja nicht den Habitus einer Gegenkultur …

Gropper: … meistens nicht, stimmt …

Has Ardeur: … ich bin nicht klassisch sozialisiert. Mit 16 habe ich meine Gitarre auf einem Dorffest zerschlagen und später Konzeptalben geschrieben, in welchen es nur um meine persönliche Gegenkultur ging. Mittlerweile finde ich es spannender, Aufgaben zu bekommen und meine Musik mit anderen Kunstformen zu verbinden. Diese Aufgaben dürfen mich anfangs gerne überfordern. Ein wenig Gegenkultur findet aber immer seinen Platz.

Sie haben also nicht den Eindruck, eine Idee zu verraten?

Has Ardeur: Nein! Es ist ja nur eine Möglichkeit der Kommunikation.

Gropper: Auf der einen Seite wird von der Popwelt immer eine Haltung bzw. Anti-Haltung verlangt, auf der anderen Seite wird sie von der durchsubventionierten, sogenannten Ernsten Musik als kommerziell abgekanzelt. Ich finde die Vermischung der Welten sehr viel spannender als die Abgrenzung. Für mich war die Buga-Komposition die Möglichkeit, ein Konzert für Orchester zu schreiben. Das schlage ich einfach nicht aus. Außerdem finde ich das Thema Garten tatsächlich interessant.

Has Ardeur: Meine Musik war im Populargenre wirtschaftlich nie erfolgreich, unter anderem, weil ich mich kaum anpassen wollte oder konnte. Ich kann meine heutigen Aufgaben viel besser mit meinem Habitus vereinen.

Lässt man die Grenzen weg, könnte man einfach sagen: Es gibt wertvolle Dinge, die allein überleben können, und solche, die es nicht können. Die muss man schützen.

Gropper: Eben, und die Sache mit dem Orchester kann sich allein nicht tragen, das ist ganz klar.

Wir wollten auch eine Pflanze zu Wort kommen lassen.
Ziggy Has Ardeur Mannheimer Popmusiker

Und fühlen Sie nun Ehre? Stolz?

Has Ardeur: Es ist Freude. Ich spüre, dass das ein großer und feierlicher Anlass ist, und wir freuen uns über die künstlerische Gelegenheit mit einem tollen, voll besetzten Orchester auf großer Bühne zu stehen.

Sie haben als wahrscheinlich erster Mensch ein Stück geschrieben, in dem eine Pflanze die Solistin ist, die von einem Streicherorchester fünfstimmig begleitet wird. Wie funktioniert das? Und was für eine Pflanze ist das?

Has Ardeur: Wir wollten auch eine Pflanze zu Wort kommen lassen. Technisch funktioniert das so, dass die elektromagnetischen Wellen, die jeder Organismus generiert, per Sensoren abgenommen und durch Module kontrolliert in Klang umgewandelt werden. Dadurch entstehen Melodien, die durch die Orchesterbegleitung zu einer Story werden. An dem Punkt unserer Komposition geht es darum, dass eine junge Pflanze uns Menschen hoffnungsvoll die Hand reicht. Es wird wohl eine Tomate.

Da spielt dann der Zufall eine Rolle. Können Sie als künstlerischer Erfinder denn damit leben, dass Sie nicht ganz Herr des Werks sind, dass es jedes Mal anders klingt?

Has Ardeur: Der Zufall spielt in vielen meiner Werke eine Rolle. Man kann auch Kontrolle abgeben, ohne das kompositorische Konzept zu verlassen. Ich finde das nur wertvoll. Echten Zufall beherrscht der Mensch nicht. Künstliche Intelligenz ist heute unendlich kreativ und alles dazwischen. Das Dazwischen und die menschlichen Annäherungen an Zufall finde ich am spannendsten.

Und wer bekommt das Urheberrecht bei Kunst aus KI und natürlicher Intelligenz der Pflanze?

Gropper: Darüber haben wir schon viel geredet. Wer hat das Urheberrecht an dem Bild, das eine KI erstellt? Der Programmierer der KI? Derjenige, der die Parameter vorgibt? Das ist spannend.

Sie sind ja beide keine Notisten, das heißt, die Musik entsteht bei Ihnen eher am Computer als auf Notenblättern. Die Noten schreibt für Sie jemand anderes auf. Wie darf man sich den schöpferischen Prozess da vorstellen? Drehen Sie so lange an den Reglern, bis das, was Sie sich vorstellen, und das, was aus dem Lautsprecher kommt, kongruent sind, sich vollständig überlappen?

Has Ardeur: Konstantin hat die Produktionen schon komplett ausnotiert. Danach gab es lediglich ein Lektorat. Ich kann das nicht, aber im Kompositionsprozess geht es doch immer darum zu entscheiden, wann ein Ton beginnt und wann er endet, Klang, Tonhöhe und Dynamik. Das gleiche Ergebnis, nur dass es am Computer schneller und intuitiver entwickelt werden kann.

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Eigentlich stehen Sie mit der Komposition in der Tradition englischer Hofkomponisten, etwa Händel, aber auch von Mozart, später auch Richard Wagner, der ja auch quasi für den König geschrieben hat, oder auch des zypriotischen Komponisten Marios Joannou Elia, der 2011 in Mannheim die „Autosymphonic“ aufgeführt hat. Es läuft auf eine Art Repräsentationsmusik zur Verstärkung eines Großereignisses hinaus. Wie, glauben Sie, wird die Musik auf das Publikum wirken? Wie wird dieser Startschuss zur Buga23 in Mannheim wirken und nachwirken?

Gropper: Wir sind als Filmkomponisten Auftragswerke gewohnt, und es wurde uns komplette künstlerische Freiheit anvertraut. Wir wollten vor allem ein abwechslungsreiches Stück schreiben. Es soll das Publikum berühren, überraschen, etwas aufwühlen und durchaus unterhalten.

Has Ardeur: Es geht in „Rhizom“ auch um die Schönheit darin, gemeinsam, in unterschiedlichen Gewerken etwas Großes auf die Beine zu stellen.

Interessant finde ich, dass früher Händel, Mozart oder Wagner öffentlich gefragt wurden, heute aber niemand auf die Idee kommt, bei Mannheims Kompositionsprofessor Sidney Corbett ein Werk zur Buga-Eröffnung zu bestellen, weil der allgemeine Geschmack zu weit weg ist von der Avantgarde …

Has Ardeur: Ich schätze Sidney sehr und durfte schon mit ihm arbeiten. Für unser Konzert wollten wir von Anfang an und vor allem Vielfalt. In der Vielheit schließt sich auch wieder der Kreis zur Rhizomatik.

Gropper: Ich denke, wir bilden da einen ganz guten Kompromiss zwischen den Welten. Man traut uns zu, dass da etwas Künstlerisches, Spezielles und Gehaltvolles herauskommt, das dabei aber zugänglich sein darf. Ich glaube, in dieser Hinsicht sind wir die Richtigen für den Job.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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