Bundesgartenschau

Was den Mannheimer Buga-Kulturchef antreibt

Fabian Burstein spricht über den Kompass, der ihn bei der Programmierung der Veranstaltungen leitete. Und über das Eröffnungsevent mit Bundespräsident Steinmeier und seine Beweggründe, für die Buga zu arbeiten

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Stefan M. Dettlinger
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Hat ein fast obsessives Liebesverhältnis zur Region: Buga-Kulturchef Fabian Burstein. © Bundesgartenschau

Mannheim. Es stürmt in Haifa. Selbst in der Hotellobby sind die starken Stöße des wilden Westwindes, der sich vom Mittelmeer aus die Hänge zum Haifaer Nobel-Bezirk Carmel hoch schafft, zu spüren. Bäume wackeln. Gegenstände wirbeln umher. Regen prasselt gegen die Fensterscheiben. Der ideale Moment für ein Interview mit dem Kulturmacher der Buga 23.

Burstein und Buga

  • Fabian Burstein: Geboren ist der Wiener Kulturschaffende 1982. Er studierte Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Als Autor ist er Verfasser von Romanen und Sachbüchern. Seit zehn Jahren lebt Burstein vorwiegend in Deutschland und war dort als Leiter für Kulturinstitutionen, Festivals und diverse künstlerische Formate verantwortlich, so zuletzt für das Forum in Mannheim und das Kulturbüro Ludwigshafen. Aktuell leitet er das Kultur- und Veranstaltungsprogramm der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim.
  • Info zum Programm: buga23.de/programm

Herr Burstein, Sie sind sicher nicht fürs Motto der BUGA verantwortlich, aber wie lebt man das in diesen Zeiten fast schon zynische Etikett „Beste Aussichten“ eigentlich?

Fabian Burstein: Am besten vollkommen zynismusbefreit. Das bedeutet: Nach all den Krisen, die wir vollumfänglich mit in die Vorbereitungen genommen haben, waren wir der Meinung, dass wir gerade im Kunst- und Kulturbereich ein optimistisches Ausrufezeichen setzen sollten. Das heißt nicht, dass man nur Schönwetterprogramm macht, sondern dass man sagt: Wir trauen diesem Kulturprogramm zu, dass es 2,1 Millionen Menschen begeistern wird und sich auch an diese 2,1 Millionen Menschen richtet. Wir wollen mit den Menschen vor Ort beweisen, wie relevant Kunst und Kultur sind.

Dafür sind Sie ja auch verantwortlich. Warum machen Sie, der aus Wien kommt und dort Familie hat, diesen Job 750 Kilometer weit weg von Ihren Liebsten?

Burstein: Erstens habe ich ein fast schon obsessives Liebesverhältnis zur Region. Ich hoffe, das ist eine wechselseitige Anziehung. Und das Zweite ist, dass ich die Buga schon als eine Art Einmal-im Leben-Aufgabe sehe. Die Bundesgartenschau ist eines der größten Biennale-Formate in der Bundesrepublik. Und wenn jetzt so ein Biennale-Format das erste Mal seit 1955 in Kassel ausruft, dass das eine Kultur-Buga wird, dann ist das für mich eine Chance, ein unglaublich großes Publikum zu erreichen mit einer Breite der Genres, die nirgendwo sonst möglich ist.

Das klingt etwas egoistisch.

Burstein: Ja, ein bisschen Egoismus sagt man ja allen Kunst- und Kulturmanagern nach. Ich hoffe, es ist ein gesunder Egoismus mit viel positivem Altruismus.

Woher kommt die Obsession?

Burstein: Das hat was mit den Menschen zu tun, die mir immer sehr zugewandt und offen begegnet sind, das muss ich klipp und klar sagen. Und dann hat diese Region für mich immer eine totale Neugier ausgestrahlt. Das habe ich selten erlebt. Diese Haben-wir-schon-brauchen-wir-nicht-Haltung – die habe ich hier nicht erlebt. Das finde ich spannend und – ja – auch liebenswürdig.

Also sind Wien und Österreich doch so schlimm, wie Thomas Bernhard sie beschrieben hat?

Burstein: Na, ich habe ja auch ein Buch darüber geschrieben. Ich habe eine durchaus kritische Meinung. Ich finde Wien und Österreich gar nicht schlimm, aber es gibt in Mannheim Facetten, von denen man lernen könnte.

Was war bei der Konzeption der Buga 23-Kultur Ihr innerer Kompass?

Burstein: Als Allererstes wollten wir mit dem Kunst- und Kulturprogramm nicht wie mit einem Ufo landen. Wir wollten die Leitlinien der Nachhaltigkeitsthematik, Themen wie Nahrungssicherung oder Energie, auf die Kultur übertragen. Zweitens haben wir, noch ehe ich den Vertrag unterschrieben habe, gesagt: Es muss eine Buga der Koproduktionen mit den regionalen Akteuren werden, weil sich daraus ohnehin die internationalen Bezüge ergeben. Und das Dritte war der Blick auf die prognostizierten 2,1 Millionen Besucher.

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Sie waren ja immer eher im Sektor Jugend- und Popkultur unterwegs. Die Veranstaltung Bundesgartenschau hat jetzt nicht unbedingt den Ruf des coolsten Events. Da kommen ganz andere Leute. Wie gehen Sie damit um?

Burstein: In Wahrheit ist das der Grund, weshalb es mich so interessiert. Wir reden in Bezug auf die Publikumskrise darüber: Wie brechen wir aus? Wie ändern wir das Spiel? Wie schaffen wir neue Rahmenbedingungen? Die Buga ist für mich das großartigste Trojanische Pferd …

… (lacht) da bin ich gespannt, was aus dem Bauch purzelt …

Burstein: … ich auch. Aber gerade, dass das zunächst mal nicht so hipp ist, macht es spannend: Ich dringe in Bereiche vor, die ich sonst kaum erreichen würde.

„Unsere Buga 23 ist eine Bühne für Partner und Akteure der Stadtgesellschaft.“ So heißt auch ein Satz, der sagen will: Wir sind für alle da. Sie kooperieren ja auch mit vielen Playern der Region, vor allem aus Mannheim. Aber wie löst man so ein Versprechen ein, ohne am Ende provinziell nur Nabelschau zu betreiben?

Burstein: Mit einer großen Standhaftigkeit. Wenn man so eine Festlegung trifft mit den Koproduktionen, dann ist am Anfang die Aufregung groß: Jeder denkt, er käme automatisch zum Zug. Man muss dann sehr schnell klarmachen, dass die Kriterien der Qualität, der Relevanz und ästhetischen Spannung bleiben. Das ist vielleicht das Schwierigste. Ich arbeite nicht mit irgendwelchen Leuten in Berlin zusammen, die sich denken: Dieser Depp da unten in Mannheim versteht einfach nicht, was wir machen. Ich muss den Leuten vor Ort sagen: Ich glaube, das passt nicht, das reicht nicht aus, das können wir nicht machen. Und dann muss ich denen auch noch ins Gesicht schauen können. Das hat mit Standhaftigkeit und wertschätzendem Feedback zu tun.

Sie machen einen Spagat zwischen Massengeschmack und persönlichen ästhetischen Ansprüchen. Wie sieht der Slalom aus?

Burstein: Es darf nie reine Ästhetik sein. Es geht nicht um ein Entweder-Oder. Es muss immer beides sein: die Relevanz und die Ästhetik. Die Schwerpunktsetzung ist natürlich unterschiedlich. Da kann einmal die Ästhetik dominieren und dann wieder eine starke Erzählung unsere Leitthemen betreffend.

Können Sie das an der Großskulptur von Philipp Morlock erklären?

Burstein: „Conversio“ ist eine unglaublich aufregende Arbeit, weil sie das Thema Schönheit eines Denkmals komplett auf den Kopf stellt. Es zeigt in der Vertiefung der Erde die Wunden, die die Konversion in unsere Stadtgesellschaft geschlagen hat. Das ist per se nichts Schönes. Das ist ein Bau in den Boden hinein, so dass die Frischluft weiterziehen kann und auch deshalb eine Verhandlung von städtischen Themen, bei der der Schulterschluss von Relevanz und Ästhetik besonders geglückt ist. Und daraus ergibt sich die eigentliche Schönheit.

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Es geht auch um Nachhaltigkeit. Wie kulturell nachhaltig ist das Programm mit seinen Konzert-, Kunst- und Show-Elementen?

Burstein: Wir haben in der Kunst und Kultur noch keine Definition, was nachhaltig ist. Ist nachhaltig schon, dass wir keine Plastikbecher benutzen? Oder bedeutet das, dass Dinge sozial und künstlerisch nachwirken. Also: Ich glaube, wir werden am Ende vielleicht wissen, was Nachhaltigkeit in diesem Segment überhaupt bedeutet. Das ist das eine. Das Zweite, was bleiben wird: Wir haben Formate wie das Green Talents Festival, wo wir sehr vielen jungen Bands Werkzeuge mit auf den Weg geben, wie sie klimaschonender spielen und auf Tour gehen können. Und das Dritte: Wir haben Menschen zusammengebracht. Das Programm hat ein Wir-Gefühl ausgelöst. Diese Stimmung wird vielleicht Mannheims Weg kulturell ein paar Jahre verstetigen.

Das Nationaltheater ist auch dabei, aber die Oper spärlich mit zwei konzertanten Produktionen.

Burstein: Wir haben gute Gespräche geführt. Dabei ist das herausgekommen. Für uns ist das okay. Wir haben es den Institutionen überlassen, in welcher Intensität sie sich einbringen wollen. Da war das Schauspiel sehr offensiv und hat gesagt: Wir wollen Präsenz! Das schlägt sich dann nieder.

Mit dem Eröffnungsevent machen Sie den maximalen Spagat: Popkultur trifft im klassischen Kleid eines Orchesterwerks auf Hochkultur und staatliche Repräsentation. Wie kam es, dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aufs Haifa Symphony Orchestra trifft, das Musik Konstantin Groppers und Ziggy Has Ardeurs spielt?

Burstein: Die Buga 23 muss mit dieser Mannheimer Handschrift doch anders beginnen als andere Bugas. Das bezieht sich auf die Qualität, also: dass wir nicht eine kleine gemischte Revue machen. Wir wollten in einer Inszenierung denken. Und die wollten wir mit einem hohen künstlerischen und symbolischen Anspruch umsetzen. Das habe ich als Pflicht gesehen. Und da haben wir uns profilierte Akteure aus der Stadt geholt, von denen wir wussten: Die funktionieren auch überregional in der Popkultur. Groppers Get Well Soon ist ein renommierter Pop-Act. Die beiden haben Musik für die berühmte Netflix-Serie „How to sell drugs online“ gemacht. Sie stehen für einen enormen popkulturellen Anspruch – was Ansprache betrifft und auch Können. Und das Symbolische: Wir haben uns schon überlegt, welche Signale der internationalen Freundschaft, der Völkerverständigung, der größten historischen Versöhnung, die es vielleicht in der jüngeren Menschheitsgeschichte gegeben hat, wir aussenden. Und da kam die Frage: Welchen Klangkörper haben wir dafür? So sind wir zum Haifa Symphony Orchestra mit seinem Maestro Yoel Levi gekommen, und die haben sich auf das Abenteuer, das ja auch ein Risiko bedeutet, eingelassen.

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Was wäre für Sie Bestätigung nach Ende der BUGA?

Burstein: Wenn wir neue Besucherschichten für das Buga-Format gewonnen hätten. Und dann auch, dass die klassische Klientel am Ende sagt: Ich habe dort nicht nur schöne Blumen gesehen, sondern Kultur, die mich bewegt und zum Nachdenken gebracht hat.

Wie alt ist das Buga-Publikum?

Burstein: Statistisch gesehen 46 plus. Wir haben auch gesehen, dass eine Zielgruppe bis circa 30 nicht stark repräsentiert ist. Aber genau diese Zielgruppe ist für Pop- und Festivalkultur extrem ansprechbar. Wir haben also nicht nur nach Gefühl geplant.

Was machen Sie ab 9. Oktober?

Burstein: Das steht noch nicht fest. Ich führe Gespräche an unterschiedlichen Orten. Mein Vertrag endet nach der BUGA 23 und zum jetzigen Zeitpunkt gibt es keine konkreten Anhaltspunkte, dass ich in Mannheim bleibe.

Ressortleitung Stefan M. Dettlinger leitet das Kulturressort des „MM“ seit 2006.

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