Mannheim. Die ersten Meldungen eine halbe Stunde vor Schließung der Wahllokale hatten am Sonntag schon gezeigt, wohin es bei der Wahlbeteiligung gehen wird: Dass der bisherige OB-Wahl-Tiefstand von 30,7 Prozent vom ersten Durchgang 2015 zwar nicht unterboten wird. Dass es aber auch nicht nennenswert nach oben geht. Am Ende sind es 32,2 Prozent. Und viele dürften unterschreiben, was Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) am Sonntagabend im Stadthaus sagte: „Wir können gemeinsam feststellen, dass wir uns sowohl für die Kandidierenden als auch für das Amt des Oberbürgermeisters und die Stadt insgesamt eine höhere Wahlbeteiligung gewünscht hätten.“
Große Unterschiede in den Stadtteilen

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Diese Wahlbeteiligung ist nicht nur nah an der historisch niedrigsten - es gibt gleichzeitig auch deutliche Unterschiede im Vergleich der Stadtbezirke untereinander. Am geringsten ist die Beteiligung in der Neckarstadt-West (16,5 Prozent) und auf der Schönau (21,6 Prozent) - am höchsten in Wallstadt (47,3) und in Feudenheim (49,3).
Das sagt der Wissenschaftler
„Die Wahlbeteiligung ist auf kommunaler Ebene häufig niedriger als auf Landes- oder Bundesebene, weil viele Wähler die kommunale Ebene als weniger wichtig ansehen“, erklärte der Mannheimer Politikwissenschaftler Marc Debus im Gespräch mit dieser Redaktion. Außerdem hänge die Wahlbeteiligung auch mit dem Angebot zusammen.
Wenn beispielsweise Parteien oder Kandidaten des rechten Randes antreten - was bei der OB-Wahl am Sonntag nicht der Fall war -, könne dies allgemein unzufriedene Wähler, die sich häufig für rechtspopulistische Parteien entscheiden, zur Wahl bewegen. „Gleichzeitig führt aber auch das Antreten von rechtspopulistischen Kandidaten dazu, dass sich moderate Wähler eher beteiligen, um den Erfolg extremer Parteien oder Kandidaten zu verhindern.“

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Vergleich mit anderen Städten
So oder so - selbst für eine OB-Wahl in einer Großstadt ist die Beteiligung in Mannheim vergleichsweise schlecht. In Frankfurt waren es in diesem Frühjahr 40,4 Prozent, in Stuttgart und Karlsruhe vor zweieinhalb Jahren 49 sowie rund 41 Prozent. Und bei der Gemeinderatswahl in Mannheim im Jahr 2019 gaben rund 50 Prozent ihre Stimme ab.
Wahlbeteiligung bei der OB-Wahl in Mannheim: Das sagen Kandidierende
Wie gehen die Kandidierenden in Mannheim mit dem Thema um? Welche Ursachen sehen sie für die niedrige Wahlbeteiligung? Und noch wichtiger: Welche Schlüsse ziehen sie daraus? Die Wahlbeteiligung vom Sonntag sei für ihn „eine Enttäuschung“, sagt Christian Specht, gemeinsamer Kandidat von CDU, FDP und Mannheimer Liste und Sieger des ersten Wahlgangs. „Für uns als politische Entscheidungsträger ergibt sich daraus die Verpflichtung, mehr zu kommunizieren und Menschen auch bei kommunalpolitischen Fragen mehr mitzunehmen, um wieder Interesse und vielleicht sogar auch ein Stück weit Begeisterung für die Kommunalpolitik zu wecken.“
Auch der Zweitplatzierte, SPD-Kandidat Thorsten Riehle, ist über die „äußerst niedrige“ Wahlbeteiligung enttäuscht. „Das muss alle demokratischen Parteien umtreiben und ist eine gemeinsame gesellschaftliche Aufgabe.“ Ziel seines Lagers sei es deshalb, „durch örtliche Mobilisierung im zweiten Wahlgang auch diejenigen anzusprechen und zu erreichen, die im ersten Wahlgang nicht den Weg zur Wahlurne gefunden haben.“
Raymond Fojkar (Grüne) hält die generelle Tendenz zu sinkenden Wahlbeteiligungen für „demokratiegefährdend“. Der Grüne bedauert, dass es im aktuellen Wahlkampf nicht gelungen sei, „die Unterscheidlichkeit der Kandidaten klar zu machen“. Auch das dürfte sich auf die Beteiligung ausgewirkt haben. Ein Weg zu einer höheren Wahlbeteiligung sieht Fojkar in mehr persönlichen Begegnungen - zum Beispiel mit einer Ausweitung des „Haustürwahlkampfs“.
„Keinen Mehrwert durch Politik“
Linken-Kandidatin Isabell Belser, die am Montag ihren Verzicht auf eine Kandidatur im zweiten Wahlgang bekanntgab, argumentiert ähnlich wie Specht. „Um eine höhere Wahlbeteiligung zu erreichen, müsste ganz generell die Bedeutung von Kommunalpolitik besser vermittelt werden, auch in der Schule, und die Menschen müssten viel umfassender erleben, dass sie von der Politik einschließlich Kommunalpolitik profitieren“, betont sie.
Zumindest tendenziell sei die Wahlbeteiligung in wohlhabenderen Stadtteilen wie Feudenheim höher. In diesen Stadtteilen hätten die Menschen offenbar eher das Gefühl, „von der Politik zu profitieren oder bei Konflikten ihren Unmut adressieren zu können“. Dagegen, so Belser, erlebten Menschen mit geringerer Teilhabe wie beispielsweise viele Bewohnerinnen und Bewohner der Neckarstadt-West „keinen unmittelbaren Mehrwert durch die Politik, sondern sehen sich eher von ihr vernachlässigt“.
"Wir haben es nicht geschafft, zu begeistern"
Ihn mache die niedrige Wahlbeteiligung „sehr traurig“, sagt auch Thomas Bischoff von der Satire-Partei. „Daran haben die Schuld, die Politik machen - und nicht die, die nicht wählen“, erklärt Bischoff. „Wir haben es nicht geschafft, Wähler ausreichend zu begeistern und zu unterhalten.“
Die parteilose Kandidatin Tanja Krone zeigt sich ebenfalls enttäuscht. „Ich hatte gehofft, dass auch mein Wahlkampf zu einer höheren Wahlbeteiligung beiträgt.“ Schließlich habe sie sich auch an diejenigen wenden wollen, die bislang „keine Lust hatten“ zu wählen. „Um diese Menschen aufzuwecken, braucht es aber wohl viel mehr Zeit und ganz andere Formate, die auch mit direktem Kontakt zu tun haben“, vermutet sie.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel OB-Wahl in Mannheim Niedrige Wahlbeteiligung ist bedenklich für die Demokratie