OB-Wahl Mannheim

Kandidaten, Ergebnisse und ein überragender Sieger: Die Geschichte der OB-Wahlen in Mannheim

Sind acht Kandidierende viel? Wann gab es die höchste Wahlbeteiligung? Und welcher Oberbürgermeister hat das knappste Ergebnis eingefahren? Ein Blick in die Wahldaten von Mannheim von 1948 bis 2015

Von 
Esther Lehnardt
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Drei für Mannheim prägende Oberbürgermeister (v.l.n.r): Hans Reschke (parteilos), Gerhard Widder und Peter Kurz (beide SPD). © Archiv/Thomas Tröster/Christoph Blüthner

Mannheim. Zu einer Wahl gehört es eigentlich, in die Zukunft zu schauen: Wie wird Mannheim in den kommenden acht Jahren geführt? Acht Kandidierende bitten am Sonntag, 18. Juni, um die Stimmen der Mannheimerinnen und Mannheimer. Sie wollen Oberbürgermeister oder Oberbürgermeisterin werden.

Doch sind das eigentlich viele Kandidierende? Und wie hoch oder niedrig fielen die Wahlsiege der bisherigen Mannheimer Oberbürgermeister aus? Für Antworten auf diese Fragen lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit - und auf die Daten der OB-Wahlen in Mannheim seit 1948.  

OB-Wahl in Mannheim: Wie viele OB-Wahlen gab es seit 1948? 

Keine Angst: Auch wenn es hier um Zahlen und Daten geht, wird das keine Lehrstunde in hoher Mathematik. Für Datenfreaks ist natürlich trotzdem die ein oder andere Zahl dabei. Aber fangen wir langsam an: Von wie vielen Wahlen reden wir? Elfmal durften die Mannheimerinnen und Mannheimer in der Nachkriegszeit ihr Stadtoberhaupt direkt wählen. 1948, also vor 75 Jahren, fand die erste Oberbürgermeisterwahl nach dem Zweiten Weltkrieg statt. Elf Wahlen, das klingt nach wenig. Zum Vergleich: Seit 1949 wählten die Deutschen 20 Mal die Abgeordneten für den Deutschen Bundestag.

Oberbürgermeister seit 1948

  • Fritz Cahn-Garnier 1948-1949
  • Hermann Heimrich 1949-1955
  • Hans Reschke 1956-1972
  • Ludwig Ratzel 1972-1980
  • Wilhelm Varnholt 1980-1983
  • Gerhard Widder 1983-2007
  • Peter Kurz 2007-2023

Grund für die verhältnismäßig geringe Zahl an Oberbürgermeister-Wahlen sind die langen Amtszeiten der Oberbürgermeister in Baden-Württemberg: acht Jahre - doppelt so lange wie Legislaturperioden im Bundestag. Der Ausgang einer Oberbürgermeister-Wahl hat also auf lange Zeit Auswirkungen auf die Geschicke der Stadt. Umso mehr, bedenkt man, dass in den vergangenen 75 Jahren niemals ein Kandidat gegen einen der sieben amtierenden Mannheimer Oberbürgermeister gewonnen hat, wenn dieser wieder zur Wahl angetreten ist. 

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Versucht haben es natürlich trotzdem einige. Achtung: Nun wird es doch ein wenig mathematisch. Im Durchschnitt haben seit 1948 je OB-Wahl in Mannheim 5,3 Menschen kandidiert. Mit acht Kandidierenden liegt die Wahl am Sonntag also über dem Durchschnitt. Ein Spitzenwert ist das aber noch lange nicht. 1991 kandidierten 13 Menschen gegen den amtierenden Oberbürgermeister Gerhard Widder. Insgesamt gab es in diesem Jahr also 14 Kandidierende. 

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Darunter ist übrigens auch Doris Grimm, die einzige Frau, die in der Zeit von 1948 bis 2015 für das Amt der Oberbürgermeisterin kandidiert hat. "Wenn ein Schauspieler Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden kann, warum dann nicht eine Hausfrau Oberbrügermeisterin von Mannheim?", begründete die damals 45-jährige Mutter von neun Kindern ihre Kandidatur laut eines MM-Artikels von 1991. Mit zwei Kandidatinnen erreicht Mannheim in diesem Jahr also einen Rekord von zwei Bewerberinnen für das Amt der Oberbürgermeisterin. Zum Vergleich: Von 1948 bis 2015 haben mindestens sieben Männer mit Doktortitel als OB kandidiert. 

Der Datensatz

  • Unsere Auswertung basiert auf einem Datensatz der Stadt Mannheim
  • Im Laufe der Jahrzehnte kam es immer wieder zu Rechtsänderungen, die sich auf die Interpretation der Daten auswirken können. Beispielsweise mussten Kandidierende nicht bei allen ausgewerteten Wahlen Unterschriften von 250 Unterstützern beibringen. Bei der Wahl 1999 waren erstmals EU-Bürger wahlberechtigt, ab 2015 sank das Wahlalter auf 16 Jahre.
  • In dem uns vorliegenden Datensatz ist zudem nicht gänzlich auszuschließen, dass bei weiter zurückliegenden Wahlen einzelne Kandidierende unter den Stimmen der "Sonstigen" einsortiert wurden. Dort tauchen in der Regel die Stimmen der sogenannten Freien Zeile auf.

Vom OB-Kandidat zum Bundeswirtschaftsminister

Und damit kommen wir von Zahlen zu Personen. Denn unter den promovierten Kandidaten findet sich auch Dr. Martin Bangemann. Der FDP-Politiker wollte 1972 Oberbürgermeister in Mannheim werden - und scheiterte krachend. Mit 2,8 Prozent der Stimmen erlitt er eine deutliche Niederlage. Seiner Karriere hat das allerdings nicht geschadet. Bangemann wurde 1984 Bundeswirtschaftsminister unter Helmut Kohl, 1985 Bundesvorsitzender der FDP und 1989 EU-Kommissar für den Binnenmarkt.

Anders als Bangemann erging es übrigens mindestens vier der anderen Kandidaten mit einem Doktortitel bei OB-Wahlen (Hermann Heimerrich, Hans Reschke, Ludwig Ratzel und Peter Kurz - alle SPD). Sie gewannen die Wahl. Hermann Heimerich, der die Geschicke der Stadt von 1949 bis 1955 leitete, war sogar zweimal promoviert. 

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Einen Doktortitel hatte auch der Oberbürgermeister, der mit Abstand den höchsten Wahlsieg seit 1948 einfuhr. Mit 99,8 Prozent der Stimmen sprachen Hans Reschke 1964 fast alle Wählerinnen und Wähler das Vertrauen aus. Keine Überraschung, denn sie hatten vorher dafür demonstriert, dass ihr Oberbürgermeister in Mannheim bleibt.

Der parteilose Reschke war 1955 mit nur 51,1 Prozent der Stimmen ins Rathaus eingezogen. Nach einer Amtszeit wollte ihn der Deutsche Städtetag in Köln abwerben und zum Hauptgeschäftsführer machen. Mehrere tausend Mannheimerinnen und Mannheimer gingen daraufhin auf die Straße. Auf ihren Transparenten war zu lesen: "Reschke bleib am Wasserturm" und "OB Du musst an Mannheim denken und die Geschicke weiter lenken".

"Reschke bleib am Wasserturm": Die Mannheimerinnen und Mannheimer demonstrierten 1964, um ihren OB in der Stadt zu halten. © Archiv

Reschke blieb - und wurde wiedergewählt. Freilich ohne einen Gegenkandidaten. Die SPD stellte schlicht keinen auf. Das macht Reschke in vielerlei Hinsicht besonders: Höchster Wahlsieger, einziger Kandidat ohne Gegenkandidat und einziger direkt gewählter OB Mannheims seit dem Zweiten Weltkrieg, der nicht Mitglied in der SPD war. 

Ein Wahlergebnis von fast 100 Prozent ist natürlich nicht nötig, um die Wahl zu gewinnen. Gehen wir von Zahlen kurz zur Juristerei und schauen aufs Wahlrecht: Um eine Wahl zu gewinnen, muss ein Kandidat entweder im ersten Wahlgang mehr als 50 Prozent der Stimmen holen oder im zweiten Wahlgang den höchsten Stimmenanteil auf sich vereinen. Das müssen nicht zwangsläufig mehr als 50 Prozent sein. 

Ein knapper Wahlsieg im ersten Wahlgang für Peter Kurz

Übrigens: Den knappsten Wahlsieg im ersten Wahlgang fuhr der noch amtierende Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) bei der Wahl 2007 ein. Mit 50,5 Prozent lag er nur knapp über der 50-Prozent-Marke - allerdings lag er immer noch deutlich vor Ingo Wellenreuther, der mit 32,1 Prozent der Stimmen Platz zwei belegte. 

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2015 gelang Kurz ein Sieg im ersten Wahlgang nicht mehr. Er holte 46,8 Prozent der Stimmen. Es kam zu einem zweiten Wahlgang, den Kurz mit 52 Prozent der Stimmen für sich entschied. Und damit kommen wir doch noch einmal zurück zu den Zahlen. Es bleibt interessant, versprochen. Die Wahl 2015 ist eine von vier Wahlen seit 1948, bei der es zu zwei Wahlgängen kam. In allen gewannen die Sieger mit mehr als 50 Prozent der Stimmen, obwohl das für den Sieg nicht nötig gewesen wäre.

Gerhard Widder war mit 24 Jahren und drei Amtszeiten am längsten Oberbürgermeister in Mannheim. © Konstantin Groß

Oberbürgermeister Gerhard Widder (SPD) musste gleich bei zwei der drei Wahlen, die er gewonnen hat, in einen zweiten Wahlgang. Dafür ist er mit insgesamt 24 Jahren (1983-2007) der Oberbürgermeister, der das Amt am längsten innehatte. Die kürzeste Zeit als Oberbürgermeister hatte im Übrigen der erste nach dem Zweiten Weltkrieg direkt gewählte Oberbürgermeister Mannheims, Fritz Cahn-Garnier. Er starb nur ein Jahr nach seiner Wahl zum Stadtoberhaupt.

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Auch die Wahlbeteiligung im ersten Wahlgang fiel in 75 Jahren ganz unterschiedlich aus. 1983 erreichte sie einen Spitzenwert von 61,8 Prozent der Wahlberechtigten, die ihre Stimme abgaben. Bei der Wahl 2015 gab mit 30,7 Prozent der bisher geringste Teil der Wahlberechtigten bei einem ersten Wahlgang seine Stimme ab. Wichtig zu wissen ist aber, dass sich das Wahlrecht seit 1948 an mehreren Stellen geändert hat. Seit 1999 dürfen etwa EU-Bürger, die ihren Hauptwohnsitz in Mannheim haben, den Oberbürgermeister wählen. 2015 durften erstmals Menschen ab 16 Jahren bei der Wahl abstimmen. Ob das die Wahlbeteiligung nachhaltig beeinflusst hat, lässt sich aus den Daten nicht ablesen.

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Sie geben auch keinen Aufschluss darüber, ob die Wahlbeteiligung bei einem zweiten Wahlgang immer höher oder niedriger ist als beim ersten Wahlgang. So lag sie 1980 und 1999 beim zweiten Wahlgang über der des ersten. 1983 und 2015 leicht darunter. 

Der Streifzug durch die Geschichte der OB-Wahlen in Mannheim seit 1948 liefert also manch interessante Zahl, kuriose historische Fakten und ein bisschen Angeberwissen für den Weg zum Wahllokal oder den Kaffee nach dem Kreuzchen-machen. Wie die Zukunft der Stadt aussehen wird, zeigen sie freilich nicht. Darüber entscheiden die Mannheimerinnen und Mannheimer am Sonntag. Der MM wird die Ergebnisse dann mit Blick auf Zahlen und Grafiken einordnen.

Redaktion Online-Redakteurin und Leiterin des Leben-Bereichs des Mannheimer Morgens

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