Mannheim. Dieser Beitrag ist unter den sechs Finalisten der Serie "75 Ideen für ein besseres Mannheim".
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Offiziell ist alles toll, ganz toll. Oberbürgermeister Peter Kurz zeichnet jedes Jahr beim Neujahrsempfang gut ein Dutzend Mannheimer aus – stellvertretend für die vielen, ganz vielen Menschen, die sich ehrenamtlich ins Zeug legen, egal ob für Kultur oder im Katastrophenschutz, ob sie Kinder oder Senioren betreuen, das ganze Spektrum ist dabei. Aber wie wär’s, wenn die dort zu hörenden Reden von der Unverzichtbarkeit des Ehrenamtes auch Auswirkungen auf den Alltag hätten?
Es wäre richtig, es wäre notwendig – aber es ist nicht so. Der Verwaltungsalltag sieht leider anders aus. Die politische Spitze mag das Ehrenamt, die Arbeit von Vereinen und Initiativen noch so sehr und so oft würdigen – beim Kontakt mit den Sachbearbeitern, bei Briefen, Mails und Formularen, hört man von geballtem Formalismus, vom starren Festhalten an Vorschriften, von Verzögerungen, von ganz viel Frust.
Ein Beispiel nur: Eine der SPD angehörende, bestens vernetzte Vereinsvorsitzende erzählt immer wieder, dass sie mit einem bestimmten Projekt nicht weiterkommt. Dabei wird es in einem Dezernat bearbeitet, dessen Chef sogar ihrer Partei angehört. Also müsste es doch reibungslos klappen?! Von wegen. Der politische Wille ist da, daran gibt es keinen Zweifel. Aber es hakt an der Umsetzung, über viele Monate.
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Erzählt wird das nur hinter vorgehaltener Hand. Man will es sich ja nicht mit der Verwaltung verscherzen. Zitieren lässt sich daher niemand. Aber vor ein paar Jahren wäre mal eine der ganz großen, rein ehrenamtlich auf die Beine gestellten Veranstaltungen unserer Stadt, die überregionale Ausstrahlung hat, beinahe abgesagt worden. Plötzlich hieß es nämlich, dass die Kosten der Abfallbeseitigung danach zu tragen sind. Es wurde, auch durch ein Machtwort aus dem Rathaus, in letzter Minute eine Lösung gefunden. Aber warum die große Aufregung?
Sicher, die Stadtreinigung ist eine, wie das im Verwaltungsdeutsch heißt, kostenrechnende Einrichtung, sie muss also ihren Aufwand also durch Gebühren decken. Aber wenn Menschen schon in ihrer Freizeit ohne Entgelt Veranstaltungen für die Allgemeinheit organisieren – müsste dann nicht auch diese Allgemeinheit, sprich die Stadt, wenigstens die Kosten für die Müllabfuhr und die nötigen Umleitungsschilder bezahlen? Das würden sich viele wünschen, die etwa Stadtteilfeste vorbereiten – sprich Events, die doch dem dienen, was die Politik immer fordert: dem sozialen Zusammenhalt, dem Dialog, der Stärkung der Nachbarschaften und Quartiere.
Es gibt Fälle, da funktioniert das noch. Da packt eben im Vorort die Freiwillige Feuerwehr mit an, wenn der Weihnachtsbaum aufzustellen oder die Kerwe aufzubauen ist. Die Männer und Frauen helfen in ihrer Freizeit, aber mit Gerät der Stadt. Das wird „von oben“ teils aktiv gefördert, teils nur gerade noch so gebilligt. Aber dass, wie in kleinen Gemeinden üblich, der Bauhof – in unserem Fall: der Stadtraumservice – vor einer Kerwe die Absperrschilder platziert, ist undenkbar.
Stichwort Kerwe: Wer in einem Vorort solch ein Fest organisiert, bekommt einen Stapel Formulare und danach einen Genehmigungsbescheid mit über zehn Seiten plus Anlagen. „Man kann sich dann heraussuchen, was auf einen zutrifft“, sagt jemand, der das Papier mehrfach in den Händen hielt – wobei mehrfach nichts hilft. Es ändert sich ja (von Corona-Regeln ganz abgesehen) jedes Jahr irgendeine Vorschrift, und für jede Eventualität findet sich da ein Passus, bis hin zum Verbot von Trockenblumen in Festzelten – aus Brandschutzgründen.
Klar, Brandschutz ist unverzichtbar. Aber wie wär’s, das alles zu vereinfachen? Formulare zu verwenden, für die man nicht mindestens eine Verwaltungslehre, wenn nicht gar ein Jurastudium braucht, um alle Fallstricke zu verstehen? Selbst für den Martinszug eines Kindergartens entsteht ja inzwischen ein bürokratischer Aufwand, der nur schwer zu begreifen ist.
Ein Ansprechpartner muss her
Nötig wäre ein – oder besser: mehrere – feste Ansprechpartner im Rathaus für Vereine, die sich als Helfer, als Ermöglicher, als Wegbereiter im Dickicht der Verwaltung verstehen, nicht als „Genehmigungsbehörde“ mit obrigkeitsstaatlichem Gehabe. Vielleicht könnte man sie direkt bei den Bürgerdiensten ansiedeln, gemäß ihrem alten Motto „schnell – freundlich – bürgernah“?
Derzeit kommen sich Vereinsvertreter noch viel zu oft als lästige Bittsteller vor. Dabei wäre es für Mannheim ein Gewinn, wenn sich Ehrenamtliche wieder mehr gefördert, motiviert und unterstützt fühlen würden – gerade wenn es nach der Corona-Pandemie darum geht, viele Veranstaltungen zur Förderung des Zusammenlebens nach zweijähriger Pause wiederzubeleben.
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