Mannheim. Nur noch drei Wochen. Langsam tritt der Bundeswahlkampf in die heiße Phase ein. „Die letzten zwei, drei Wochen sind immer die entscheidenden“, weiß Andrea Wolf von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen aus Erfahrung. Deshalb warnt sie davor, das neue Politbarometer als eine Prognose für die Wahl zu deuten: „Es stehen noch zwei Trielle an, die Debatte über Koalitionen wird sich verstärken. Es ist noch viel Musik drin.“
Allerdings gibt es erneut viel Bewegung in der Sonntagsfrage: Die SPD hat zum dritten Mal hintereinander kräftig zugelegt und liegt jetzt mit 25 Prozent zum ersten Mal seit 2002 auf der Pole Position. Die Union stagniert bei 22 Prozent. Der alte Genosse Trend, der die SPD links liegen ließ, hat sich zurückgemeldet. Offensichtlich hat auch das erste Triell vom Sonntag, bei dem SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz nach Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Forsa vorn lag, der SPD zusätzlichen Schub verliehen.
Unabhängig davon, dass erst am 26. September abgerechnet wird, glauben 42 Prozent der Befragten, dass die SPD die Wahl gewinnen wird. Vor drei Wochen meinte die Hälfte, dass die CDU/CSU mit Armin Laschet den Sieg einfahren würde. Jetzt sehen dies nur noch 26 Prozent so. Und 41 Prozent der Befragten wäre es am liebsten, wenn die SPD die nächste Regierung anführen würde, bei der Union sind es 36 Prozent. Nur 15 Prozent wollen, dass die Grünen die Kanzlerin stellen.
Gleichwohl glaubt nach wie vor die große Mehrheit (89 Prozent), dass die Wahl offen ist. Vor vier Jahren meinten schon 45 Prozent, es sei sicher, wer gewinnen wird. „Dass der Ausgang ungewiss ist, lässt sich auch daran sehen, dass 46 Prozent aller Wahlberechtigten nicht entschieden haben, wem sie ihre Stimme geben“, sagt Wolf.
Das ist fast die Hälfte. Allerdings hat Scholz, so die Wahlforscherin, seinen Vorsprung auf allen Feldern ausbauen können. Inzwischen meinen 70 Prozent, dass er Kanzler kann (Laschet 25, Annalena Baerbock 23). In der K-Frage führt Scholz ebenfalls: Im direkten Vergleich sprechen sich 53 Prozent für ihn aus, 18 Prozent wünschen sich Laschet und 14 Prozent Baerbock.
Auch in der Rangliste der zehn populärsten Politikerinnen und Politiker hält Scholz seinen zweiten Platz hinter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und verbessert sich auf der Skala von plus bis minus fünf von 1,5 auf 1,7. Damit erhöht er den Abstand auf CSU-Chef Markus (Söder), der einen guten Wert mit 1,3 (plus 0,1) hat, ebenso wie Grünen-Chef Robert Habeck (unverändert 1,0). Beide liegen meilenweit vor den Schlusslichtern Baerbock (minus 0,5) und Laschet (minus 0,8). Nicht wenige bei den Grünen und in der Union bedauern, dass sich die zwei Verlierer im internen Wettbewerb um die Kanzlerkandidatur nicht durchsetzen konnten.
Laschet, der beim Triell ziemlich aggressiv war, versuchte am Sonntag, mit einem neuen Thema zu punkten. Er verlangte von Scholz, dieser möge Rot-Rot-Grün ausschließen, weil die Linke mit ihren Positionen zu Nato und Bundeswehr im doppelten Sinn nicht bündnisfähig sei. Obwohl nach den Einlassungen von Scholz und Baerbock davon auszugehen ist, dass die das ähnlich sehen, weigerte sich der Kanzlerkandidat, ein klares Nein auszusprechen. Mit diesem Kurs liegt Scholz zumindest nach Ansicht der Wähler richtig. 57 Prozent meinen, die SPD solle sich da noch nicht festlegen. „Die Bürger sind gegen eine Ausschließeritis“, sagt Wolf. Das ist interessant, weil 63 Prozent glauben, dass die SPD mit den Grünen und der Linken ein solches Bündnis eingehen würde. 57 Prozent fänden das schlecht. Trotzdem scheint der SPD dies umfragemäßig bisher nicht groß zu schaden.
Interessant zu guter Letzt: Die Wähler halten das Thema Klima für das wichtigste in Deutschland. Warum fallen dann aber die Grünen in der Wählergunst? Vielleicht liegt das daran, dass mehr als die Hälfte meint, dass die soziale Gerechtigkeit für ihre Wahlentscheidung am wichtigsten sei. Und dieses Thema fällt eher in die Kernkompetenz der SPD.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Armin Laschet, der falsche Kanzlerkandidat