Noch drei Wochen bis zur Bundestagswahl, und der Wind hat sich gedreht. Im Interview mit dieser Redaktion sagt Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, wie er regieren will – wenn er es noch schafft.
Herr Laschet, die SPD zieht in den Umfragen davon – daran hat auch das TV-Triell der Kanzlerkandidaten nichts geändert. Haben Sie noch einen Joker, um die Trendwende zu schaffen?
Armin Laschet: Das ist kein Spiel. Es geht um unsere Zukunft, um die Sicherheit und den Wohlstand der Menschen. Das ist es, wofür wir kämpfen. Ein Linksbündnis gefährdet den Aufschwung.
Also eine Rote-Socken-Kampagne 2.0?
Laschet: Nein. Vor 27 Jahren war das eine gelungene Kampagne. Jetzt geht es um den gesunden Menschenverstand: CDU und CSU haben ein Zukunftskonzept für Deutschland. Und dieses Konzept verbinden wir mit Köpfen wie dem Zukunftsteam, das ich vorgestellt habe, und unseren weiteren Fachleuten in den einzelnen Themen. Wir machen Team-Wahlkampf, denn wir können stolz auf unsere Fachleute in Regierung, Fraktion und auch außerhalb sein. Und bei der SPD? Da verstecken sich Frau Esken und Kevin Kühnert hinter roten Scholz-Plakaten. Damit niemand merkt, dass Olaf Scholz nur an ihrer Leine regieren dürfte. Was mit ihnen droht, ist klar: ein Anschlag auf unseren Wohlstand. Erst recht mit der Linken. Raus aus der Nato, Verfassungsschutz abschaffen, Teile der deutschen Wirtschaft verstaatlichen – trotzdem ist die SPD offen für ein Bündnis. Das ist nicht akzeptabel.
Rheinländer
Armin Laschet ist seit 2017 Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und seit Januar dieses Jahres auch CDU-Bundesvorsitzender.
Im April wurde der Aachener zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt.
Laschet trat als 18-Jähriger in die CDU ein. Er saß im Bundestag, im EU-Parlament und war Landesminister in NRW. Laschet ist Jurist, arbeitete aber zunächst als Journalist.
Er galt in der CDU besonders zu Beginn seiner bundespolitischen Karriere als Reformer, der auch Kontakt zu den Grünen suchte.
Auch heute bespielt der 60-Jährige nicht nur die politische Bühne: Im Kölner Karneval gibt er den Ehrensenator, 2020 trat er im „Tatort“ auf.
Laschet bezeichnet sich als „rheinisch-katholisch“, er ist verheiratet und Vater dreier Kinder.
Olaf Scholz ist es gelungen, sich als wahren Erben der Ära Merkel darzustellen. Wie erklären Sie sich das?
Laschet: Das behaupten Sie. Angela Merkel selbst sieht es anders und hat sich klar von ihm abgegrenzt. Olaf Scholz hat der Bundeskanzlerin in der großen Koalition das Leben schwergemacht und stand oft auf der Bremse. Er blockiert in Krisenzeiten eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr, um dem linken Flügel seiner Partei zu gefallen. Und zeigt jetzt die Merkel-Raute. Das ist schon etwas sehr plump.
Wollen Sie denn an die Merkel-Jahre anknüpfen – oder haben Sie eine andere Vision für Deutschland?
Laschet: Angela Merkel hat das Land hervorragend durch vier Weltkrisen geführt: Finanzkrise, europäische Schuldenkrise, Flüchtlingskrise und zuletzt die Pandemie, die viele Defizite unseres Staats für alle sichtbar gemacht hat. Genau das will ich besser machen. Ein Weiter-so wird es nicht geben.
Welche Defizite meinen Sie?
Laschet: Unser Land ist nicht modern genug. Auf vielen Ebenen. Wir sind zu langsam – Bahnstrecken, Stromtrassen, Brücken, High-Speed-Internet im ländlichen Raum. Planen, Genehmigen und Umsetzen ist bei uns zu kompliziert geworden, wir verwalten uns zu Tode. Von den Gesundheitsämtern bis zu Schulen – selbst wenn Geld für digitale Ausstattung da ist, wird es nicht abgerufen, weil alles viel zu kompliziert ist. Das werden wir mit einer unionsgeführten Bundesregierung ändern und gleichzeitig die Errungenschaften der Merkel-Ära fortführen. Und: Es gab ein fatales Hin und Her zwischen verschiedenen Ministerien bei der Afghanistan-Frage. Hier brauchen wir dringend einen Nationalen Sicherheitsrat im Kanzleramt.
CSU-Chef Söder hat ausgeschlossen, dass die Union als Juniorpartner der Grünen in eine Bundesregierung eintritt. Schließen Sie auch eine große Koalition unter Führung der SPD aus?
Laschet: Ich spekuliere nicht. Wir tun alles, um auf Platz eins zu sein. Sonst bekommen wir eine andere Republik.
Vizekanzler Laschet – ist das für Sie denkbar?
Laschet: Nochmal: Das Beste für Deutschland ist, wenn die Union die Regierung und den Kanzler stellt.
Aber Sie schließen Rot-Schwarz nicht aus?
Laschet: Wir werden es verhindern.
Welches Wahlergebnis trauen Sie sich zu?
Laschet: Unser Ziel ist, dass gegen CDU und CSU keine Mehrheit gebildet wird.
Wollen Sie auch Stimmen von der AfD zurückgewinnen?
Laschet: Die AfD hat Stimmen aus allen politischen Lagern bekommen – nicht selten auch von früheren Wählern der Linken. Wir werden diese Wahl in der Mitte gewinnen. Gegenüber der AfD gilt: Klare Kante. Bekämpfen und Abgrenzen.
Was bedeutet das für die Flüchtlingspolitik?
Laschet: Wir wollen nur die aufnehmen, die wirklich schutzbedürftig sind. Wir müssen den Schutz der Außengrenzen weiter verbessern. Und anders als unsere Wettbewerber stehen wir dazu, dass wir Gefährder und Straftäter konsequent abschieben wollen.
Würden Sie Straftäter in das Afghanistan der Taliban abschieben?
Laschet: Das richtet sich nach den Lageberichten des Auswärtigen Amts, für jedes Land der Welt übrigens. Danach ist die Abschiebung nach Afghanistan derzeit ausgesetzt.
Wie viele Flüchtlinge vom Hindukusch sollte Deutschland aufnehmen?
Laschet: Zahlenspekulationen sind ein falsches Signal. Es geht um Menschen: Unsere Ortskräfte, Frauen, die besonders gefährdet sind - Politikerinnen, Journalistinnen, Künstlerinnen und viele andere. Sie sollten wir aufnehmen.
Ist Deutschland in den vergangenen Jahren sicherer oder unsicherer geworden?
Laschet: In Nordrhein-Westfalen haben wir Einbruchskriminalität und Gewaltkriminalität durch konsequente Null-Toleranz-Politik zurückgedrängt. Für die Union steht fest: Wir brauchen in ganz Deutschland starke Sicherheitsbehörden, um die Bürger zu schützen. Im rot-rot-grünen Berlin bekommt man den Eindruck, für die Links-Regierung sei die Polizei das Problem, nicht die Kriminellen und Extremisten. Das ist fatal. Wir brauchen mehr Respekt denn je für unsere Polizei- und Rettungskräfte, die immer öfter im Einsatz attackiert werden.
Was ist die größte Bedrohung für die Sicherheit der Bürger?
Laschet: Für das Sicherheitsempfinden der Menschen ist es zwingend, dass man sich in Deutschland überall sicher bewegen können muss. Rechtsfreie Räume darf es nicht geben. Typisches Beispiel: Clan-Kriminalität. Da hat man dreißig Jahre lang gesagt: Ja, hat sich eingebürgert, kann man nicht ändern. Von wegen! Kriminelle Clans haben die Absicht zu zeigen: Wir dominieren die Straße, die Viertel und wir herrschen über die Menschen. Das darf der Staat ebenso wenig dulden wie Parallelgesellschaften.
Worauf wollen Sie hinaus?
Laschet: Ich habe vor ein paar Tagen unserer Einheit Clan-Kriminalität in Essen nochmal den Rücken gestärkt. Inzwischen kommen Ermittler aus Schweden, aus Spanien, um sich anzusehen, wie wir das gemacht haben. Durch vernetzte Finanz- und Ordnungsbehörden, mit einer Politik der 1000 Nadelstiche. Sonst geht es uns wie Schweden, wo Clans mittlerweile mit Langfeuerwaffen unterwegs sind. Neben dieser Art der Kriminalität steht auch der islamistische Terrorismus vor einer neuen Phase nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan.
Wie kann Deutschland sich wappnen?
Laschet: Durch Druck auf die Taliban – zuallererst, um die Ausreise gefährdeter Gruppen und die Einhaltung menschenrechtlicher Mindeststandards zu erreichen. Afghanistan hängt schon sehr von internationaler Hilfe ab. Die müssen wir an Bedingungen knüpfen.
Eine zentrale Einnahmequelle der Taliban ist der Drogenanbau. Fürchten Sie eine Zunahme der internationalen Drogenkriminalität?
Laschet: Natürlich besteht die Gefahr, dass Drogenhandel zunimmt und damit auch der Geldfluss für die Taliban. Wir erwarten von der neuen Regierung in Kabul, dass sie sich an internationales Recht hält – das bedeutet, den Drogenanbau zu unterbinden. Aber wer jeden Tag die Nachrichten verfolgt, sieht, mit welcher Art von Regime wir es dort zu tun haben.
Sind Sie Verfechter einer Null-Toleranz-Politik auch beim Drogenkonsum?
Laschet: Ja.
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung will den Besitz geringer Mengen von Cannabis für den Eigenbedarf nicht mehr als Straftat verfolgen. Irritiert Sie das?
Laschet: Mein Grundprinzip ist: Keine Legalisierung von Drogen. Die gesundheitlichen Schäden für Einzelne, gerade für junge Menschen, und die negativen Auswirkungen auf Familie und Gesellschaft sind zu groß.
Haben Sie selbst mal Cannabis oder andere Drogen ausprobiert?
Laschet: Nein.
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Mannheimer Morgen Plus-Artikel Kommentar Armin Laschet, der falsche Kanzlerkandidat