Sport

Warum Tennistrainer Gerald Marzenell Bloomaul wird - und was ihn mit Fußball verbindet

Er ist in Seckenheim verwurzelt, wohnt in Feudenheim und ist weltweit für seinen Sport unterwegs: Gerald Marzenell, mehrfacher Deutscher Tennismeister und Meistermacher. Ein privates Gespräch über Sport und Mannheim

Von 
Peter W. Ragge
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Vor vielen Andenken: Gerald Marzenell mit einem Tennisschläger von Boris Becker (l.) und einem von 1964 in seinem Wohnzimmer. © Michael Ruffler

Mannheim. Ein bisschen klingt er, als würde er sich entschuldigen. „Ich kann doch nichts dafür“, sagt Gerald Marzenell schulterzuckend, „es hat mich komplett überrascht!“ Nie hätte er daran gedacht, mal Träger des Bloomaulordens zu werden. Als sich das Verleihungskomitee mit ihm treffen wollte, dachte er an alle möglichen Dinge, etwa, dass ihn Achim Weizel für eine Gemeinderatskandidatur für die Mannheimer Liste (ML) gewinnen wolle. „Ich habe es lange gar nicht gerafft und habe dann erst mal geschluckt“, bekennt Marzenell, denn „nicht eine Sekunde“ hätte er mit dieser Auszeichnung gerechnet.

Doch jetzt empfindet er sie „als riesige Ehre und Freude“, auch wenn er sich „erst daran gewöhnen“ müsse, sagt er. Die Reaktionen seien „unglaublich“. So hätten ihm beim Bäcker morgens in Feudenheim plötzlich zwei Frauen gratuliert, frühere Mitschüler und Lehrer meldeten sich, und am Tag, als die Nachricht bekannt wurde, habe er per Telefon und SMS knapp 200 Glückwünsche bekommen. Dabei sei er gar nicht in sozialen Medien, „da wären es sicher noch viel mehr gewesen“, so Marzenell: „Da wurde mir erst mal bewusst, was das für eine wunderschöne, besondere, anerkannte Auszeichnung ist“.

Marzenells Wurzeln sind in Seckenheim

Das Verleihungskomitee rühmt ihn als „aktives Aushängeschild und leidenschaftlichen Bürger seiner Heimatstadt“, so die drei Herren. Tatsächlich hat er trotz weltweiter Erfolge „nicht eine Sekunde lang“, wie er betont, jemals überlegt, von Mannheim wegzugehen. Zwar habe er lange „jedes Jahr Anfragen“ und „eine Menge mehr Geld“ geboten bekommen, ob als junger Spieler oder dann als Trainer, aber sich stets für das Bleiben entschieden, denn sein Herz gehöre nun mal der Stadt.

Infos zum neuen Bloomaul Gerald Marzenell

  • Gerald Marzenell ist am 6. Februar 1964 in Mannheim geboren. Er hat zwei Töchter (26 und 29 Jahre alt).
  • Nach dem Abitur am Lessing Gymnasium besuchte er 1985/86 ein College in Houston, Texas, für Business Administration. Dann absolvierte er eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann bei Sergio Tacchini, Schwerpunkt Event- und Sportlerbetreuung (Verträge).
  • 1991 bis 1993 war er Co-Trainer von Boris Breskvar in dessen Tennisakademie, 1993 bis 1995 Verbandstrainer in Baden, 1995 bis 2002 Co-Trainer Deutsches Damen Fed-Cup Nationalteam.
  • Seit 1997 ist er Teamchef der 1. Bundesliga Herrenmannschaft und Cheftrainer beim Tennisklub Grün-Weiss Mannheim, seit 2011 Geschäftsführer der Tennisklub Grün-Weiss GmbH mit Alleinverantwortung für Vermarktung der 1. Herren Tennis Bundesliga.
  • Zwölf Jahre war er Spielersprecher in Baden, seit 2012 Sprecher der Herren-Bundesligavereine, zuvor zehn Jahre Stellvertreter.
  • Seit 2015 ist Marzenell Bundestrainer DTB (auf Honorarbasis) in den Altersklassen Junioren bis U 21, seit 2023 zudem Sportmanager der SMA im GC St. Leon-Rot für die Bereiche Tennis und Golf.

Aufgewachsen und fest verwurzelt ist Marzenell in Seckenheim, und die Eltern führten lange die Tennishalle Friedrichsfeld, eine Dreifeld-Halle gegenüber der Lilli-Gräber-Halle. Der Vater, auch engagiert auf der Waldrennbahn Seckenheim. starb 2012, „aber meine Mutter ist mit ihren 85 Jahren heute noch jeden Tag da, das hält sie fit“, sagt er. Marzenell lebt seit 2010 in Feudenheim. „Aber ich bin ohnehin selten da“, sagt er – denn ob privat oder in Sachen Sport, Marzenell ist gerne und oft weltweit unterwegs. Muscheln und viele andere Reiseandenken in seinem Wohnzimmerschrank erinnern daran, aber zugleich sind da viele Belege für seine Heimatverbundenheit. So sieht man Krüge der früheren Brauerei Pfisterer Seckenheim und Mannheimer Fasnachtsorden („Ich habe Fasnacht schon immer geliebt“), zudem zahlreiche Pokale und Trophäen.

Warum Marzenell angelt – und wer dabei ist



Es ist das komplette Kontrastprogramm. Einerseits die schnelle Jagd nach der Filzkugel – und dann die absolute Ruhe, das stundenlange Sitzen am Ufer. Man kann sich bei dem umtriebigen, immer aktiven Gerald Marzenell nur schwer vorstellen, dass er irgendwo still ausharrt. Aber genau das tut er, um sich zu entspannen. Schon mit zwölf Jahren hat er den Angelschein gemacht, dann am Neckar gefischt. Heute zieht es ihn an Bergseen im Allgäu.

„Es ist ein Traum“, schwärmt er: „Man vergisst völlig die Welt, ich fahre da total runter, finde es spannend ohne Ende – auch wenn das keiner versteht“, meint er. Er sei „auch schon mal drei Tage an einem See gesessen, ohne etwas zu fangen, das ist ganz egal“, gesteht er, denn darauf komme es gar nicht an – er werfe die Fische ohnehin gleich wieder zurück in den See.

Seine Partnerin allerdings mag es nicht ganz so ruhig. „Ich fahre mit, aber drehe dann mit dem Mountainbike ein paar Runden um den See“, erzählt Kathrin Kölbl. Die Professorin für Marketing Management sowie Gleichstellungs- und Qualitätsbeauftragte an der Dualen Hochschule, auch bekannt als FDP-Stadträtin, ist seit 2011 mit Marzenell zusammen. Kennengelernt haben sie sich bei Grün-Weiss – wo auch sonst.

Neuer Job im Golf

Wenn beide mal Zeit haben, aber es nicht für eine Fahrt ins Allgäu reicht, starten sie zu einem Ausflug in die Pfalz. Marzenell isst „gerne pfälzisch, bayrisch, italienisch oder einfach gut bürgerlich“, wie er sagt. Wann immer es geht, besucht Marzenell auch die Spiele der Adler.

Zudem hat er noch ein neues Hobby – das mittlerweile zum Teil des Berufs geworden ist: Golf. Als ihn die Adler zu einem Benefiz-Turnier eingeladen hatten, konnte er keinen Schläger richtig halten. Aber das weckte seinen Ehrgeiz. Mit Kathrin Kölbl zusammen hat er die Platzreife gemacht. „Wir haben zusammen viel Spaß gehabt“, erzählt er.

2023 wurde Marzenell aber gefragt, ob er auch im Golfsport tätig werden könne. So ist er nun bei der Sportmanagementagentur des Golfclubs St. Leon-Rot tätig. Er unterstützt dort drei hoffnungsvolle Nachwuchstalente, zwei junge Frauen und einen Mann. „Der Athletikplan ist fast wie beim Tennis, die Turnierpläne sind vergleichbar, das ist die ideale Kombination und macht total Spaß, deren Karriere ein bisschen zu fördern“, so das neue Bloomaul. Zudem hält er immer mal wieder Vorträge zu den Themen Teambuilding und Motivation, etwa für Unternehmen, bei Banken und Versicherungen.

Von Mannheimer Fußballer Fips Rohr inspiriert

Dazu zählen die Auszeichnungen als „Top Trainer“ 2011, der Sport-Award der Metropolregion 2021 als „Trainer des Jahres“, aber auch ein Pokal, den er 1988 in Sindelfingen erhalten hat. „Es war einer meiner ersten Pokale“, hebt Marzenell hervor. Er hat ihn in einem Doppel mit einem russischen Tennisspieler gewonnen. „Die Chemie auf dem Platz zwischen uns hat sofort gestimmt, aber vor und nach dem Spiel durften wir nicht miteinander reden, er wurde bewacht“, erinnert er sich an die bizarren Rahmenbedingungen des Spiels noch vor dem Fall des „Eisernen Vorhangs“.

Dabei ist lange nicht klar, dass Marzenell mal ein Tennis-As wird. Lange spielt er nämlich Fußball. Seine sportliche Karriere fängt noch viel früher an, nämlich beim Kinderturnen des SV Seckenheim. „Ich habe mit Purzelbäumen begonnen, dann Leichtathletik, dann Schlagball“, erzählt er, „aber ich konnte nicht hoch genug und nicht weit genug springen“, ergänzt er lachend. Doch seine Leidenschaft sei Fußball geworden: „Ich war jeden Tag mit den Jungs auf dem Bolzplatz, habe zwei Mal die Woche trainiert, und jeden Samstag war ein Spiel“, schildert er seine Jugend und die Zeit am Lessing-Gymnasium.

Ehrung erstmals im Stadthaus

  • Der Bloomaulorden wurde 1970 vom langjährigen „MM“-Herausgeber Rainer von Schilling, damals Fasnachtsprinz, gestiftet. Zunächst als Orden mit Augenzwinkern gedacht, hat er in Mannheim längst den Rang einer hoch angesehenen bürgerschaftlichen Auszeichnung. Regeln dafür, wer – von einem geheim tagenden Dreiergremium aus Markus Haass, Bert Siegelmann und Achim Weizel – mit diesem Orden geadelt werden kann, gibt es nicht. Verliehen wird eine von Gerd Dehof geschaffene, pfundschwere Bronzeplastik des Blumepeter. Überreicht wird sie normalerweise am Fasnachtssonntag im Nationaltheater am Goetheplatz. Doch das wird gerade saniert.
  • Da die Ersatzspielstätte der Oper am Luisenpark noch nicht zur Verfügung steht und es im Schauspiel kein passendes Stück für die Ordensverleihung gab, nahm das Verleihungskomitee ein Angebot vom privaten Oststadttheater im 400 Plätze bietenden Stadthaus in N 1 an. Dort wird erstmals die Verleihung über die Bühne gehen. Die allererste Verleihung 1970 war beim Prinzenfrühstück, Anneliese Rothenberger wurde 1971 bei der Feuerio-Prunksitzung ausgezeichnet.
  • Seit 1972 fand die Übergabe stets im Nationaltheater statt, während der Schließung während der ersten großen Sanierungsphase 1993 im Rosengarten bei einem Konzert des Nationaltheater-Orchesters. Weil das Oststadttheater am Fasnachtssonntag, dem traditionellen Datum, stets pausiert, wird der Bloomaulorden am Sonntag, 18. Februar, während des Stückes „Die Tanzstunde“ von Mark St. Germain verliehen. Die Laudatio hält der Jazztrompeter Thomas Siffling, der 2023 ausgezeichnet worden war.

Dort ist für „Jugend trainiert für Olympia“ ein späteres Bloomaul sein Trainer: Fips Rohr. Ein Spiel im Berliner Olympiastadion vor 8500 Zuschauern 1980 gegen ein Gymnasium aus Mönchengladbach nennt er – noch heute spürbar begeistert – „eine meiner schönsten Erinnerungen“ und sein „Schlüsselerlebnis für meine spätere Trainerrolle“. Fips Rohr habe die Mannheimer Gymnasiasten-Elf im strömenden Regen nach der Halbzeit wegen eines Tor-Rückstands „erst zusammengefaltet und dann eine Predigt gehalten, die uns so viel Energie gegeben hat – das war der Wahnsinn“.

Dafür sei er „heute noch dankbar“, und davon habe er seither profitiert: „Diesen Spirit, diesen Geist einer Mannschaft mitzugeben, dass sie zusammenwächst, dass sie über sich hinauswächst und ein Spiel dreht – das habe ich aufs ganze Leben übertragen und dann auch als Trainer versucht“, so Marzenell.

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Die beginnende Fußballerkarriere endet aber, als in der Mitte der 1970er Jahre neu angelegten Seckenheimer Waldrennbahn Tennisplätze gebaut werden und ein Tennisclub gegründet wird. Erst spielt der jüngere Bruder von Marzenell dort, die Familie ist bei Grillfesten dabei – und irgendwann nimmt auch Gerald den Schläger in die Hand. „Zeitweise habe ich drei Mal in der Woche Fußball gespielt und zwei Mal Tennis, dazu Turniere und Spiele“, erinnert sich Marzenell. Er habe „Fußball sehr geliebt, aber Tennis hat mir auch viel Spaß gemacht“.

Doch schnell wird klar, dass das so nicht weitergeht – zumal er mit dreizehneinhalb Jahren bei einem Bezirkssichtungsturnier als Tennis-Talent entdeckt wird. Es ist die Zeit, als in Leimen das Landesleistungszentrum für Tennis gebaut wird und wo Boris Breskvar (später Trainer von Boris Becker, Steffi Graf und Anke Huber) entdeckt, dass Marzenell einen klasse Aufschlag hat. „Ich musste mich entscheiden, und das fiel mir unendlich schwer, denn mein Herz hing an der Fußballmannschaft“, seufzt er: „Drei Tage habe ich mit mir gekämpft, mich im Zimmer eingeschlossen“. Dann, mit 14 Jahren, fällt die Entscheidung für den Sport mit der Filzkugel, „denn ich spürte, dass ich da besser bin“.

Trainiert mit Steffi Graf und Boris Becker, aber bodenständig geblieben

Er wird Badischer Jugendmeister, trainiert zeitweise in Leimen in einer Gruppe mit Steffi Graf und Boris Becker, zu denen der Kontakt nie abgerissen sei, aber auch dem heutigen Adler-Geschäftsführer Matthias Binder. Seine Eltern hätten sich den damals teuren Sport, das Training und die Fahrten zu Turnieren irgendwann nicht mehr leisten können, aber ein Gönner habe dann die Aufnahmegebühr und den Beitrag für Grün-Weiss übernommen. Daher habe er eine so emotionale Bindung an den Verein: „Ich will da nie weg!“

16 Jahre ist Marzenell Bundesligaspieler für Grün-Weiss und der Spieler mit den meisten Bundesligaeinsätzen in Deutschland jemals, nämlich 213. Er schafft es bis auf Platz 182 der ATP-Weltrangliste, wir Deutscher Mannschaftsmeister 1993 und 1996 als Spieler, dann als Trainer der Meisterteams 2005, 2007, 2010, 2018, 2019 und 2021. Dazu kommen die Vizemeisterschaften 1999, 2008, 2017 und 2023. Aber er ist bodenständig geblieben: „Ich freue mich jeden Morgen neu auf meine Arbeit“, so Marzenell.

Redaktion Chefreporter

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