Mannheim. Wenn am Sonntag (hoffentlich) Zehntausende Mannheimer und Mannheimerinnen in die Wahllokale gehen, hat Nils Thomas sein Kreuz bereits gemacht. Der Schüler ist am Wochenende nicht in Mannheim und wollte deshalb schon unter der Woche im Wahlbüro abstimmen. „Das wird auf jeden Fall ein besonderer Moment“, sagt er im Gespräch, bevor er seine Stimme abgeben will. „Das erste Mal ist ja eigentlich immer was Besonderes.“
Erstwähler in Mannheim: Zwei Mannheimer wählen zum ersten Mal
Zusammen mit seinen Mitschülerinnen Isabell Busch und Dilara Tokcan gehört Thomas zu den Jugendlichen in Mannheim, die in diesen Tagen zum ersten Mal in den wichtigsten Beteiligungsprozess in einer Demokratie integriert werden. „Man hat das Gefühl, dass man etwas bewirken und mitmachen kann“, sagt Tokcan. Auch Busch freut sich. „Beim ersten Mal gleich den Oberbürgermeister zu wählen, ist schon etwas Besonderes“, sagt sie. „Wir leben in dieser Stadt und wollen hier ja auch etwas verändern.“ Busch glaubt daran, dass das neue Stadtoberhaupt Veränderungen schaffen kann.
Beim ersten Mal gleich den Oberbürgermeister zu wählen, ist schon etwas Besonderes.
Etwa 235 000 Mannheimer und Mannheimerinnen sind dazu aufgerufen, spätestens am Sonntag ihr Kreuz zu machen. Genau 9472 in Mannheim lebende Jugendliche, die einen deutschen Pass oder den eines EU-Staats besitzen, sind laut Stadtverwaltung zwischen 16 und 20 Jahre alt und damit zum ersten Mal wahlberechtigt.
Etwa 1000 von ihnen haben sich am Dienstag bei der Podiumsdiskussion von „Bock auf Wahl“ im Zirkus Paletti ein Bild von den Kandidatinnen und Kandidaten gemacht. „Ich gehe auf jeden Fall wählen - weiß aber immer noch nicht genau, wen“, sagt Simon nach der Veranstaltung. „Ein paar Tage habe ich ja noch.“ Eine Mitschülerin, die ihren Namen nicht nennen will, hat sich dagegen schon entschieden. Für wen, das verrät sie natürlich nicht. „Ich bin immer mit meinen Eltern zur Wahl gegangen. Es fühlt sich irgendwie erwachsen an, dass ich jetzt selbst wählen darf.“
Schule und soziale Medien
In den Leistungskursen Gemeinschaftskunde haben Thomas, Busch und Tokcan mit ihren Lehrerinnen Anja Stephan und Andrea Schwenker die Diskussion des Schulbündnisses organisiert. Da haben sich die Jugendlichen natürlich intensiv mit den Kandidaten und Kandidatinnen beschäftigt. Thomas spricht gar von einem „Privileg“, das den Jugendlichen dadurch im Unterricht zuteilgeworden ist. Tokcan hat außerdem beim Kandidat-O-Mat mitgewirkt. Sie habe sich aber auch anderweitig informiert. „Ich fand es interessant, was die Kandidaten und Kandidatinnen jeden Tag auf Instagram gepostet haben und so zu sehen, wie ein Wahlkampf organisiert wird“, sagt Tokcan, die auf Instagram den „Bock auf Wahl“-Account betreut und deshalb die sozialen Medien besonders im Blick hatte.
Acht 16. Geburtstage am Sonntag
Neben dem Mega-Thema Verkehr und Mobilität interessiert sich Thomas vor allem für die Rheindammsanierung. „Ich finde es unglaublich, dass man so viele hundert Bäume abholzt, wenn es andere Lösungen gibt.“ Busch hofft unter anderem darauf, dass künftig Bahnen häufiger fahren und Fahrradwege ausgebaut werden.
„Wenn ich mit dem Rad in die Schule fahre, muss ich oft über Straßen, auf denen ich mich nicht immer sicher fühle.“ Tokcan hält - neben der Chancengleichheit in allen Stadtteilen - das Thema Migration für wichtig. Einst sind ihre Großeltern als Jugendliche nach Mannheim gekommen. „Wegen der Klimakrise werden immer mehr Menschen auswandern“, glaubt Tokcan. Deshalb sei es ihr wichtig, dass ein Oberbürgermeister oder eine Oberbürgermeisterin ein Konzept entwickelt, wie das Thema künftig angegangen wird.
Jugendliche an Politik interessiert
Die Drei interessieren sich nicht erst durch das Engagement bei „Bock auf Wahl“ für Politik. Das zeigt sich schon daran, dass sie Gemeinschaftskunde als Leistungskurs belegen. Wie nimmt das Trio die Diskussionen in ihrem Umfeld wahr? Interessiert die Wahl auch Jugendliche, die sich im Alltag weniger stark mit Politik beschäftigen als Busch, Thomas und Tokcan?
Die Konversationen und Ansätze sind da - aber ich weiß, dass es im Freundeskreis auch Leute gibt, die nicht wählen, weil sie sagen, das bringe nichts oder interessiere sie nicht.
„Ich spreche im Freundeskreis schon viel über Politik“, antwortet Tokcan. Dabei treffe sie auf Zustimmung genauso wie auf Empörung über Politik. „Die Konversationen und Ansätze sind da - aber ich weiß, dass es im Freundeskreis auch Leute gibt, die nicht wählen, weil sie sagen, das bringe nichts oder interessiere sie nicht.“ Diese Erfahrung teilt Thomas. „Bei manchen fehlt auch einfach das Bewusstsein und das Wissen, dass es überhaupt eine Wahl gibt.“ Wie kann man dieses Bewusstsein schaffen? Thomas sieht da auch die Schulen in der Pflicht. „Gerade im Politikunterricht ist es viel wichtiger, aktuelle Themen zu besprechen als nur den Lehrplan abzuarbeiten und zu besprechen, was Direktmandate sind oder wie eine Wahl abläuft“, meint er. „Das, was gerade passiert, ist das, was die Menschen interessiert.“
Laut Verwaltung werden acht Jugendliche übrigens erst an diesem Sonntag 16 Jahre alt. Auch sie sind dann wahlberechtigt. Am 16. Geburtstag bei einer der spannendsten Wahlen in der Geschichte der Stadt über deren Zukunft mitentschieden zu haben, das können wohl nicht viele von sich behaupten. „Wenn am Ende nicht der gewinnt, den man sich gewünscht hat, ist das natürlich schade“, sagt Busch zwar. „Aber jede Stimme zählt - also auch meine.“
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