Waffenlieferungen

Mannheimer Coleman-Kaserne ist Drehscheibe für US-Schützenpanzer „Bradley“

Der Ukraine-Krieg ganz weit weg? Nicht in Mannheim. In der amerikanische Coleman-Kaserne gibt es seit einem Jahr deutlich mehr Aktivitäten als zuvor. Dabei spielen auch spezielle Panzer der US-Army eine wichtige Rolle

Von 
Peter W. Ragge
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Ein Luftbild der Coleman-Kaserne in Mannheim aus dem Jahr 2017. © ZInke

Mannheim. Es gibt Leute, die erschrecken richtig: Im Februar 2022 tauchen plötzlich wieder Militärkolonnen auf der Autobahn auf, sieht man Tieflader mit Panzern und endlose Güterzüge voller Fahrzeuge in Tarnfarben.

Schon in den Tagen vor dem Angriff der russischen Streitkräfte auf die Ukraine verstärkten die Amerikaner ihre Aktivitäten in der Mannheimer Coleman-Kaserne zwischen Scharhof und Blumenau. Inzwischen gilt sie als enorm wichtige Drehscheibe für Waffenlieferungen in die Ukraine, gerade in diesen Tagen.

Sammelpunkt für Schützenpanzer

Fragen dazu beantwortet die US Army nicht – das eine Hauptquartier verweist an das andere, das Bundesverteidigungsministerium verweist an die Amerikaner. Aber dass Militärhilfe für die Ukraine auch über Coleman abgewickelt wird, ergibt sich klar aus einer der Redaktion vorliegenden Veröffentlichung der US Army. Danach dient der Stützpunkt Sandhofen als Sammelpunkt für Schützenpanzer vom Typ „Bradley“ für die Ukraine.

Das Material kommt aus den Vereinigten Staaten in großen Seeschiffen in Bremerhaven an, alleine in den vergangenen Tagen zwei große Frachter mit Hunderten von militärischen Fahrzeugen. Sie werden auf der von den Amerikanern genutzten ABC-Halbinsel im Kaiserhafen ausgeladen.

Der "M2 Bradley"-Schützenpanzer auf dem Gelände der Coleman-Kaserne. Das Foto stammt aus dem Jahr 2015. © Markus Prosswitz

Nach Angaben von Augenzeugen aus Bremerhaven wurden Seecontainer rund um den Lagerplatz aufgestellt, um die Einblicke zu erschweren. Dennoch ist erkennbar, dass es sich um zahlreiche Schützenpanzer, Tanklaster und viele weitere Militärfahrzeuge handelt. Darunter sind auch gepanzerte Truppentransporter vom neuen Typ „MaxxPro“, die über einen speziellen Minenschutz verfügen. Der Weitertransport von Bremerhaven erfolgt mit einer zivilen Spedition.

Die erste Lieferung der Infanterie-Kampffahrzeuge ist demnach am Wochenende in Coleman eingetroffen. Dabei handelt es sich um mehr als 60 „Bradleys“, die Charleston in South Carolina vor etwa drei Wochen verließen. Sie seien Teil eines US-Militärhilfeabkommens in Höhe von 2,85 Milliarden US-Dollar, um der Ukraine zu helfen.

Erfahrene Arbeitskräfte

„Dies ist eine entscheidende Anstrengung, um sicherzustellen, dass wir unsere Verbündeten und Partner weiterhin unterstützen und der Ukraine helfen, sich vor den unprovozierten Angriffen Russlands zu schützen“, wird Jason Todd, stellvertretender Einsatzoffizier des Army Field Support Battalion Mannheim, von der Armee zitiert. „Es demonstriert unsere Fähigkeit als gesamtes Armeeteam, sicherzustellen, dass kontinuierliche Unterstützung dort ankommt, wo sie benötigt wird.“

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Dabei sei Coleman, wo es moderne Wartungseinrichtungen, extrem gut ausgebildete und erfahrene Arbeitskräfte und einem Vorrat an Ersatzteilen gebe, „nur ein Rädchen“ in einer viel größeren Maschinerie zur Unterstützung der laufenden US-Operationen in Europa und der Verteidigung der Ukraine.

Personal in Mannheim verstärkt

Das Mannheimer Personal sei durch Angehörige des Red River Army Depots Texas, des Kommunikations- und Elektronikkommandos der US-Armee und des Rüstungskommandos der Armee verstärkt worden, um die Fahrzeuge einsatzbereit zu machen.

Bradley Schützenpanzer

  • Der "Bradley" gehört zu den meistgebauten Schützenpanzern der Welt.
  • Seit der Indienststellung der ersten Exemplate im Mai 1981 wurden insgesamt 6785 Exemplare hergestellt.
  • Der Panzer ist nach dem US-amerikanischen General Omar N. Bradley benannt.
  • Der "Bradley" wird außer von den USA auch von den Streitkräften Saudi-Arabiens, Kroatiens, der Ukraine und des Libanons verwendet. 

Im vergangenen Jahr habe das Bataillon mehr als 7000 Fahrzeuge und Ausrüstungsteile zur Unterstützung der US Army in Europa und der Verbündeten gewartet und der Truppe zur Verfügung gestellt, auch Tanklaster und Munitionstransporter. Schon vor dieser Lieferung von neuen „Bradleys“ seien vom Mannheimer Bataillon „Dutzende von Bradleys“, wie es heißt, ausgegeben worden, um die Ausbildung der ukrainischen Streitkräfte für Betrieb und Wartung der Schützenpanzer zu unterstützen.

Wo diese Ausbildung stattfindet, sagt die US Army aber nicht, und auch das Bundesverteidigungsministerium beantwortet das nicht. Hier gilt höchste Geheimhaltung. Anwohner haben bislang aber lediglich sehr viele Transporte, nicht jedoch Übungsbetrieb beobachtet. Für Schießtraining wäre Coleman auch nicht geeignet – wohl aber zur Unterweisung und Einarbeitung von Instandsetzungssoldaten.

Auf dem Mannheimer US-Gelände Coleman wird im Jahr 2015 ein Panzer des Typs "M2 Bradley" gewartet. © Markus Prosswitz

Die 1935 als Fliegerhorst der Wehrmacht gebaute Kaserne war 1945 von Amerikanern besetzt worden. Sie wurde für eine Infanteriedivision und Transporteinheiten, als Flugplatz sowie als Hubschrauberwerft und Tanklager genutzt. Auch das einzige US-Militärgefängnis außerhalb der USA sowie der Soldatensender AFN befanden sich hier. Diese Einrichtungen sind alle seit 2014 geschlossen.

Strategischer Standort in Europa

2015 – und damit wenige Monate nach dem Überfall der Russen auf die Krim – gaben die Amerikaner buchstäblich wenige Tage vor der geplanten Rückgabe der Kaserne an die Deutschen bekannt, dass sie das 220 Hektar große Areal doch nicht, wie 2010 angekündigt, räumen und zur zivilen Nutzung freigeben. Sie sprachen erst von einer „Zwischenlösung“,

2017 wurde es ein „strategischer Standort“ als Materiallager für eine schnelle Eingreiftruppe für Osteuropa, und im August 2021 teilten die Amerikaner offiziell mit, dass Coleman dauerhaft einer der deutschen Standorte sein soll, der nicht aufgegeben wird. Schließlich liegt er nahe an der Autobahn, und die Kaserne hat einen Bahnanschluss mit 5,5 Kilometer Gleisen auf Coleman, wo bis zu vier Güterzüge gleichzeitig zusammengestellt werden können.

Eines der größten Lager weltweit

Heute heißt der Standort „Coleman Worksite“. Er ist Sitz eines Heeresfeldunterstützungsbataillons – und eines der größten Lager der US-Armee weltweit außerhalb der USA. Hier lagert das Gerät, auch die neuesten „Abrams“-Panzer, für ein Bataillon – also 5000 Mann. Sie würden im Verteidigungsfall via Ramstein nach Deutschland geflogen. Auch beim großen Nato-Manöver „Defender Europe 2020“ spielte Coleman bei der großen Verlegung von amerikanischen Truppen für die Übung eine Hauptrolle.

Fachleute von Coleman bauen derzeit auch ein aus Nato-Mitteln finanziertes Lager mit Material für eine Brigade in Powidz, Polen, auf. Beide Standorte „erleichtern die schnellen Abschreckungsmöglichkeiten der Nato“, so die US Army.

Redaktion Chefreporter

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