Gerade jetzt, im zu Ende gehenden Jahr, wäre es wichtig, die Kinder in unserer Gesellschaft in den Blick zu nehmen, die es schwerer als andere haben. Wie wäre es denn, wenn Mannheim ein Vorbild für Bildungsgerechtigkeit würde und Schule, nicht nur als Lernort, sondern auch als Lebensraum verstanden und ausgebaut werden würde?
Klar fallen mir als Kreisvorsitzender eines Lehrerverbandes wichtige Forderungen auf Landesebene ein: Senkung des Klassenteilers, Ausbau der Vorbereitungsklassen und Senkung der Deputate – auch, um den Beruf attraktiver zu gestalten. Forderungen, die dauerhaft ans Kultusministerium herangetragen werden. Doch was kann die Stadt Mannheim als Schulträger unternehmen? Wie wäre es mit einer Weiterentwicklung der Eltern-Kind-Zentren, die sich in einigen Kindergärten schon lange bewährt haben?
So könnten nicht nur an Grundschulen multiprofessionelle Teams installiert werden, um Kindern und Eltern eine optimale Beratung und Unterstützung zu gewähren. Es könnten zum Beispiel Mitarbeiter des Jugendamts und der psychologischen Beratungsstellen niederschwellig offene Sprechstunden in der Schule anbieten.
Deutschkurse für Eltern könnten während der Schulzeit der eigenen Kinder an der Schule besucht werden. Des Weiteren könnte man in Ankommensquartieren eine Erstberatung für Hort- und Kindergartenplätze (Meki) und im Bereich der finanziellen Hilfen anbieten. Auch Logopäden und Ergotherapeuten könnten Erstgespräche führen und dann weitere Schritt besprechen.
Wie wäre es weiterhin mit einer Neukonzeption des Übergangsmanagements zwischen Kindergarten und Grundschule beziehungsweise Grundschule und Sekundarstufe I, um den Bedürfnissen und Problemlagen der Kinder gerechter zu werden – natürlich unter Berücksichtigung des Datenschutzes – aber ohne dass er alles verhindert? Darüber hinaus könnte auch eine engere Kooperation der Bildungseinrichtungen entstehen und ein gemeinsames Sprachförderkonzept, das sich von Kindergarten über Grundschule in die Sekundarstufe I zieht, umgesetzt werden.
Der Autor Ulrich Diehl
Ulrich Diehl ist Leiter der Käthe-Kollwitz-Grundschule und Kreisvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE).
Zusätzlich sollten alle Mannheimer Kinder, egal, aus welchem Haushalt sie stammen, mit ihrem Kindergarten oder ihrer Schule die Möglichkeit haben, zumindest einmal die kulturellen und freizeitlichen Einrichtungen wie Nationaltheater, Kunsthalle, Museen oder Parks besuchen zu können – eine Weiterentwicklung des erfolgreichen MAUS-Programmes (Mannheimer Unterstützungssystem Schule) also. Das kann doch nicht alles Aufgabe von Schule sein, werden zurecht einige Kritiker sagen. Eigentlich ist es auch eine primäre Aufgabe der Eltern, sich um das Wohl und die Förderung der Kinder zu kümmern. Was machen wir aber, wenn Eltern dies, aus welchen Gründen auch immer, nicht leisten können? Wenn sie nicht den Weg in die Innenstadt zu einem Logopäden oder einer Erziehungsberatungsstelle schaffen?
Wenn wir das Schlagwort Bildungsgerechtigkeit ernst nehmen würden, können wir die Kinder nicht dafür bestrafen, sondern müssen anfangen, diese Kinder bestmöglich in den Bildungseinrichtungen zu unterstützen, die sie Tag für Tag besuchen. Vielfältige Studien haben zudem gezeigt, dass die Corona- Pandemie Kinder aus benachteiligten Familien deutlich härter getroffen hat.
Also worauf warten? Bereits 1900 hatte die schwedische Pädagogin Ellen Key das 20. Jahrhundert zum Jahrhundert des Kindes ausgerufen. Wie wäre es also jetzt, wenn die Bürger und Bürgerinnen Mannheims eine Offensive der Bildungsgerechtigkeit für Kinder unserer Stadt starten? Eine Schule mit einem Mehrwert für alle Kinder und der Gesellschaft. Wir können es uns nicht mehr leisten, auch nur ein Kind zu verlieren.
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