Die Aufgabe ist groß: Die Stadt der Zukunft muss Verdichtung und Lebensqualität unter einen Hut und in ein Gleichgewicht bringen, um langfristig lebenswert zu sein. Soziale Durchmischung, kulturelle Vielfalt, attraktive öffentliche Räume, vernünftige Mobilitätskonzepte, ökologische Integrität, ein attraktives und unverwechselbares Stadtbild - all das gehört dazu. Ein Riesenanspruch. Und wie soll das gelingen? Eine große Rolle, davon sind Experten überzeugt, spielt gescheite Öffentlichkeitsarbeit - sowohl bei der Stadtplanung als auch bei der Architekturvermittlung. Letztere müsste endlich in Mannheim verortet werden - nicht nur online, sondern auch in einem festen Architektur-Forum für die Bürger, um Qualitäten beim Bauen zu sichern.
Heute will man mehr
Noch immer produziert die moderne Gesellschaft leider unter Kostendruck häufig kurzlebig Uniformes. Ergebnis im Erscheinungsbild waren in der Vergangenheit Städte so wie überall, international austauschbare Stadtbilder und Einkaufszonen. Originalität Fehlanzeige. Eine attraktive Stadtgestaltung aber nimmt Spezifisches auf und entwickelt es weiter. Heute will man mehr, vor allem Wertschöpfung in vielen Bereichen. Wichtig dabei: der Dialog mit Anwohnern, Öffentlichkeit und Transparenz. Dazu braucht es auch in Mannheim ein Forum, um Fragen von Architektur an Ottonormalverbraucher rechtzeitig vor politischen Entscheidungen zu vermitteln. Qualitätsvoller Städtebau und Architektur sind zwar ein spannendes Thema, werden aber zu selten positiv öffentlich diskutiert. Wenn Diskussionen in Gang kommen, dann oft zu spät in einer aggressiven Ablehnung des Neuen. Oft wird versäumt, am Anfang aktiv Öffentlichkeit herzustellen, zu überzeugen und die Dynamik einer Stadt für ihre eigene Entwicklung zu nutzen. Ergebnis: Am Ende stehen sich Positionen unversöhnlich gegenüber.
Mannheim hat sich zwar mit dem dem halbwegs autonom agierenden Gestaltungsbeirat auf den richtigen Weg begeben. Doch so richtige Erfolge kann man nicht aufweisen. Vieles geschieht hinter verschlossenen Experten-Türen, wird kaum offensiv nach außen getragen. Mitunter fehlt es an Mut, wirklich prekäre Fragen offen zu diskutieren.
Besser wäre, Pläne frühzeitig ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken: Man spricht über Themen, stellt sich den Fragen, organisiert Prozesse, an denen Menschen teilnehmen, mitdenken und sich artikulieren können. Für den renommierten Architekten und ehemaligen Gestaltungsbeiratsvorsitzenden Prof. Carl Fingerhuth sind die drei wichtigsten Prinzipien für das Gelingen von anspruchsvoller Stadtentwicklung: „Dialog, Dialog, Dialog“. Den politisch Verantwortlichen rät er, Prozesse zu ermöglichen, „wo Menschen dabei sind, mitdenken und sich artikulieren können“. Nur eine integrierende Stadtentwicklung könne die Vielfalt städtischen Lebens erfassen, abbilden und einbeziehen.
Wie sieht ein Haus aus, was ist ein Grundriss, was ein Maßstab, wie entstehen Wettbewerbsverfahren? Wie kann man Wettbewerbsergebnisse interpretieren und verstehen? Was, wo entsteht, und warum, das bleibt aber allzu oft für interessierte Bürger und Bürgerinnen im Dunkeln. Ziele und Absichten von Bauherren und Investoren erscheinen nicht selten undurchsichtig, Vorgänge beim Planen hinter den Kulissen sind intransparent. Ein höchst undemokratischer Vorgang - zumal es meist nicht nur ums Bauen an sich geht, sondern auch um den Städtebau und die Gestaltung öffentlicher Räume. Am Ende um das Leben an sich auf Plätzen, in Räumen und auf Flächen. Da möchte man mehr wissen, eventuell mitreden, sich einbringen. Gestalten und Bauen als Beteiligungsprozess, Teilhabe ermöglichen - genau das gehört zur Baukultur.
In anderen Städten gibt es solche offenen, unabhängigen Architekturschaufenster schon lange. In Stuttgart (Haus der Architektur) zum Beispiel, in Freiburg (Architekturforum e.V. in Kooperation mit Kammer und Werkbund) oder in Karlsruhe. Dort in der Fächerstadt macht man gute Erfahrungen mit ehrenamtlicher Architekturvermittlung. Das Interesse an Fragen der Stadtplanung und -gestaltung ist überall groß. Was in Karlsruhe gelingt, sollte auch in Mannheim klappen.
Interesse wecken für gutes Bauen und gescheite Architektur, hinter die Fassaden blicken, dabei auch Laien mitnehmen - das hat sich immerhin der neue Verein, Mannheims Ort für Architektur e.V., MOFA, auf die Fahnen geschrieben. Eine super Sache. Denn: Architektur auch abseits von professionellen Wettbewerben zu erklären, ist ein wichtiger Auftrag. Schließlich prägt jedes kleine Gebäude das Bild einer Stadt. Anders als der existierende städtische Gestaltungsbeirat, bei dem sich Experten austauschen, bietet der Verein eine Plattform, bei der gerade Fachunkundige mitmachen, mitdenken und sich artikulieren können.
Eine solche Architekturvermittlung ist eine wichtige Form von Baukultur. Diese zu gestalten, war in Mannheim längst überfällig. MOFA hat sie aufgegriffen mit Veranstaltungen und Vorträgen - zunächst an wechselnden Orten. Nun braucht es einen festen Rahmen, einen zentralen Ort, ein Forum für Architektur mit Schaufensterwirkung.
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