75 Ideen für ein besseres Mannheim - Teil 63 - Könnte nicht auch Mannheim mehr aus seiner Lage an Rhein und Neckar machen? Diskutiert wird darüber regelmäßig – passiert ist relativ wenig.

Mannheim, wie wär’s mit … einer Hafencity?

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Martin Geiger und Timo Schmidhuber
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Links der Neckar, rechts der Rhein und dazwischen ein „Dreieck“, das fast so groß ist wie die Quadrate: der Handelshafen. © Bernhard Zinke

Mannheim. Die modernen Wohn- und Bürohäuser spiegeln und glänzen um die Wette, die öffentlichen Plätze wirken einladend, sauber, belebt und die direkte Lage am Wasser verströmt diesen typischen maritimen Flair der großen weiten Welt: Die Hamburger Hafencity ist chic, teuer und ein Beispiel dafür, wie eine Zukunftsmetropole aussehen kann. Ist das jetzt vermessen oder geht so etwas nicht auch in Mannheim, das nach Meinung vieler zu wenig aus seiner Lage an Rhein und Neckar macht?

Die beiden Architekten Robin Lang und Wulf Kramer vom Büro Yalla Yalla! zumindest finden, dass die Stadt mehr aus ihren Hafenflächen herausholen könnte – und sie nicht nur für Gewerbebetriebe nutzen sollte, sondern auch als Wohn-, Büro- und Freizeitflächen.

© Robin Lang

Besonders für den direkt an die Innenstadt angrenzenden Handelshafen – also das „Dreieck“ zwischen Rhein, Neckar und dem Verbindungskanal, das oft auch als Mühlauhafen bezeichnet wird – können sie sich viel vorstellen. „Hier könnte ein ganz neues Stadtquartier entstehen“, sagt der 38-jährige Kramer. „Mit einem Mix aus Wohnen, Freizeit und produzierendem Gewerbe. Das wäre eine enorme Chance für Mannheim.“ Immerhin ist die reine Landfläche mit knapp 1,4 Quadratkilometern fast so groß wie die der Quadrate mit rund 1,7.

Speicher 7 erfolgreiches Beispiel

Selbst Hafenlogistik hält Kramer daneben – zumindest zum Teil – für möglich. „In 20 Jahren werden die dafür nötigen Fahrzeuge ja viel emissionsärmer und leiser sein als heute.“ Der Speicher 7 – das erfolgreiche Hotel am Rheinkai – ist für den Stadtplaner das beste Beispiel, wie gut eine neue Nutzung ankommt.

Ohnehin, sagt Kramers Geschäftspartner Robin Lang (35), befänden sich im Hafen viele Unternehmen, die eine direkte Anbindung ans Wasser gar nicht bräuchten. „Warum muss ein Fliesengroßhandel oder ein Entsorgungsbetrieb unbedingt da sein?“, fragt Lang. „Die könnten ja auch in ein normales Gewerbegebiet. Und für die Betriebe, die dringend eine Wasseranbindung brauchen, gibt es in Mannheim ja auch noch andere, weniger innenstadtnah gelegene Hafenflächen wie den Rheinauhafen.“

Einer der größten Binnenhäfen Europas

  • Zum Mannheimer Hafen gehören vier Gebiete: Handelshafen (zu dem auch der Mühlauhafen gehört), Rheinauhafen sowie Altrhein- und Industriehafen.
  • In diesen vier Gebieten befinden sich 14 Hafenbecken sowie drei Stromhäfen. Die Uferlänge misst knapp 55 Kilometer. Dazu kommen rund 35 Kilometer Straßen und ein Gleisnetz von fast 100 Kilometern. Damit hat Mannheim einen der größten und bedeutendsten Binnenhäfen Europas.
  • Die Staatliche Rhein-Neckar-Hafengesellschaft Mannheim ist eine Tochtergesellschaft des Landes. Sie hat rund 75 Beschäftigte.
  • Dem Beteiligungsbericht des Landes zufolge lag der wasserseitige Güterumschlag des Hafens 2019 bei knapp 8 Millionen Tonnen. Der Umsatz belief sich auf rund 20 Millionen Euro. An Pachtzahlungen und Gewinnabführungen überwies der Hafen dem Land 2019 zusammen fast 4 Millionen Euro.

Andere Städte haben es längst vorgemacht, allen voran Hamburg: Dort sind andere Hafengebiete ausgebaut worden – im Gegenzug konnten die innenstadtnahen Flächen für die neue Hafencity genutzt werden.

Eine „Neunutzung“ in derart großem Stil ist natürlich nicht von heute auf morgen möglich, das ist Kramer und Lang durchaus klar. Die Unternehmen haben jahrzehntelange Mietverträge mit dem Hafen. Außerdem gibt es viele Aspekte, die man dabei berücksichtigen muss: Was will das Land als Besitzer des Hafens, was will die Stadt, was erlaubt oder verbietet das Bundeswasserstraßengesetz bei einer Nutzung der Flächen am Wasser? „Es muss der politische Wille da sein, so etwas angehen zu wollen“, formuliert es Lang. Die Zeit dafür sei nun reif: „Jetzt ist der Konversionsprozess stadtplanerisch abgeschlossen. Jetzt könnte man sich diesem Projekt widmen.“

Beginnen könnte man nach Ansicht von Lang und Kramer aber schon mal mit kleinen Schritten. Für zwei Stellen hätten die beiden bereits Ideen. Zum einen die Böschung am südlichen Ende des Verbindungskanals, auf der Jungbusch-Seite. Dort könnte sich Lang zum Beispiel eine kleine „Hafenklause“ mit angeschlossenem Kajakverleih vorstellen. „Abends eine Runde im Hafen paddeln und anschließend den Sonnenuntergang am Steg genießen, und vielleicht hat man dann sogar noch die Füße im Wasser. So könnte man erste direkte Berührungspunkte zum Wasser schaffen“, schwärmt er. Allerdings zeichnet sich ab, dass Stadt und Land dort, wie berichtet, lieber Hochschuleinrichtungen ansiedeln wollen.

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Die zweite Stelle ist die Fläche zwischen MVV-Hochhaus und Kurpfalzbrücke. Ein Bereich, der zwar nicht zum Hafengebiet gehört, aber direkt am Wasser liegt. Sowohl oben an der Straße, wo der Spielplatz ist, als auch am Fluss selbst und dem Weg dorthin sehen die beiden viel Verbesserungsbedarf. „Das ist eine tolle Fläche, aber sie schläft einfach vor sich hin“, findet Lang. Kramer würde oben an der Balustrade „erst einmal mit einem Kiosk, Liegestühlen und zwei Volleyballfeldern anfangen“. Mit 40 000 bis 60 000 Euro könne man da schon viel erreichen, findet er. Von einer solchen Aufwertung würde auch das Museumsschiff profitieren. „Und neben dem Museumsschiff könnte doch auch noch ein Badeschiff stehen“, fließt der Strom an Ideen gleich weiter.

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Stadt wollte Hafen übernehmen

Es ist ja nicht so, dass es in Mannheim nichts am Wasser gäbe, wie Lang betont. Er verweist auf die Jungbusch-Seite des Verbindungskanals mit Popakademie oder Existenzgründerzentrum C-Hub. Aber diese Plätze seien eben – zurecht – beliebt und, wie das Beispiel zeige, eben sehr überlaufen.

Doch nicht nur städtebaulich würde Mannheim von diesen Ideen profitieren, finden Lang und Kramer. Auch volkswirtschaftlich sei es sinnvoll, die innenstadtnahe Flächen anders zu nutzen. Denn die Wertschöpfung pro Quadratmeter sei in solchen Büros um ein Vielfaches höher als auf den Flächen, die aktuell zum Beispiel als Lager genutzt würden.

Bei der Stadt Mannheim rennen die beiden mit ihren Überlegungen offene Türen ein. Oberbürgermeister Peter Kurz hatte bereits vor zehn Jahren den Vorstoß unternommen, dass Mannheim den Hafen übernimmt – vor allem auch, um eine teilweise andere Nutzung möglich zu machen. Das Land war aber gegen eine Übernahme. Man verfolge „aktiv eine Stadtentwicklung an der Schnittstelle Stadt-Hafen“, erklärt ein Rathaus-Sprecher und nennt als Beispiel die bereits bestehenden Gebäude am Verbindungskanal. „Allerdings sind hier auch Restriktionen zu beachten wie Lärm oder Störfallbetriebe. Darum sind Gewerbe und Wohnraum nur bedingt rechtlich kombinierbar.“

Was die Ideen der Architekten im Bereich des Museumsschiffes angeht, sieht die Stadtverwaltung dagegen Schwierigkeiten. Dort gebe es ein großes unterirdisches Regenrückhaltebecken. Außerdem sei der unmittelbare Uferbereich Teil der Bundeswasserstraße Neckar.

Redaktion Reporter für das Ressort "Mannheim".

Redaktion Stellvertr. Leiter der Lokalredaktion Mannheim

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