Mannheim. Ein Foto aus dem Jahr 1953 zeigt Paul Braun mit seinen drei Kumpels. Sie lachen in die Kamera, bereit zur ausgedehnten Fahrt mit ihren Rädern. Es geht in den Odenwald nach Neunkirchen, zu Paul Brauns Tante Elise. Er selbst hat einen Kochtopf am Lenker. „Ich war als Jüngster auch noch für die Verpflegung verantwortlich“, berichtet er.
Die Aufnahme ist am Möhlblock in der Schwetzingerstadt entstanden, dort hatten seine Freunde gewohnt – während er seit 1951 mit seinen Eltern in der Kleinfeldstraße/Ecke Augartenstraße in einer eigenen Wohnung lebte. Beide Orte sind nicht weit entfernt von der Stelle, die wir in der aktuellen Folge 215 von „Erkennen Sie Mannheim?“ suchen: die Schwetzinger Straße mit den Häusern 57 und 67 und dazwischen dem Schwetzinger Platz.
„Hier war als Schüler mein Revier“, schreibt Paul Braun: „Ganz begeistert waren wir Buben, wenn sonntags die Brüder Altig mit ihrem Transporter zum Radrennen gefahren sind.“ Überhaupt das Radfahren: „Mein erstes eigenes Fahrrad konnte ich mit Hilfe von Opa und unserem Gartennachbarn erst 1953 zusammenbauen“, erinnert sich Braun. Aber dann ging’s los, zur Odenwaldtour – deren Ausgangspunkt auf dem Foto zu sehen ist.
Wie er erkannten auch knapp drei Dutzend Teilnehmerinnen und Teilnehmer, um welche Stelle in Mannheim es sich auf dem historischen Foto – das laut Marchivum ungefähr im Jahr 1937 entstanden sein muss – handelt. Lediglich zwei Personen lagen daneben. Sie tippten auf die Mittelstraße/Ecke Bürgermeister-Fuchs-Straße und die Lange Rötterstraße/Einmündung Friedrich-Ebert-Straße in der Neckarstadt.
Die Häuserzeile hatte im Zweiten Weltkrieg durch Bombenangriffe sehr gelitten, wie sich Karlheinrich Trumpp erinnert: „Die Häuser Schwetzinger Straße 51-55, ganz links im Bild, wurden durch Bomben vollständig zerstört und in modernem Stil aufgebaut. Auch die Häuser des gesamten Schwetzinger Platzes 1 bis 8 mit den Häusern Schwetzinger Straße 57 und 67 waren beschädigt.“ Aber insbesondere an dieser Stelle, so Rainer Axtmann, seien die Gebäude „nach dem Krieg praktisch unverändert wieder aufgebaut worden“ – was auf den beiden Aufnahmen damals und heute auch gut zu erkennen ist.
Nachkriegs-Ruinen als beliebte Spielplätze
Axtmann hat zwar „keine persönliche Beziehung zu diesem Ort“. Aber er besitzt ein zweiteiliges Buch von 1946 – „Bilddokumente Mannheim 1933/1945“ mit Aufnahmen vor und nach dem Krieg. „Im Vorkriegsteil ist exakt die gezeigte Aufnahme enthalten, mit der Unterschrift ,Schöpfungen neuzeitlicher Baugesinnung in der Schwetzinger Straße’“, teilt Reiner Axtmann mit: „Der Nachkriegsteil zeigt die gleiche Straßenpartie in stark zerstörtem Zustand.“
Und bot damit – wie so viele andere Stellen im Stadtgebiet – den damaligen Kindern außergewöhnliche Spielmöglichkeiten. Zum Beispiel Manfred Kirschbaum, der von 1946 bis 1948 als Elf- bis Zwölfjähriger in der Schwetzinger Straße 103 wohnte, vom Bild aus gesehen 160 Meter nach rechts. „Da waren in dieser Gegend noch sehr viele Ruinen und Schutthalden, wo ich herumstromerte“, blickt er zurück.
So ging es auch Birgit Schmidt, die von 1949 bis 1965 mit Großvater, Mutter und Tante am Schwetzinger Platz gelebt hat: „Das Haus mit der Bäckereimarkise wurde im Krieg zerstört und war mein bevorzugter Spielplatz.“ Später nutzte auch ihr Sohn den Schwetzinger Platz zum Herumtollen.
In der Schwetzingerstadt ebenfalls groß geworden ist Monika Lay. Sie besuchte dort in den 1970er Jahren den Kindergarten St. Elisabeth, der hinter dem Rücken des Fotografen angesiedelt ist. Ein paar Jahre später nutzte sie ausgiebig die dortigen Jugendräume, war dann selbst im Kindergarten angestellt. So wie Elisabeth Kaufmann, die dort viele Jahre arbeitete. Dabei hatte sie zunächst Mühe, die Kita zu finden. Da sie „zur Straße hin in ein Wohnhaus integriert“ sei und „früher nicht als Kita erkennbar war, bin ich damals beim Vorstellungsgespräch erst einmal am Eingang vorbeigelaufen“.
Neuigkeiten aus erster Hand über Opernsängerin Rothenberger
Ganz in der Nähe, in der Schwetzinger Straße 45, wohnt seit 1959 Bernd Gerstle – in dem Haus, das sein Großvater in den 1920er Jahren gekauft hat. Er erinnert sich an einen Onkel der bekannten Mannheimer Opern- und Operettensängerin Anneliese Rothenberger, der mit seiner Haushälterin am Schwetzinger Platz wohnte. „Meine Mutter war eine große Verehrerin von Bloomaulorden-Trägerin Annelise Rothenberger, die in ihrer Schulzeit in der Parallelklasse war.“
Die Haushälterin des Onkels „war auch Damenbekleidungsverkäuferin beim ehemaligen Modehaus Neugebauer, dem heutigen Peek & Cloppenburg.“ Und wartete oft mit Neuigkeiten über die Opernsängerin auf. „Meine Mutter hatte danach immer glänzende Augen“, so Bernd Gerstle.
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