Mannheim. Ganze Generationen von Menschen in Rheinau-Süd drücken hier sieben Jahrzehnte lang die Schulbank. Heute sind die vier Klassenzimmer nicht mehr wiederzuerkennen. Annemaria Bernion hat das Schulgebäude aus den 1930er Jahren in zehnjähriger Eigenarbeit zu einem wohnlichen Heim umgebaut. Am Donnerstagabend darf die Redaktion für den Themenschwerpunkt „Wohnen“ einen Blick hinein werfen.
Wie es früher hier aussieht, weiß jeder, der in Rheinau-Süd aufwächst. 1937 erbaut, ist das Schulgebäude auch nach dem Neubau in der Petersstraße in Betrieb, zuletzt für Erstklässler. 2009 stellt die Stadt das Grundstück zum Verkauf, um mit dem Erlös die Sanierung des Rheinauer Rathauses zu finanzieren.
„Auch ich kannte das Haus gut“, berichtet Annemaria Bernion: „Ich wohnte damals im Walchenseeweg und bin oft daran vorbeigelaufen.“ Ihr Interesse ist daher geweckt, als sie im „MM“ über den Verkauf des Hauses liest. Mit der Stadt vereinbart sie einen Gesprächstermin. „Ich war spontan begeistert“, erinnert sie sich. Doch noch sind zwei Mitbewerber im Rennen: „Im Urlaub bekam ich dann die Nachricht, dass ich den Zuschlag erhalten habe.“
Das ist im Jahr 2010. Und erst jetzt beginnt die Arbeit. „Im ersten Jahr war ich damit beschäftigt, zu entrümpeln“, berichtet sie. Danach geht es an die Leitungen: „Es gab nur eine einzige Steckdose in jedem Raum und kein warmes Wasser.“ Das muss sich natürlich ändern, eine moderne Heizung wird eingebaut.
Den Zuschnitt des Bauwerks belässt die neue Eigentümerin, denn an dem ist nichts auszusetzen. Die vier Klassenzimmer haben eine ideale Größe. Nur das Lehrerzimmer muss weichen. Da die frühere Freifläche des Gebäudes von der Stadt ebenfalls verkauft und bebaut wird, ist der bisherige Eingang von der Lüderitzstraße aus nicht mehr praktikabel und muss in die Gustav-Nachtigal-Straße verlegt werden. So erhält das Haus die Nummer 28 c. „Das findet kein Mensch“, berichtet Bernions Partner Hubert Ogon.
Böden selbst abgeschliffen
Und dann geht es in den Räumen an die Arbeit. Mit Ausnahme der Elektro- und Sanitärarbeiten macht Bernion das meiste selbst; immerhin ist sie gelernte Schreinermeisterin. „Die Böden habe ich alle selbst abgeschliffen“, berichtet sie nicht ohne Stolz. Nur ganz große Arbeiten erledigt die Baufirma, deren Geschäftsführer ihr Vater Erich Bernion ist.
Auf die Gestaltung der Räume verwendet Bernion viel Mühe. So bleibt die angesichts von 3,60 Metern Deckenhöhe vorgetragene Sorge mancher Freunde „Kann man das wohnlich gestalten?“ grundlos. Die Wohnküche zeigt das Bild eines Bergsees und einen langen Tisch aus einem Stück Holz, der die leicht gebogene Form seines Baumes beibehält. Im orientalischen Zimmer fühlt man sich an den legendären Diwan erinnert. Und im Tanzraum treffen sich Bernion und Ogon mit ihren Freunden, zusammen sechs bis acht Paare, zu Tango-Abenden. In wandhohen Spiegeln lässt sich sehen, ob die graziöse Bewegung auch stimmt.
Rustikaler und nostalgischer sieht es in jenem Raum aus, der gerade erst fertig geworden ist - man riecht sogar noch die Farbe. Den Mittelpunkt bildet ein Billardtisch, den Bernion aus einem Laden in der Neckarstadt übernimmt. In den Ecken stehen ein alter Flipper und eine Musikbox, an der Bar drei hölzerne Hocker aus dem Bestand eines aufgelösten Hotels in der Pfalz.
Das Dachgeschoss dient als Wellnessbereich samt Sauna. Im Keller möchte Bernion eine Kegelbahn einrichten: „Wer eine zu verkaufen hat, kann sich melden“, nutzt sie das Gespräch mit dem „MM“. Das zeigt: „Mit einem solchen Haus ist man eigentlich nie fertig.“ Doch nach zehn Jahren ist zumindest eine wichtige Etappe vollendet. „Doch durch diese lange Zeit wächst einem das Gebäude auch so richtig ans Herz.“
Kein Wahllokal mehr
Auch mit der Nachbarschaft hat sie ein gutes Auskommen, nachdem es zu Beginn schon mal turbulent zugeht, als etwa ein großer Baum umfällt. Und auch an der Diskussion um die Umbenennung der beiden Straßen, an der ihr Haus liegt, nimmt sie Anteil. „Ich habe nichts gegen die Umbenennung“, betont sie. Und Ogon formuliert deutlicher: „Nach dem Ergebnis der Historikerkommission muss sie einfach kommen.“
Früher war Schulhaus übrigens Wahllokal. Doch die Zeiten, da Leute hier versehentlich klingeln, um ihre Stimme abzugeben, sind vorbei.
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